LMU-Paläontologen haben 15 Millionen Jahre alte Fossilien untersucht und neue Einblicke in die Artenvielfalt und Lebensweise der Killifische gewonnen.
Killifische, die oft auch als Eierlegende Zahnkarpfen bezeichnet werden, sind für ihre ökologische Anpassungsfähigkeit und Artenvielfalt bekannt. In Europa existieren heute zwei Familien: die sehr artenreichen Aphaniidae und die mit nur drei Arten relativ artenarmen Valenciidae. Wie diese Unterschiede in der Artenvielfalt entstanden sind, ist eine der Fragen, die die Gruppe von Professorin Bettina Reichenbacher untersucht. Mit einem internationalen Team hat die LMU-Paläontologin nun anhand fossiler Killifische gezeigt, dass die Valenciidae einst deutlich artenreicher waren, und hat mögliche Ursachen für deren Schwund aufgedeckt.
Die Forschenden analysierten fossile Killifische von einer neuen Fundstelle im Dinariden-Gebirge (Bosnien-Herzegowina). In dieser Gegend, aus der fossile Killifische bisher nahezu unbekannt waren, existierte im Mittel-Miozän – vor etwa 14.8 Millionen Jahren – über einen Zeitraum von etwa 250.000 Jahren ein Süßwassersee, der den 3-4 cm großen Fischen einen idealen Lebensraum bot. Insgesamt gelang es dem Forschungsteam, Skelette von 179 Fischen zu bergen, von denen bei 94 sogar die Gehörsteinchen (Otolithen) im Schädel erhalten waren. „Funde von Skeletten mit erhaltenen Otolithen sind extrem selten und gelten als Schlüsselfossilien“, sagt Reichenbacher.
Zwei neue Gattungen identifiziert
Anhand der typischen Form der Otolithen kann die Art bestimmt werden, während die Skelettmerkmale unter anderem die Rekonstruktion der Verwandtschaftsverhältnisse des Fisches ermöglichen. Die neuen Funde aus Bosnien-Herzegowina konnten die Forschenden der Familie Valenciidae zuordnen und dabei zwei neue fossile Gattungen identifizieren: Miovalencia und Wilsonilebias, die jeweils mit zwei Arten vertreten waren. Drei dieser Arten waren bisher unbekannt, die vierte war aus früheren Otolithenfunden bereits identifiziert, jedoch nicht als Valenciidae erkannt worden.
Das Skelett von Wilsonilebias wies zudem zur Überraschung der Forschenden ein spezialisiertes Stützskelett der Afterflosse auf. Das lässt darauf schließen, dass die Fortpflanzung von Wilsonilebias mittels innerer Befruchtung erfolgte, so wie bei heutigen ‚lebendgebärenden‘ Zahnkarpfen. „Das muss allerdings nicht unbedingt heißen, dass Wilsonilebias lebenden Nachwuchs zur Welt brachte, denn auch nach erfolgter innerer Befruchtung legen manche heutigen Fische dennoch Eier ab“, sagt Reichenbacher. „Trotzdem zeigen unsere Ergebnisse, dass einige Valenciidae in der Vergangenheit andere Reproduktionsmethoden nutzten als ihre heutigen Nachfahren, die sich ausschließlich durch äußere Befruchtung reproduzieren. Vielleicht war das sogar eines der Geheimnisse ihres Erfolgs zu der damaligen Zeit.“
Vier Killifisch-Arten in einem einzigen See erscheint eine relativ hohe Artenzahl. Andrea Herbert Mainero, Doktorandin und Erstautorin der Studie vermutet, dass die Arten sich ihren Lebensraum und damit auch ihre Nahrungsquellen aufgeteilt haben: Die beiden Wilsonilebias-Arten hielten sich wahrscheinlich im tieferen Wasser auf, wo sie sich möglicherweise von Plankton ernährten. Die rundlichen Otolithen von Wilsonilebias unterstützen diese Vermutung, denn viele heutige Fischarten des tieferen Wassers sind durch rundliche Otolithen charakterisiert. Hingegen könnten die zwei Arten von Miovalencia den flachen, strandnahen Bereich bewohnt haben, wo sie von einem reichen Angebot an Algen und bodenbewohnenden Mikroorganismen profitierten.
Relikte einer größeren Vielfalt
Darüber hinaus belegen die Funde, dass die Valenciidae im Miozän mit sechs Gattungen und 17 Arten vertreten waren, während heute nur noch eine Gattung mit drei Arten existiert. Vor 14.8 Mio Jahren, am Ende des sogenannten miozänen Klimaoptimum, herrschte ein warmes und feuchtes Klima, sodass es genügend kleinere und größere Seen gab, in denen sich die Killifische entfalten konnten. Im weiteren Verlauf des Miozän wurde das Klima trockener, und viele der Seen verschwanden. „Wir vermuten, dass die Valenciidae sich an diese Klimaänderung nicht anpassen konnten, was den Rückgang ihrer einstigen Vielfalt verursachte“, sagt Andrea Herbert Mainero. „Die drei heutigen Arten repräsentieren somit Relikte einer einst viel größeren Vielfalt“, fügt Reichenbacher hinzu. Die neuen Forschungsergebnisse bieten wertvolle Einblicke in die historische Entwicklung der eurasischen Fauna und unterstreichen, wie wichtig es ist, die drei heutigen Valencia Arten zu schützen, von denen eine als gefährdet gilt und die beiden anderen sogar vom Aussterben bedroht sind.
Prof. Dr. Bettina Reichenbacher
Professorin für Paläontologie
Department für Geo- und Umweltwissenschaften, Paläontologie & Geobiologie, LMU München
b.reichenbacher@lrz.uni-muenchen.de
Tel: 0049 (0)89 21806603
https://www.palaeontologie.geowissenschaften.uni-muenchen.de/personen/professure...
Andrea Herbert Mainero, Davit Vasilyan, Bettina Reichenbacher: Two new genera of killifish (Cyprinodontiformes) from the Middle Miocene of the Bugojno Basin, Bosnia and Herzegovina: insights into the lost diversity of Valenciidae. Journal of Systematic Palaeontology 2024
https://doi.org/10.1080/14772019.2024.2412539
Merkmale dieser Pressemitteilung:
Journalisten
Biologie
überregional
Forschungsergebnisse
Deutsch
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