Funktionelle Bewegungsstörungen (Functional Movement Disorders, FMD) gehören zu den häufigsten neurologischen Erkrankungen, von denen weltweit Millionen Menschen betroffen sind Forschende aus Trier, Lübeck und Dresden haben nun neue Erkenntnisse zur möglichen Ursache gewonnen.
Kaffee verschütten, unwillkürliches Zucken oder Stolpern – funktionelle Bewegungsstörungen bedeuten für Betroffene eine erhebliche Belastung im Alltag. Umso frustrierender ist es, dass die genauen neurologischen Zusammenhänge hinter diesen Symptomen bisher kaum verstanden wurden. Forschende aus Trier, Lübeck und Dresden konnten jetzt Hinweise darauf liefern, welche Vorgänge im Gehirn möglicherweise zu den bekannten Symptomen wie Zittern, Krämpfen oder Gangstörungen beitragen.
Wahrnehmung und Handlung zu eng verknüpft
Die verschiedenen Bereiche des Gehirns kommunizieren in bestimmten Frequenzbereichen miteinander. In einem dieser Bereiche, dem Beta-Frequenzbereich von 15 bis 25 Hertz, wurde bei Patientinnen und Patienten mit FMD eine übermäßige Kommunikation festgestellt. Dies zeigte eine Analyse von EEG-Daten, die an der Universität Trier durchgeführt und in einer renommierten Fachzeitschrift veröffentlicht wurde.
„Unsere Ergebnisse legen nahe, dass die übermäßige Synchronisation von Hirnwellen im Beta-Bereich die Handlungskontrolle bei Betroffenen signifikant beeinträchtigt“, erklärt Dr. Bernhard Pastötter, Co-Autor der Studie und wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Abteilung für Kognitive Psychologie und Methodenlehre der Universität Trier. Diese sogenannte „Hyperbindung“ beschreibt eine besonders enge Verknüpfung zwischen Wahrnehmung und Handlung. Sie könnte erklären, warum Betroffene wiederholt unangemessene Handlungen ausführen.
Bernhard Pastötter illustriert dies anhand eines Beispiels: „Stellen Sie sich vor, Sie geben Zucker in einen Kuchenteig. Bei der nächsten Handlung – etwa Zucker in den Kaffee – könnte die Hyperbindung dazu führen, dass Sie unbewusst wieder Zucker in den Teig geben. Das Gehirn hat die Wahrnehmung des Löffels zu eng mit der vergangenen Handlung verknüpft und ruft dieselbe Ereignisdatei nun verstärkt ab.“
Mögliche Übertragbarkeit der Ergebnisse auf Parkinson
Anders als bei verwandten Erkrankungen wie Parkinson sind bei funktionellen Bewegungsstörungen keine strukturellen Schäden im Gehirn der Patientinnen und Patienten sichtbar. Stattdessen scheint die Kommunikation zwischen den Hirnarealen gestört zu sein. Forschende aus den Niederlanden sehen dennoch bereits Ansätze, die Ergebnisse aus Trier auf andere Patientengruppen zu übertragen.
Auch Parkinson-Patientinnen und -Patienten zeigen nämlich die erhöhte Synchronisation im Beta-Bereich. Außerdem ist bei beiden Krankheiten das Supplementär-Motorische Areal betroffen. Diese Hirnregion ist an der Planung und Steuerung von Bewegungen beteiligt.
Perspektiven für neue Behandlungsmethoden
Die Trierer Grundlagenforschung bildet die Basis für weitere Studien, die zur Entwicklung neuer Behandlungsmethoden für funktionelle Bewegungsstörungen beitragen könnten. Bisher werden Patientinnen und Patienten mit FMD vor allem mit einer Kombination aus Psycho- und Physiotherapie behandelt. Nach den aktuellen Erkenntnissen könnten diese Ansätze zukünftig durch Neurofeedback-Training oder elektrische Hirnstimulation im Beta-Frequenzbereich ergänzt werden, um die Kommunikation der Hirnareale gezielt zu beeinflussen.
Dr. Bernhard Pastötter
Kognitive Psychologie & Methodenlehre
Mail: pastoetter@uni-trier.de
Tel. +49 651 201-2939
Bernhard Pastötter et al.: Increased beta synchronization underlies perception-action hyperbinding in functional movement disorders. in: Brain Communications 6, 5 (2024).
Zur Studie: https://doi.org/10.1093/braincomms/fcae301
Merkmale dieser Pressemitteilung:
Journalisten, Wissenschaftler
Medizin, Psychologie
überregional
Forschungsergebnisse, Wissenschaftliche Publikationen
Deutsch
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