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09.01.2025 10:06

Neue Einblicke in den Stoffwechsel der Darmmikrobiota

Dr. Charlotte Schwenner Presse und Kommunikation
Helmholtz-Zentrum für Infektionsforschung

    HIRI-Forschende entdecken Kontrollmechanismen bei der Verwertung von Mehrfachzuckern in Bacteroides thetaiotaomicron

    Forschende des Helmholtz-Instituts für RNA-basierte Infektionsforschung (HIRI) sowie der Julius-Maximilians-Universität (JMU) in Würzburg haben ein Protein und eine Gruppe kurzer Ribonukleinsäuren (sRNAs, von engl. small ribonucleic acids) in Bacteroides thetaiotaomicron identifiziert, die dessen Zuckerstoffwechsel steuern. Auf diese Weise gelingt es dieser Darmmikrobe, sich an wechselnde Nahrungsbedingungen anzupassen. Die Ergebnisse vertiefen unser Verständnis der Rolle dieses Bakteriums im menschlichen Darm. Sie könnten den Weg für neue therapeutische Strategien ebnen, die darauf abzielen, die menschliche Gesundheit über die Mikrobiota zu fördern. Die Studie ist in der Fachzeitschrift Nature Communications erschienen.

    Für die menschliche Gesundheit spielt der Darm eine zentrale Rolle. Die Zusammensetzung der Mikrobiota und ihre Funktionen für das Wohlbefinden des Menschen hängen stark davon ab, wie gut sich die Bakterien an die ständigen Veränderungen im Darmmilieu anpassen. Die Frage, wie Darmkommensalen ihren Stoffwechsel auf tägliche Schwankungen des Nahrstoffangebots einstellen, ist daher zu einem zentralen Thema der Mikrobiota-Forschung geworden.

    Obwohl sich das mikrobielle Ökosystem des Darms von Mensch zu Mensch unterscheidet, gibt es einige häufige Arten. Dazu zählt Bacteroides thetaiotaomicron. Diese Mikroben verfügen über Dutzende verschiedene Multiprotein-Komplexe, die auf spezifischen Stellen im Genom kodiert sind – den sogenannten PULs (von engl. polysaccharide utilization loci). Die Komplexe können spezifische Mehrfachzucker binden, spalten sowie importieren und tragen somit zur erfolgreichen Besiedlung des Darms bei. Die Bildung dieser PUL-Komplexe wird dabei streng auf Ebene der Transkription kontrolliert, wobei die Information der DNA in Boten-RNA (mRNA, von engl. messenger ribonucleic acid) umgeschrieben wird. Wie PULs auf posttranskriptioneller Ebene reguliert werden, um auf Umweltveränderungen zu reagieren, ist dagegen bisher weitgehend unerforscht. Hier haben Wissenschaftler:innen des Würzburger Helmholtz-Instituts für RNA-basierte Infektionsforschung (HIRI), einem Standort des Braunschweiger Helmholtz-Zentrums für Infektionsforschung (HZI) in Kooperation mit der Julius-Maximilians-Universität Würzburg (JMU), sowie des Lehrstuhls für Mikrobiologie an der JMU angesetzt. In Zusammenarbeit mit der Vanderbilt University in Nashville (Tennessee, USA) und der University of Toronto in Kanada führten sie eine Reihe von In-vitro- und In-vivo-Experimenten durch.

    „Unsere Ergebnisse deuten auf ein bemerkenswert komplexes RNA-basiertes Netzwerk hin, das die PUL-Expression in B. thetaiotaomicron steuert“, erläutert der korrespondierende Autor Alexander Westermann die Forschungsergebnisse der Studie, die im Fachmagazin Nature Communications erschienen ist. „Damit ergänzen wir frühere Arbeiten, die sich auf transkriptionelle Kontrollmechanismen konzentrierten“, schließt er an.

    Ein komplexes Netzwerk

    Im Zentrum dieses Netzwerks steht das RNA-Bindeprotein RbpB: „Wir haben herausgefunden, dass das Fehlen von RbpB die Darmbesiedlung deutlich beeinträchtigt“, sagt Ann-Sophie Rüttiger, Erstautorin der Studie und Doktorandin im Labor von Alexander Westermann.

    Die funktionelle Analyse zeigte, dass RbpB mit Hunderten von zellulären Transkripten interagiert. Dazu gehört eine Gruppe verwandter nicht-kodierender RNA-Moleküle (FopS, von engl. family of paralogous sRNAs) mit 14 Mitgliedern. Gemeinsam steuern RbpB und FopS Prozesse zur Energiegewinnung und sorgen so dafür, dass die Mikroben optimal auf wechselnde Bedingungen reagieren können. „Diese Studie erweitert unser Verständnis der RNA-koordinierten Stoffwechselkontrolle, die für die Überlebenschancen dominanter Mikrobiota-Spezies entscheidend ist“, so Rüttiger.

    Künftige Studien sollen die Struktur von RbpB genauer untersuchen und die Schlüsselmechanismen der RNA-Bindung identifizieren. Das Team plant zudem, die funktionelle Ähnlichkeit von RbpB mit anderen RNA-bindenden Proteinen zu analysieren, um zentrale posttranskriptionelle Steuerungspunkte in der Darmmikrobiota zu entschlüsseln.

    Ein vertieftes Wissen über die bakteriellen Gen- und Proteinfunktionen könnte maßgeblich dazu beitragen, neue therapeutische Ansätze zur Bekämpfung von Infektions- und Darmerkrankungen sowie zur Gesundheitsförderung durch gezielte Beeinflussung der Darmmikrobiota zu entwickeln. „Unsere Ergebnisse bieten einen vielversprechenden Ansatz, dieses mikrobielle Konsortium besser zu verstehen und für neue Behandlungsstrategien nutzbar zu machen“, fasst Westermann zusammen.

    Förderung

    Die Studie wurde aus Mitteln der Deutschen Forschungsgemeinschaft (Einzelforschungsstipendium an Alexander J. Westermann) und des Europäischen Forschungsrats (ERC, von engl. European Research Council) unterstützt (ERC Starting Grant an Alexander J. Westermann).

    Diese Pressemitteilung finden Sie auch auf unserer Homepage unter dem Link:https://www.helmholtz-hzi.de/media-center/newsroom/news-detailseite/neue-einblic...

    Helmholtz-Zentrum für Infektionsforschung:
    Wissenschaftler:innen am Helmholtz-Zentrum für Infektionsforschung (HZI) untersuchen in Braunschweig und an anderen Standorten in Deutschland bakterielle und virale Infektionen sowie die Abwehrmechanismen des Körpers. Sie verfügen über fundiertes Fachwissen in der Naturstoffforschung und deren Nutzung als wertvolle Quelle für neuartige Antiinfektiva. Als Mitglied der Helmholtz-Gemeinschaft und des Deutschen Zentrums für Infektionsforschung (DZIF) betreibt das HZI translationale Forschung, um die Grundlagen für die Entwicklung neuartiger Therapien und Impfstoffe gegen Infektionskrankheiten zu schaffen. https://www.helmholtz-hzi.de

    Helmholtz-Institut für RNA-basierte Infektionsforschung:
    Das Helmholtz-Institut für RNA-basierte Infektionsforschung (HIRI) ist die weltweit erste Einrichtung ihrer Art, die die Forschung an Ribonukleinsäuren (RNA) mit der Infektionsbiologie vereint. Auf Basis neuer Erkenntnisse aus seinem starken Grundlagenforschungsprogramm will das Institut innovative therapeutische Ansätze entwickeln, um menschliche Infektionen besser diagnostizieren und behandeln zu können. Das HIRI ist ein Standort des Braunschweiger Helmholtz-Zentrums für Infektionsforschung (HZI) in Kooperation mit der Julius-Maximilians-Universität Würzburg (JMU) und befindet sich auf dem Würzburger Medizin-Campus. Weitere Informationen unter http://www.helmholtz-hiri.de.

    Medienkontakt:
    Luisa Haertig
    Koordinatorin Kommunikation
    Helmholtz-Institut für RNA-basierte Infektionsforschung (HIRI)
    luisa.haertig@helmholtz-hiri.de
    +49 (0)931 31 86688


    Originalpublikation:

    Rüttiger AS, Ryan D, Spiga L, Lamm-Schmidt V, Prezza G, Reichardt S, Langford M, Barquist L, Faber F, Zhu W, Westermann AJ. The global RNA-binding protein RbpB is a regulator of polysaccharide utilization in Bacteroides thetaiotaomicron. Nature Communications (2025), DOI: 10.1038/s41467-024-55383-8 https://doi.org/10.1038/s41467-024-55383-8


    Bilder

    Atomares Modell des RbpB-Proteins von Bacteroides thetaiotaomicron mit einzelnen B. thetaiotaomicron-Bakterien im Hintergrund.
    Atomares Modell des RbpB-Proteins von Bacteroides thetaiotaomicron mit einzelnen B. thetaiotaomicron ...

    Blender / Adobe Stock (Dr_Microbe) / Sandy Westermann


    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Journalisten, Wissenschaftler
    Biologie, Medizin
    überregional
    Forschungsergebnisse, Wissenschaftliche Publikationen
    Deutsch


     

    Atomares Modell des RbpB-Proteins von Bacteroides thetaiotaomicron mit einzelnen B. thetaiotaomicron-Bakterien im Hintergrund.


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