Tuberkulose (TB) ist weltweit die häufigste Infektionskrankheit, wobei die multiresistente TB (MDR-TB) eine besondere Bedrohung für die globale Gesundheit darstellt. Eine vom Schweizerischen Tropen- und Public Health-Institut (Swiss TPH) geleitete Studie zeigt nun, dass sich Resistenzen gegen das kürzlich von der Weltgesundheitsorganisation empfohlene neue Behandlungsschema für MDR-TB bereits zwischen Patient*innen ausbreitet. Die Ergebnisse, die gestern im renommierten New England Journal of Medicine veröffentlicht wurden, unterstreichen die Dringlichkeit, die Überwachung und Kontrolle von TB zu verbessern, um der antimikrobiellen Resistenz entgegenzuwirken.
Multiresistente Tuberkulose
Jedes Jahr erkranken mehr als 10 Millionen Menschen an Tuberkulose (TB). Mit geschätzten 1,25 Millionen Todesfällen pro Jahr ist sie nach wie vor die häufigste Infektionskrankheit der Welt. Die Krankheit kommt in allen Ländern vor, aber bestimmte Regionen wie Indien, Zentralasien und das südliche Afrika sind besonders stark betroffen. Multiresistente Tuberkulose (multidrug resistant tuberculosis – MDR-TB) stellt weiterhin eine grosse Bedrohung für die öffentliche Gesundheit dar und trägt zur wachsenden Besorgnis über die zunehmende Antibiotikaresistenz bei.
Die herkömmliche Behandlung der multiresistenten Tuberkulose ist langwierig, teuer und mit schweren Nebenwirkungen verbunden. 2022 hat die Weltgesundheitsorganisation (WHO) ein neues, sechsmonatiges Behandlungsschema – BPaL(M) – empfohlen, dessen verbesserte Sicherheit und Wirksamkeit in zahlreichen klinischen Studien, darunter TB-PRACTECAL, nachgewiesen wurde.
Überwachung der Einführung eines neuen Behandlungsschemas
«Das neue Behandlungsschema ist zwar ein Wendepunkt für Patient*innen, die an MDR-TB leiden. Wir wussten aber, dass es schwierig sein würde, Mycobacterium tuberculosis, das Bakterium, das Tuberkulose verursacht, zu überlisten», sagt Sébastien Gagneux, Leiter des Departements «Medical Parasitology and Infection Biology» am Swiss TPH und Hauptautor der Publikation. «Es war deshalb wichtig zu untersuchen, wie die Tuberkulosebakterien auf die weltweite Einführung dieses neuen Behandlungsschemas reagieren würden».
Eine Studie unter der Leitung des Swiss TPH in Zusammenarbeit mit dem National Centre for Tuberculosis and Lung Diseases in Tiflis, Georgien, die gestern im renommierten New England Journal of Medicine veröffentlicht wurde, hat nun im Detail untersucht, ob sich seit der Einführung des neuen Behandlungsschemas bereits Resistenzen gegen die Medikamente gebildet haben und ob diese Resistenzen von Mensch zu Mensch übertragen werden.
Mehr als ein Viertel der resistenten Stämme geht auf Übertragungen zwischen Patient*innen zurück
Die Forschenden analysierten die Genome von fast 90’000 M. tuberculosis-Stämmen aus Georgien und vielen anderen Ländern der Welt. Sie identifizierten insgesamt 514 Stämme, die gegen Tuberkulose-Medikamente resistent sind, und zwar sowohl gegen alte als auch gegen das neue Behandlungsschema. Diese hochresistenten Stämme wurden in 27 Ländern auf vier Kontinenten gefunden.
Alarmierend ist, dass 28 Prozent dieser Stämme direkt von einer infizierten Person auf eine andere übertragen wurden. «Wir hatten bereits vereinzelte Hinweise auf die Entstehung von Resistenzen, wussten aber nicht, in welchem Ausmass die Übertragung für die Verbreitung dieser hochresistenten Stämme verantwortlich ist», sagt Galo A. Goig, Postdoktorand am Swiss TPH und Erstautor der Publikation.
«Die gute Nachricht ist, dass die Gesamtzahl dieser Fälle noch gering ist. Besorgniserregend ist jedoch die Tatsache, dass mehr als ein Viertel dieser hochresistenten Fälle auf die Übertragung von einer erkrankten Person auf die nächste zurückzuführen ist – und das nur zwei Jahre, nachdem die WHO das neue Schema genehmigt hat», so Goig weiter.
Forderung nach besserer Überwachung von Tuberkulose
Die Ergebnisse haben wichtige Implikationen für die Gesundheitspolitik. «Die Entwicklung dieser neuen Medikamente hat viele Jahre gedauert. Um das Auftreten von Resistenzen zu verhindern, ist es wichtig, die Einführung dieser neuen Therapien mit robusten Diagnose- und Überwachungssystemen zu kombinieren», sagt Chloé Loiseau, Postdoktorandin am Swiss TPH und Mitautorin der Publikation.
Die Autoren betonen die Notwendigkeit verbesserter Diagnoseinstrumente, einer besseren Infektionskontrolle und robuster Überwachungssysteme, um die Ausbreitung dieser hochresistenten Stämme einzudämmen und die Wirksamkeit der neuen Therapien zu gewährleisten.
Kampf gegen antimikrobielle Resistenzen
Obwohl neue Tuberkulose-Medikamente in der Pipeline sind, befürchten Fachleute, dass M. tuberculosis auch weiterhin Wege finden wird, den neuen Medikamenten zu entgehen. «Das Beispiel dieser hochgradig arzneimittelresistenten Tuberkulosestämme zeigt einmal mehr, dass die Antibiotikaresistenz heute eine der grössten Bedrohungen für die globale Gesundheit darstellt», sagt Gagneux. «Wir müssen in diesem ständigen Wettlauf zwischen Medikamentenentwicklung und bakterieller Resistenz die Oberhand gewinnen und proaktive Massnahmen ergreifen, um ein 'post-antibiotisches Zeitalter' zu verhindern.
Über die Studie
Die Studie wurde gestern im New England Journal of Medicine veröffentlicht. Das Swiss TPH leitete die Studie in Zusammenarbeit mit dem National Center for Tuberculosis and Lung Diseases (NCTLD) in Tiflis, Georgien. Die Arbeit wurde vom Schweizerischen Nationalfonds (SNF) und dem Europäischen Forschungsrat (ERC) unterstützt.
https://www.nejm.org/doi/full/10.1056/NEJMc2404644
Über Tuberkulose
Tuberkulose (TB) ist eine Infektionskrankheit, die durch Mycobaterium tuberculosis verursacht wird. Tuberkulose wird von Mensch zu Mensch durch Tröpfcheninfektion übertragen. Symptome der Krankheit sind Husten, Brustschmerzen, Gewichtsverlust, Fieber und Nachtschweiss. Multiresistente Tuberkulose (MDR-TB) ist eine Form der Tuberkulose, die durch Bakterien verursacht wird, die auf die beiden wirksamsten Tuberkulose-Medikamente der ersten Wahl nicht ansprechen. Nur etwa 2 von 5 Menschen mit MDR-TB hatten 2022 eine Behandlung erhalten.
Der Beitrag des Swiss TPH im Kampf gegen TB
Das Swiss TPH engagiert sich dafür, TB-bedingtes Leid zu lindern, und ist auf fünf Kontinenten von der Grundlagenforschung bis hin zur Stärkung der Gesundheitssysteme aktiv. Zu diesen Aktivitäten gehören die Erforschung der Wechselwirkung zwischen Wirt und Erreger, der Entwicklung von Antibiotikaresistenzen und der Immunreaktionen des Wirts auf die Infektion sowie die Evaluierung von TB-Initiativen und -Programmen. Das Swiss TPH führt ausserdem in Zusammenarbeit mit unseren langjährigen Partnern am Ifakara Health Institute (IHI) in Tansania und am National Centre for Tuberculosis and Lung Diseases (NCTLD) in Georgien klinische Studien zu neuen TB-Diagnostika, Medikamenten und Impfstoffen durch.
Prof. Dr. Sébastien Gagneux, Leiter des Departements «Medical Parasitology and Infection Biology” am Swiss TPH, sebastien.gagneux@swisstph.ch, +41 61 284 8369
https://www.nejm.org/doi/full/10.1056/NEJMc2404644
https://www.swisstph.ch/de/news/news-detail-1/news/tuberkulosestaemme-die-gegen-...
Bei der Studie wurden die Genome von fast 90'000 Tuberkulosestämmen aus der ganzen Welt analysiert.
Joachim Pelikan/Swiss TPH
Joachim Pelikan/Swiss TPH
Merkmale dieser Pressemitteilung:
Journalisten
Biologie, Medizin
überregional
Forschungsergebnisse
Deutsch
Sie können Suchbegriffe mit und, oder und / oder nicht verknüpfen, z. B. Philo nicht logie.
Verknüpfungen können Sie mit Klammern voneinander trennen, z. B. (Philo nicht logie) oder (Psycho und logie).
Zusammenhängende Worte werden als Wortgruppe gesucht, wenn Sie sie in Anführungsstriche setzen, z. B. „Bundesrepublik Deutschland“.
Die Erweiterte Suche können Sie auch nutzen, ohne Suchbegriffe einzugeben. Sie orientiert sich dann an den Kriterien, die Sie ausgewählt haben (z. B. nach dem Land oder dem Sachgebiet).
Haben Sie in einer Kategorie kein Kriterium ausgewählt, wird die gesamte Kategorie durchsucht (z.B. alle Sachgebiete oder alle Länder).