Reallabore für die Zukunft der Landwirtschaft: Leibniz-Zentrum für Agrarlandschaftsforschung (ZALF) will Büro in der Universitätsstadt eröffnen
Das Leibniz-Zentrum für Agrarlandschaftsforschung (ZALF) wird künftig auch in Gießen verortet sein: Im Rahmen einer engen Zusammenarbeit mit der Agrar- und Umweltforschung der Justus-Liebig-Universität Gießen (JLU) und zwei weiteren hessischen Standorten in Kassel und Geisenheim soll 2026 das neue „Innovationszentrum für Agrarsystemtransformation“ (IAT) in Brandenburg und Hessen gegründet werden. Grundlage ist eine entsprechende Entscheidung, die die Gemeinsame Wissenschaftskonferenz aus Bund und Ländern jetzt getroffen hat. Für die Forschung in regionalen Reallaboren in Hessen und Brandenburg werden 19 neue Arbeitsgruppen eingerichtet, neun unter der Leitung von Professuren, drei davon an der JLU. Geplant ist ein Stellenausbau um rund 70 feste Mitarbeitende. Hierfür stellen Bund und Länder dem ZALF eine zusätzliche Grundfinanzierung in Höhe von 9,5 Millionen Euro jährlich zur Verfügung. Nach dem Aufbaujahr 2026 sollen ab 2027 zwei Koordinationsbüros eingerichtet werden – davon eines in Hessen am Standort Gießen.
Die neue Struktur wird als dauerhafte strategische Erweiterung des ZALF in Zusammenarbeit mit der JLU, der Universität Kassel und der Hochschule Geisenheim University aufgebaut. Mit den Kooperationspartnern in Hessen wird das ZALF seine Forschungsbereiche auf weitere Themen, wie integrierte Tier-Pflanzen-Systeme, intensivierte ökologische Landwirtschaft und klimaresilienten Weinbau erweitern und für die gemeinsame Forschung wichtige Infrastrukturen ausbauen. „Unsere Gesellschaft benötigt dringend innovative Ideen für zukunftsfähige und voll integrierte Lösungen in der Landwirtschaft. Ich freue mich sehr darüber, dass die JLU – traditionell sehr stark in der Agrarforschung – dazu beitragen wird, die Lösungsansätze des neuartigen Zentrums auf ihre Wirksamkeit zu prüfen und gemeinsam mit allen Partnern zu optimieren“, betonte JLU-Präsidentin Prof. Dr. Katharina Lorenz.
„Klimawandel, Kriege und die wachsende Weltbevölkerung stellen die Landwirtschaft vor große Herausforderungen. Die Justus-Liebig-Universität Gießen forscht in Kooperation mit der Universität Kassel und der Hochschule Geisenheim im starken hessischen Verbund zu agrar- und ernährungswissenschaftlichen Fragen der Zukunft. Mit dem Schwerpunkt ,Integrierte Pflanzen-Tier-Agrarsysteme‘ widmet sich das Reallabor der Universität Gießen der Verbindung von nachhaltigem Pflanzenanbau und nachhaltiger Tierhaltung – und baut auf diesem Weg die große agrarwissenschaftliche Expertise am Standort noch weiter aus“, so Wissenschaftsminister Timon Gremmels.
„Wir freuen uns sehr über diese Entscheidung, denn wir haben an diesem Konzept in den letzten Jahren hart und intensiv gearbeitet. Daher gilt mein Dank insbesondere den beteiligten Kolleginnen und Kollegen hier am ZALF sowie den Partnern in Hessen. Ich danke auch der Gemeinsamen Wissenschaftskonferenz von Bund und Ländern, die dem ZALF das Vertrauen ausgesprochen hat, mit dem Vorhaben die nachhaltige Transformation der Landwirtschaft in Deutschland signifikant wissenschaftlich zu begleiten und voranzutreiben. In den letzten Jahren haben wir bereits wertvolle Erfahrungen zur Forschung in und mit Real- und Landschaftslaboren gesammelt, beispielsweise im FINAL-Projekt oder in unserem patchCROP-Landschaftslabor in der Nähe von Müncheberg. Durch die dauerhafte Erweiterung unserer Mittel können wir diesen praxisnahen Ansatz jetzt deutlich intensiver und in einer größeren thematischen Breite verfolgen. So entstehen gemeinsam mit Landwirtinnen, Landwirten und weiteren, nichtwissenschaftlichen Akteuren in diesen Reallaboren Lösungen, die nicht nur wissenschaftlich fundiert, sondern von Beginn an gemeinsam entwickelt werden und damit schneller anwendbar sind“, fasst Prof. Frank Ewert, Wissenschaftlicher Direktor des ZALF, die Vision des neuen Zentrums zusammen.
Das Reallabor, an dem die JLU beteiligt sein wird, beschäftigt sich mit den Hessischen Mittelgebirgen und integrierten Pflanzen-Tier-Agrarsystemen. Auch für die Nordhessische Lössebene (Intensivierte Ökologische Landwirtschaft, Universität Kassel) und den Rheingau (Multifunktionale und klimaresiliente Weinbausysteme, Hochschule Geisenheim University) sollen in Hessen Lösungen entwickelt werden, die in der Praxis Bestand haben. Die Forschungsthemen der Reallabore sollen eng an die Bedürfnisse und Besonderheiten der jeweiligen Region angepasst werden. Die Reallabore bieten eine geeignete Plattform, um den Herausforderungen unserer Zeit – wie Klimawandel, Ernährungssicherung, Artensterben oder Erhalt der Bodengesundheit – in einem umfassenden und praxisnahen Rahmen zu begegnen. Neben der Wirkung für Praxis und Gesellschaft werden wichtige Impulse für die Forschung erwartet.
Das Besondere an diesem Forschungsansatz ist, dass die Maßnahmen direkt unter realen Bedingungen entwickelt und erprobt werden. So entstehen praxisnahe Lösungen, die sich auch wirtschaftlich für Landwirtinnen und Landwirte lohnen sollen und regionale Wachstumsimpulse setzen. Die Forschungsfragen werden von Beginn an mit den Akteurinnen und Akteuren aus Praxis, Politik, Gesellschaft vor Ort in Kooperation mit der Wissenschaft entwickelt und Lösungen gemeinsam getestet und reflektiert.
Anders als in rein wissenschaftlichen Projekten, in denen Experimente unter stark kontrollierten und standardisierten Bedingungen ablaufen, wird im Reallabor unter realen, oft komplexen Bedingungen und im sogenannten Co-Design-Ansatz mit nichtwissenschaftlichen Akteuren geforscht. Die kontrollierten Ansätze sind zwar wichtig, um klare und vergleichbare Ergebnisse zu erzielen, spiegeln aber die vielfältigen Herausforderungen in der Praxis oft nicht wider. Viele im Labor entwickelte Lösungen scheitern in der Anwendung, weil sie nicht an die tatsächlichen Bedingungen vor Ort angepasst sind. Das betrifft besonders komplexe landwirtschaftliche Problemstellungen, wie den Klimawandel oder das Artensterben, die eine praxisnahe und anpassungsfähige Forschung verlangen.
Das innovative Reallabor-Konzept des IAT greift die Empfehlungen des Wissenschaftsrats aus dem Jahr 2023 auf, der betont, dass eine langfristige und systemische Agrarforschung nötig sei, um die Transformation der Landwirtschaft zu fördern. Das ZALF hat die strategische Erweiterung im Jahr 2022 über das Land Brandenburg beantragt und in Vor-Ort-Begehungen durch die Leibniz-Gemeinschaft und den Wissenschaftsrat erfolgreich vorgestellt und verteidigt.
Förderhinweis:
Das IAT soll zukünftig mit Mitteln des Bundes und der Länder über eine Aufstockung der Grundfinanzierung des ZALF von jährlich 9,5 Mio. Euro realisiert werden. Mit Blick auf den noch nicht abschließend vorliegenden Haushalt 2026 steht die Förderzusage noch unter Finanzierungsvorbehalt.
Merkmale dieser Pressemitteilung:
Journalisten
Tier / Land / Forst, Umwelt / Ökologie
überregional
Forschungsprojekte, Kooperationen
Deutsch
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