Die neue AWMF-Leitlinie „Früher Schwangerschaftsverlust im 1. Trimenon“ legt diagnostische Ansätze und aktuelle Behandlungsoptionen von frühen Schwangerschaftsverlusten dar. Ziel ist es, die Versorgung der von einer Fehlgeburt oder einer Eileiterschwangerschaft betroffenen Patientinnen weiter zu verbessern. Im Fokus steht der Verlust der Schwangerschaft im ersten Drittel, d.h. bis zur 12. Schwangerschaftswoche.
Berlin, im September 2024 – Als „früher Schwangerschaftsverlust“ wird eine nicht lebensfähige Schwangerschaft in den ersten 12 Schwangerschaftswochen bezeichnet. Davon weisen betroffene Frauen entweder eine Fehlgeburt (Fachbegriff: Abort) oder eine Schwangerschaftslokalisation außerhalb der Gebärmutter (Fachbegriff: Ektope Gravidität) auf. Der frühe Schwangerschaftsverlust kommt laut den Expertinnen und Experten bei mindestens 10 bis 15% aller klinisch erkannten Schwangerschaften vor.
Mit der neuen S2k-Leitlinie zum frühen Schwangerschaftsverlust im 1. Trimenon soll die Versorgung der Patientinnen weiter optimiert werden. Die Handlungsempfehlung überprüft diagnostische Ansätze und beschreibt aktuelle Optionen für die Behandlung von frühen Schwangerschaftsverlusten.
Die unter Federführung der Deutschen Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe e.V (DGGG), Österreichischen Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe (OEGGG) sowie Schweizerischen Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe (SGGG) entstandene Leitlinie befasst sich mit den unterschiedlichen Abortformen und den verschiedenen Schwangerschaftslokalisationen außerhalb der Gebärmutter, den diagnostischen Möglichkeiten, der Darstellung und Bewertung verschiedener therapeutischer Möglichkeiten, mit Auswirkungen auf die weitere Fertilität sowie Aspekten des Trauer- und Verarbeitungsprozesses nach einem frühen Schwangerschaftsverlust.
Betrachtung unterschiedlicher Abortformen
Die Expertinnen und Experten unterscheiden zwischen dem Frühstabort, dem Abortus imminens (drohende Fehlgeburt) sowie dem Abortus incipiens (nicht aufzuhaltende Fehlgeburt), dem Abortus incompletus, Abortus completus, der Missed abortion, dem septischen/entzündlichen Abort und der Windmole. Vor dem offiziellen Therapiebeginn sei jeweils zu gewährleisten, die entsprechende Diagnose zu sichern, um eine intakte Schwangerschaft von anderen Formen, wie einem Abortgeschehen oder einer ektopen Schwangerschaft, abzugrenzen.
Gynäkologinnen und Gynäkologen seien laut der Leitlinie unter der Voraussetzung, dass keine Notfallsituation vorliegt, immer angehalten, den Patientinnen das gesamte Spektrum an Therapieoptionen beim Abortgeschehen bzw. bei Verdacht auf eine ektope Gravidität zu erläutern und anzubieten. Dies umfasse neben dem abwartenden Vorgehen immer die medikamentöse Behandlung und die Operation.
„Die Häufigkeit von frühen Schwangerschaftsverlusten ist den meisten betroffenen Frauen nicht bewusst. Während diese Situation ärztlicherseits Routine ist, kommt der ungünstige Schwangerschaftsausgang für die Patientinnen meist unerwartet und kann psychisch sehr belastend sein.“
- Prof. Dr. med. Matthias David, Leitlinienkoordinator,
Klinik für Gynäkologie, Campus Virchow-Klinikum, Charité-Universitätsmedizin Berlin
Ausführungen zu ektopen Schwangerschaften
Bei einer Schwangerschaft, in der sich die Eizelle außerhalb des Gebärmutterinnenraums einnistet, kann die Diagnostik aufgrund der reduzierten Genauigkeit natürlich nicht allein auf dem Beschwerdebild und der Anamnese beruhen. Deshalb werden unter anderem konkrete Empfehlungen zur Labor- und Ultraschalldiagnostik gegeben. Weiterhin werden die drei Therapiemöglichkeiten ektoper Schwangerschaften (Abwarten und Überwachung; Methotrexatgabe; Operation) detailliert erläutert.
Augenmerk auf psychische Aspekte und vulnerable Gruppen
Für betroffene Frauen kann ein früher Schwangerschaftsverlust eine immense psychische Belastung sein, weshalb in der Leitlinie auch zu den emotionalen Auswirkungen für die betroffenen Frauen und ihre Partner Empfehlungen gegeben werden. Psychische Reaktionen können unter anderem Trauer, Depression, Angstsymptome oder posttraumatische Belastungsreaktionen unterschiedlicher Ausprägung einschließen. Psychische Folgen einer Fehlgeburt oder einer ektopen Schwangerschaft können zudem das Risiko einer erneuten Fehlgeburt erhöhen. Vor allem im ersten Drittel einer nachfolgenden Schwangerschaft können verschiedenartige Reaktionen vorübergehend zunehmen. Die Expertinnen und Experten erachten es daher als wichtig, die Patientinnen auf den psychischen Verarbeitungsprozess des frühen Schwangerschaftsverlustes anzusprechen und ihnen aktiv Unterstützung anzubieten.
Des Weiteren wird darauf hingewiesen, dass Betroffene mit besonderen körperlichen bzw. psychischen Konstitutionen oder sozialen Situationen unter Umständen besondere Formen von Unterstützung benötigen, unabhängig von der Behandlungsform des Schwangerschaftsverlustes. In der Handlungsempfehlung wird zur Orientierung auf einige Unterstützungsangebote für Betroffene eingegangen.
Die Leitlinie richtet sich vor allem an Ärztinnen und Ärzte für Frauenheilkunde und Geburtshilfe, Fachgesellschaften, Arbeitsgemeinschaften sowie Organisationen, die an der Leitlinienerstellung beteiligt waren. Finanziell unterstützt wurde sie durch das DGGG Leitlinienprogramm.
Eine gekürzte Version für Patientinnen wurde parallel zur Entstehung der S2k-Leitlinie erarbeitet.
Leitlinien sind Handlungsempfehlungen. Sie sind rechtlich nicht bindend und haben daher weder haftungsbegründende noch haftungsbefreiende Wirkung.
Leitlinienkoordinator:
Prof. Dr. med. Matthias David
https://register.awmf.org/de/leitlinien/detail/015-076
Merkmale dieser Pressemitteilung:
Journalisten, Wissenschaftler, jedermann
Ernährung / Gesundheit / Pflege, Gesellschaft, Medizin
überregional
Forschungs- / Wissenstransfer, Wissenschaftliche Publikationen
Deutsch
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