idw – Informationsdienst Wissenschaft

Nachrichten, Termine, Experten

Grafik: idw-Logo
Science Video Project
idw-Abo

idw-News App:

AppStore

Google Play Store



Instanz:
Teilen: 
25.09.2024 15:11

Wie verändert die Zugabe von Gesteinsmehl das Leben im Meer?

Ilka Thomsen Kommunikation und Medien
GEOMAR Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung Kiel

    25.09.2024/Kiel. Heute werden in der Kieler Förde erneut zwölf schwimmende Versuchstanks, so genannte Mesokosmen, zu Wasser gelassen, um die ökologische Wirkung der Alkalinitätserhöhung zu untersuchen. Das Experiment ist Teil des internationalen Projekts Ocean Alk-Align und zielt darauf ab, zu verstehen, wie der Ozean durch die Zugabe von Mineralien mehr Kohlendioxid (CO2) aus der Atmosphäre aufnehmen kann.

    Da die drastische Reduzierung der Treibhausgas-Emissionen allein nicht ausreichen wird, nationale und internationale Klimaschutzziele zu erreichen, suchen Forschende intensiv nach Möglichkeiten, der Atmosphäre aktiv Kohlendioxid (CO2) zu entziehen. Ein Ansatz besteht darin, die Alkalinität des Ozeans zu erhöhen, so dass er mehr CO2 aufnehmen kann.

    Wie funktioniert die Alkalinitätserhöhung?

    Die Alkalinitätserhöhung im Ozean ahmt den natürlichen Prozess der Gesteinsverwitterung nach, der in den vergangenen Jahrmilliarden geholfen hat, das Erdklima zu stabilisieren. Nun ist aber der durch den Menschen verursachte Kohlendioxid-Eintrag etwa hundertmal zu schnell, um durch natürliche Verwitterung ausgeglichen zu werden. Die direkte Zugabe von alkalischen Mineralien ins Meer hat denselben Effekt: Der pH-Wert steigt, und dadurch sinkt die CO2-Konzentration im Oberflächenozean. Da Ozean und Atmosphäre um Ausgleich bemüht sind, wird dadurch mehr CO₂ aus der Atmosphäre in den Ozean transportiert.

    Das Herbst-Experiment

    Um die Auswirkungen einer Alkalinitätserhöhung auf die Meeresökologie zu untersuchen, wurden am Mittwoch, 25. September 2024, erneut zwölf in sich abgeschlossene Versuchstanks, so genannte Mesokosmen, an der Pier vor dem Kieler Aquarium eingesetzt und am Folgetag befüllt. Sie isolieren jeweils 8.000 Liter Fördewasser mitsamt dem darin enthaltenen pflanzlichen und tierischen Plankton. Die Umweltbedingungen in den Mesokosmen sind damit dieselben wie im Meer – ein Wasseraustausch findet jedoch nicht statt. Vier Wochen lang wird dann nach der Zugabe von Mineralien in unterschiedlichen Konzentrationen genauestens überwacht, wie das Ökosystem auf die Alkalintätserhöhung reagiert. Es ist der letzte von drei mehrwöchigen Mesokosmen-Einsätzen in diesem Jahr.

    Erste Ergebnisse und neue Erkenntnisse

    Die beiden Experimentreihen im Frühling und Sommer haben bereits erste Ergebnisse erbracht. So hat sich beispielsweise die Befürchtung, dass Verunreinigungen in den Mineralien potenziell toxische Spurenelemente ins Meer freisetzen könnten, als unbegründet erwiesen.

    Beobachtet werden konnte ein deutlicher Effekt auf Mikroalgen: Mit zunehmender Alkalinität wurde im Frühjahr und Sommer ein Rückgang des Wachstums von Kieselalgen (Diatomeen) festgestellt. Eine mögliche Erklärung ist, dass sich Mineralpartikel in den Diatomeenketten verfangen, als Ballast wirken und sie zum Absinken bringen. Auch ein chemischer Effekt, bei dem der hohe pH-Wert in der Nähe der sich auflösenden Mineralien die Kieselpanzer der Algen schädigt, könnte eine Rolle spielen. Diese Hypothesen werden jetzt im Herbstexperiment weiter untersucht.

    Ein dritter Befund betrifft das Ausfällen von Kalziumkarbonat: In früheren Laborstudien wurde beobachtet, dass bei einer zu starken Alkalinitätserhöhung Kalziumkarbonat (CaCO3) ausfällt, was die Alkalinität wiederum reduziert und zu Ineffizienzen führt. Dieser Prozess war zuweilen so schnell und intensiv, dass am Ende mehr Alkalinität verloren ging, als durch Mineralien zugegeben wurde. In den Mesokosmen-Experimenten trat dieser Effekt zwar auch auf, führte aber nicht zu überschießender Karbonatausfällung. Das liegt wahrscheinlich daran, dass die Kalziumkarbonatpartikel in den Mesokosmen nach ihrer Entstehung relativ schnell zu Boden sanken. Dadurch wurden sie aus der Wassersäule entfernt, bevor sie die Ausfällung weiter antreiben konnten. Das Experiment zeigt also, dass unter realen Bedingungen im Meer dieser „Runaway“-Effekt weniger wahrscheinlich ist als bisher gedacht.

    Zukunft der Forschung

    „Noch sind nicht alle Daten ausgewertet, aber schon diese drei Erkenntnisse sind Highlights, die ohne unseren Versuchsaufbau mit den Mesokosmen nicht hätten gewonnen werden können“, erklärt Dr. Ulf Riebesell, Professor für Biologische Ozeanographie am GEOMAR Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung Kiel. Die Ergebnisse hätten so schon einige Annahmen revidieren können, die auf weniger realistischen Versuchsaufbauten beruhten.

    Hintergrund: Ocean Alk-Align

    Ocean Alk-Align ist ein internationales Forschungsprojekt, das die Effizienz und Beständigkeit, die Umweltsicherheit und Anforderungen an die Überwachung, Berichterstattung und Verifizierung (Monitoring, Reporting, and Verification, MRV) der marinen Alkalinitätserhöhung untersucht. Ziel ist es, eine fundierte Wissensbasis zu schaffen, um die mögliche Anwendung dieser Technologie zu bewerten. Ocean Alk-Align wird von der Universität Dalhousie, Kanada koordiniert. Beteiligt sind das GEOMAR sowie die Universität Hamburg und die Universitäten Southern Cross und Tasmanien, Australien. Das Projekt wird von der US-amerikanischen „Carbon to Sea“-Initiative gefördert.

    Kontakt:
    Ilka Thomsen (GEOMAR, Kommunikation & Medien), Tel.: 0431 600-2802, media@geomar.de


    Weitere Informationen:

    https://www.geomar.de/der-ozean-als-klimaschuetzer/kohlenstoffaufnahme-im-ozean/... Alkalinitätserhöhung im Ozean
    https://alkalign.ocean.dal.ca/ Projektwebseite Ocean Alk-Align (auf Englisch)
    http://www.geomar.de/n9600 Bildmaterial zum Download


    Bilder

    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Journalisten, Wirtschaftsvertreter, Wissenschaftler
    Biologie, Geowissenschaften, Meer / Klima, Umwelt / Ökologie
    überregional
    Forschungsprojekte
    Deutsch


     

    Hilfe

    Die Suche / Erweiterte Suche im idw-Archiv
    Verknüpfungen

    Sie können Suchbegriffe mit und, oder und / oder nicht verknüpfen, z. B. Philo nicht logie.

    Klammern

    Verknüpfungen können Sie mit Klammern voneinander trennen, z. B. (Philo nicht logie) oder (Psycho und logie).

    Wortgruppen

    Zusammenhängende Worte werden als Wortgruppe gesucht, wenn Sie sie in Anführungsstriche setzen, z. B. „Bundesrepublik Deutschland“.

    Auswahlkriterien

    Die Erweiterte Suche können Sie auch nutzen, ohne Suchbegriffe einzugeben. Sie orientiert sich dann an den Kriterien, die Sie ausgewählt haben (z. B. nach dem Land oder dem Sachgebiet).

    Haben Sie in einer Kategorie kein Kriterium ausgewählt, wird die gesamte Kategorie durchsucht (z.B. alle Sachgebiete oder alle Länder).