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09.01.2025 13:47

Ein Pilz als Pflanzenretter?

Friederike Gawlik Pressestelle
Leibniz-Institut für Naturstoff-Forschung und Infektionsbiologie - Hans-Knöll-Institut (Leibniz-HKI)

    𝗙𝗼𝗿𝘀𝗰𝗵𝗲𝗻𝗱𝗲 𝗮𝘂𝘀 𝗝𝗲𝗻𝗮 𝗸ö𝗻𝗻𝗲𝗻 𝗲𝗿𝘀𝘁𝗺𝗮𝗹𝗶𝗴 𝗻𝗮𝗰𝗵𝘃𝗼𝗹𝗹𝘇𝗶𝗲𝗵𝗲𝗻, 𝘄𝗶𝗲 𝗱𝗲𝗿 𝗕𝗼𝗱𝗲𝗻𝗽𝗶𝗹𝘇 𝘔𝘰𝘳𝘵𝘪𝘦𝘳𝘦𝘭𝘭𝘢 𝘢𝘭𝘱𝘪𝘯𝘢 𝗙𝗮𝗱𝗲𝗻𝘄ü𝗿𝗺𝗲𝗿 𝗺𝗶𝘁 𝗛𝗶𝗹𝗳𝗲 𝘃𝗼𝗻 𝗡𝗮𝘁𝘂𝗿𝘀𝘁𝗼𝗳𝗳𝗲𝗻 𝗮𝘂𝘀𝘀𝗰𝗵𝗮𝗹𝘁𝗲𝘁 𝘂𝗻𝗱 𝘀𝗼 𝗮𝘂𝗰𝗵 𝗱𝗲𝗿 𝗟𝗮𝗻𝗱𝘄𝗶𝗿𝘁𝘀𝗰𝗵𝗮𝗳𝘁 𝗵𝗲𝗹𝗳𝗲𝗻 𝗸ö𝗻𝗻𝘁𝗲

    Der Bodenpilz 𝘔𝘰𝘳𝘵𝘪𝘦𝘳𝘦𝘭𝘭𝘢 𝘢𝘭𝘱𝘪𝘯𝘢 hat das Potenzial, die Landwirtschaft grüner und nachhaltiger zu gestalten: Der Pilz produziert bioaktive Moleküle namens Malpinine, die Pflanzen vor zerstörerischen Würmern schützen könnten. Ein Forschungsteam aus Jena konnte nun erstmals deren Wirkweise nachvollziehen und näher beschreiben. Die Studie erschien im renommierten Journal of the American Chemical Society (JACS).

    Die Geschichte beginnt unter unseren Füßen: Böden sind nicht nur ein komplexer Lebensraum, sondern auch ein Schlachtfeld, auf dem winzige Fadenwürmer, die Nematoden, gegen Pilze und Pflanzenwurzeln antreten. Darunter leidet vor allem die Landwirtschaft. Aus Sorge vor Ernteverlusten werden die Würmer konventionell mit chemischen Pestiziden bekämpft. Diese stehen jedoch zunehmend in der Kritik, da sie möglicherweise Böden und Wasser schädigen. Mit Blick auf die Zukunft müssen für eine nachhaltige Landwirtschaft Alternativen gefunden werden.

    Im Gegensatz zu uns Menschen kennt der Bodenpilz 𝘔𝘰𝘳𝘵𝘪𝘦𝘳𝘦𝘭𝘭𝘢 𝘢𝘭𝘱𝘪𝘯𝘢 schon lange einen natürlichen Trick gegen Nematoden: Er produziert spezielle Moleküle, die seinen Fressfeinden das Leben schwer machen. Diese oberflächenaktiven Naturstoffe heißen Malpinine und fungieren als natürliche Detergenzien. „Frühere Studien hatten schon gezeigt, dass der Pilz Nematoden bekämpfen kann, aber der molekulare Wirkmechanismus dahinter war noch unbekannt. Wir wollten diesen aufklären“, sagt Erstautorin Dr. Hannah Büttner vom Leibniz-Institut für Naturstoff-Forschung und Infektionsbiologie – Hans-Knöll-Institut (Leibniz-HKI).

    𝘔𝘰𝘳𝘵𝘪𝘦𝘳𝘦𝘭𝘭𝘢 𝘢𝘭𝘱𝘪𝘯𝘢, der vor allem in Böden gemäßigter und kühler Regionen vorkommt, könnte ein Schlüssel zu einer nachhaltigen Landwirtschaft sein. „Wenn wir herausfinden, wie genau 𝘔𝘰𝘳𝘵𝘪𝘦𝘳𝘦𝘭𝘭𝘢 gegen Nematoden wirkt, könnten wir diesen Pilz vielleicht gezielt als Mittel zur biologischen Kontrolle gegen Pflanzenpathogene einsetzen“, so Büttner, die soeben erfolgreich ihre Doktorarbeit abgeschlossen hat.

    𝗠𝗮𝗹𝗽𝗶𝗻𝗶𝗻𝗲 𝘀𝘁ö𝗿𝗲𝗻 𝗱𝗶𝗲 𝗩𝗲𝗿𝗱𝗮𝘂𝘂𝗻𝗴 𝗱𝗲𝗿 𝗪ü𝗿𝗺𝗲𝗿

    Die Wissenschaftler*innen haben für die Studie die Wirkung der Malpinine an Modell-Nematoden untersucht. Um die Naturstoffe live in den Nematoden verfolgen zu können, verwendeten sie bildgebende Verfahren wie Fluoreszenzmikroskopie und Raman-Spektroskopie in Kooperation mit Constanze Schultz vom benachbarten Leibniz-Institut für Photonische Technologien. „Wir konnten beobachten, wie sich die Malpinine gezielt im Verdauungstrakt der Würmer ansammeln“, erläutert Büttner. „Die Nematoden starben aber nicht sofort, sondern stellten die Nahrungsaufnahme ein. Dies führte schließlich zu einer zwar langsamen, aber effektiven Kontrolle der Würmer.“

    Besonders bemerkenswert ist die chemische Struktur der Malpinine, die ihre wurmtötende Wirkung erst ermöglicht. Entscheidend dabei ist vor allem ein spezieller Baustein: die ungewöhnliche Aminosäure Dehydrobutyrin.

    „Dehydrobutyrin besitzt eine reaktive Doppelbindung und könnte deshalb Reaktionen mit Molekülen eingehen, die für die Funktion des Nematodendarms essenziell sind“, erklärt Co-Autor Johannes Raßbach vom Institut für Pharmazie der Friedrich-Schiller-Universität Jena. Diese Reaktionen könnten beispielsweise wichtige enzymatische Prozesse im Verdauungstrakt der Schädlinge stören oder die Membranstruktur beeinträchtigen. Versuche zeigten, dass Varianten der Malpinine, bei denen die Aminosäure durch eine weniger reaktive Struktur ersetzt wurde, ihre Wirkung komplett verloren. „Dies weist darauf hin, dass genau diese Struktur für die biologische Aktivität unerlässlich ist. Ohne sie ist die Verbindung wirkungslos“, so Raßbach.

    Die Forschenden vermuten, dass ihr einzigartiger Aufbau es den Malpininen ermöglicht, sowohl in den Körper der Nematoden einzudringen als auch dort gezielt zu wirken.

    𝗘𝗶𝗻𝗲 ö𝗸𝗼𝗹𝗼𝗴𝗶𝘀𝗰𝗵𝗲 𝗔𝗹𝘁𝗲𝗿𝗻𝗮𝘁𝗶𝘃𝗲 𝘇𝘂 𝗰𝗵𝗲𝗺𝗶𝘀𝗰𝗵𝗲𝗻 𝗣𝗲𝘀𝘁𝗶𝘇𝗶𝗱𝗲𝗻?

    Die Erkenntnisse aus der Studie könnten zu einer nachhaltigen Landwirtschaft beitragen. Chemische Pestizide bergen immer gewisse Umwelt- und Gesundheitsrisiken. Natürliche Alternativen wie die Malpinine könnten dagegen umweltfreundliche Lösungen sein, zumal 𝘔𝘰𝘳𝘵𝘪𝘦𝘳𝘦𝘭𝘭𝘢-Pilze oft mit gesunden Böden assoziiert werden. „In der Biotechnologie wird 𝘔𝘰𝘳𝘵𝘪𝘦𝘳𝘦𝘭𝘭𝘢 schon lange genutzt, z. B. für die Herstellung von Babynahrung. Um ihn auch sicher und effektiv in der Landwirtschaft einsetzen zu können, müssen wir den Pilz aber erst noch weiter erforschen“, betont Raßbach.

    Die Studie wurde im Rahmen des Sonderforschungsbereiches „ChemBioSys“ und des Exzellenzclusters „Balance of the Microverse“ der Friedrich-Schiller-Universität Jena durchgeführt. Das interdisziplinäre Forschungsprojekt untersucht, wie mikrobielle Gemeinschaften in verschiedenen Lebensräumen miteinander und mit ihrer Umgebung interagieren. Das Cluster möchte grundlegende Prinzipien der mikrobiellen Balance verstehen, um diese in der Medizin, Landwirtschaft, Umweltwissenschaft und Biotechnologie anzuwenden und nachhaltige Lösungen für globale Herausforderungen wie Klimawandel, Lebensmittelknappheit und Gesundheitsprobleme zu entwickeln. Gefördert wurden die Arbeiten unter anderem mit Mitteln der Deutschen Forschungsgemeinschaft, des Landes Thüringen und der EU.


    Wissenschaftliche Ansprechpartner:

    Prof. Dr. Christian Hertweck
    Biomolekulare Chemie • Abteilungsleiter
    +49 3641 532-1101
    christian.hertweck@leibniz-hki.de


    Originalpublikation:

    Büttner H, Rassbach J, Schultz C, Popp J, Gressler M, Hertweck C (2024) Beneficial soil fungus kills predatory nematodes with dehydropeptides translocating into the animal gut. Journal of the American Chemical Society 146 (50), 34702–34710, https://doi.org/10.1021/jacs.4c12989


    Weitere Informationen:

    https://www.microverse-cluster.de/de/


    Bilder

    Verdauungstrakt von 𝘊𝘢𝘦𝘯𝘰𝘳𝘩𝘢𝘣𝘥𝘪𝘵𝘪𝘴 𝘦𝘭𝘦𝘨𝘢𝘯𝘴
    Verdauungstrakt von 𝘊𝘢𝘦𝘯𝘰𝘳𝘩𝘢𝘣𝘥𝘪𝘵𝘪𝘴 𝘦𝘭𝘦𝘨𝘢𝘯𝘴
    Constanze Schultz
    Constanze Schultz/Leibniz-Institut für Photonische Technologien

    Nematode mit Malpininen
    Nematode mit Malpininen
    Constanze Schultz
    Constanze Schultz/Leibniz-Institut für Photonische Technologien


    Anhang
    attachment icon 𝘔𝘰𝘳𝘵𝘪𝘦𝘳𝘦𝘭𝘭𝘢 𝘢𝘭𝘱𝘪𝘯𝘢

    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Journalisten, Studierende, Wissenschaftler
    Biologie, Chemie, Tier / Land / Forst, Umwelt / Ökologie
    überregional
    Forschungsergebnisse, Wissenschaftliche Publikationen
    Deutsch


     

    Verdauungstrakt von 𝘊𝘢𝘦𝘯𝘰𝘳𝘩𝘢𝘣𝘥𝘪𝘵𝘪𝘴 𝘦𝘭𝘦𝘨𝘢𝘯𝘴


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