Weltweit steigen die Fallzahlen neurologischer Erkrankungen und gleichzeitig stößt die medizinische Versorgung fast überall personell wie budgetär an ihre Grenzen. Prof. Dr. Daniela Berg möchte daher die Prävention in ihrer Amtszeit als DGN-Präsidentin maßgeblich stärken. Allerdings fühlen sich die wenigsten Menschen von allgemeinen Gesundheitsappellen angesprochen. Das könne eine „personalisierte Prävention“ ändern – dank molekularer Diagnostik und KI seien in der Neurologie individuelle Risikoprognosen und Frühestdiagnosen möglich, die Handlungsräume für konkrete Präventionsmaßnahmen öffnen. Die DGN-Präsidentin sagt: „Wir müssen Prävention innovativer denken als bisher.“
Am 1. Januar 2025 hat Prof. Dr. Daniela Berg, Direktorin der Klinik für Neurologie am Universitätsklinikum Schleswig-Holstein, Campus Kiel, die Präsidentschaft der Deutschen Gesellschaft für Neurologie (DGN) übernommen, die 13.000 Mitglieder zählt. Prof. Bergs Forschungsinteresse gilt neurodegenerativen Erkrankungen, insbesondere der Parkinson-Krankheit. Mit ihrem Team hat Prof. Berg wesentlich dazu beigetragen, dass der Verlauf der Erkrankung besser verstanden wird, als dies noch vor wenigen Jahren der Fall war, was Grundlage für die Entwicklung ursächlicher Therapien ist. Prof. Berg gehört seit mehreren Jahren zu den meist zitierten Forscherpersönlichkeiten der Welt und ist international eng vernetzt. Insbesondere ihre Forschung zur Früherkennung wurden weltweit wahrgenommen, die renommierte Parkinson-Expertin arbeitet u. a. an Biomarkern, die eine frühe Diagnose und Beurteilung des Krankheitsverlaufs ermöglichen.
In ihrer DGN-Präsidentschaft möchte Prof. Berg an ihre Forschungsthemen anknüpfen und die Aspekte Prävention und Früherkennung in den gesundheitspolitischen Fokus rücken. „Neurologische Erkrankungen nehmen weltweit zu, gleichzeitig haben sie aber ein enormes Präventionspotenzial, beispielsweise könnten global bis zu 45 % aller Demenz-Erkrankungen durch das Vermeiden von Risikofaktoren verhindert werden [1]. Hier müssen wir als Fach einen Schwerpunkt legen und im Schulterschluss mit Politik und Kostenträgern die Bevölkerung adressieren.“
Wie die Expertin hervorhebt, bestehe Handlungsbedarf. Deutschland belegt zwar einen Spitzenplatz bei den Gesundheitsausgaben, ist aber gleichzeitig im Hinblick auf die Lebenserwartung unter dem westeuropäischen Ländern Schlusslicht (Belgien, Dänemark, Finnland, Frankreich, Irland, Italien, Luxemburg, die Niederlande, Österreich, Portugal, Schweden, Schweiz, Spanien, Vereinigtes Königreich [2]). „Die Medizin in Deutschland ist hochwertig, aber offensichtlich gehen wir nicht nachhaltig genug mit dieser Ressource um. Wir machen kostenintensive ‚Reparaturmedizin‘, investieren aber nicht in ein besseres Gesundheitsbewusstsein der Bevölkerung, um behandlungsintensive Krankheiten von vornherein zu vermeiden. Die gesundheitsökonomische Misere, in der wir uns derzeit befinden, ist auch Konsequenz einer seit Jahren fehlgeleiteten Incentivierung.“
Die Neurologie sollte eine Vorreiterrolle einnehmen und die präventive Neurologie zu einer Säule des Fachs ausbauen. „Wenn wir wissen, dass bis zu 90 % aller Schlaganfälle auf vermeidbare Risikofaktoren zurückzuführen sind [3], die Fallzahlen steigen und gleichzeitig die medizinische Versorgung personell wie budgetär an ihre Grenzen stößt, ist Prävention eine effektive Stellschraube. Diese nicht zu nutzen, dürfen und können wir uns nicht länger leisten.“
Die neue DGN-Präsidentin möchte im Schulterschluss mit Politik und Gesellschaft ein Umdenken anstoßen und wirbt für eine innovative Prävention von neurologischen Krankheiten. Dabei setzt die Expertin nicht allein auf allgemeine Gesundheitsappelle, die bekanntermaßen nur wenige Menschen erreichen und schnell verhallen, sondern auf eine personalisierte Prävention mithilfe neuester Frühdiagnostik und KI-basierter Technologien. „Wir haben in der Neurologie viele Krankheiten mit Vorlaufphasen von vielen Jahren und sind zunehmend in der Lage, diese, lange bevor sie klinisch manifest werden, zu diagnostizieren. Darüber hinaus ermöglicht KI die Generierung von Tools zur präzisen persönlichen Risikoeinschätzung. Wenn ein Mensch weiß, in zehn Jahren werde ich an einer Demenz erkranken oder mein Risiko, in den nächsten drei Jahren einen Schlaganfall zu erleiden, beträgt 83 %, ist die Bereitschaft, eine gesunde Lebensweise anzunehmen und gezielte Präventionsmaßnahmen konsequent umzusetzen, natürlich sehr viel höher als wenn er glaubt, er sei gesund. Erkrankungen können dadurch effektiv hinausgezögert, einige auch ganz verhindert werden.“ Nach Jahren der Entwicklung von personalisierten Therapien sei es nach Ansicht der Expertin daher nun an der Zeit, auch die Prävention zu personalisieren, die Tools dafür gebe es. Wichtig sei dabei auch, die Menschen zu erreichen, die von gezielten Präventionsmaßnahmen besonders profitieren, was heutzutage über die sozialen Medien möglich sei. „Prävention braucht auch ein besseres Image – weg von Verboten hin zu einer positiven Vermittlung von Chancen und der Freude daran, diesen Mehrwert zu nutzen. Ein gesunder Lebensstil sollte nicht als Verzicht, sondern als Bereicherung wahrgenommen werden.“
Nicht zuletzt dürften sich Präventionsbemühungen, so Prof. Berg, auch nicht nur auf den Gesundheitsbereich und innerhalb der Landesgrenzen beschränken. „Prävention steht in einer gesamtgesellschaftlichen Verantwortung und muss darüber hinaus global gedacht werden. Sie hängt auch eng mit Umweltschutz und Nachhaltigkeit zusammen, die Entstehung vieler neurologischer Krankheiten wird z. B. durch Umweltgifte oder Luftverschmutzung mit begünstigt. Wir müssen Prävention innovativer denken als bisher und haben hier auch eine Verantwortung gegenüber den Ländern des globalen Südens.“
Neben dem Kernthema Prävention wird Prof. Berg in ihrer Amtszeit mit vielen Expertinnen und Experten der DGN auch weitere Themen bearbeiten und die Arbeit ihrer Vorgängerinnen und Vorgänger fortsetzen. Gesundheitspolitisch gilt es, die Krankenhausstrukturreformpläne bestmöglich umzusetzen. Ein wichtiges Thema ist zudem die Nachwuchsförderung, dazu zählt neben Initiativen der Fachgesellschaft und der Jungen Neurologie auch die Arbeit an der neuen Weiterbildungsordnung. Ein besonderes Anliegen ist der Forscherin darüber hinaus die Stärkung der Wissenschaft: „Die Neurologie ist ein Innovationsmotor, sie generiert viele neue wegweisende Therapien. Wir müssen daher die Rahmenbedingungen kontinuierlich optimieren, damit der hohe Output der neurologischen Forschung erhalten bleibt und Menschen mit neurologischen Krankheiten weiterhin von innovativen Behandlungen profitieren können.“
[1] Livingston G, Huntley J, Liu KY et al. Dementia prevention, intervention, and care: 2024 report of the Lancet standing Commission. Lancet. 2024 Aug 10;404(10452):572-628. doi: 10.1016/S0140-6736(24)01296-0. Epub 2024 Jul 31. PMID: 39096926.
[2] Bundesinstitut für Bevölkerungsforschung. Pressemeldung vom 22.05.2024: Deutschland fällt bei Lebenserwartung in Westeuropa weiter zurück. Abrufbar unter https://www.bib.bund.de/DE/Presse/Mitteilungen/2024/2024-05-22-Deutschland-faell...
[3] Feigin VL, Roth GA, Naghavi M et al.; Global Burden of Diseases, Injuries and Risk Factors Study 2013 and Stroke Experts Writing Group. Global burden of stroke and risk factors in 188 countries, during 1990-2013: a systematic analysis for the Global Burden of Disease Study 2013. Lancet Neurol. 2016 Aug;15(9):913-924. doi: 10.1016/S1474-4422(16)30073-4. Epub 2016 Jun 9. PMID: 27291521.
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Pressesprecher: Prof. Dr. Peter Berlit
Leiterin der DGN-Pressestelle: Dr. Bettina Albers
Tel.: +49(0)174 2165629
E-Mail: presse@dgn.org
Die Deutsche Gesellschaft für Neurologie e.V. (DGN)
sieht sich als medizinisch-wissenschaftliche Fachgesellschaft in der gesellschaftlichen Verantwortung, mit ihren 13.000 Mitgliedern die neurologische Krankenversorgung in Deutschland zu sichern und zu verbessern. Dafür fördert die DGN Wissenschaft und Forschung sowie Lehre, Fort- und Weiterbildung in der Neurologie. Sie beteiligt sich an der gesundheitspolitischen Diskussion. Die DGN wurde im Jahr 1907 in Dresden gegründet. Sitz der Geschäftsstelle ist Berlin. www.dgn.org
Präsidentin: Prof. Dr. Daniela Berg
Stellvertretender Präsident: Prof. Dr. Dr. Sven Meuth
Past-Präsident: Prof. Dr. Lars Timmermann
Generalsekretär: Prof. Dr. Peter Berlit
Geschäftsführer: David Friedrich-Schmidt
Geschäftsstelle: Budapester Str. 7/9, 10787 Berlin, Tel.: +49 (0)30 531437930, E-Mail: info@dgn.org
DGN-Präsidentin Prof. Dr. Daniela Berg
Christian Festag
DGN/Christian Festag
Merkmale dieser Pressemitteilung:
Journalisten
Ernährung / Gesundheit / Pflege, Medizin
überregional
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Deutsch
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