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15.01.2025 11:00

Gemeinsamkeiten zwischen Gefäßverkalkung und Knochenwachstum entdeckt

Christfried Dornis Hochschulkommunikation
Eberhard Karls Universität Tübingen

    Forschungsteam der Universität Tübingen beobachtet biochemischen Prozess an lebenden Zellen – Hinweise auf neuen Behandlungsansatz zur Vorbeugung von Herzinfarkten und Schlaganfällen

    Durch Echtzeitbeobachtung bestimmter biochemischer Prozesse in Blutgefäßen aus Mäusen kam eine bisher unbekannte Gemeinsamkeit zwischen der Atherosklerose, auch Gefäßverkalkung ge-nannt, und dem Knochenwachstum zutage. Ein Forschungsteam unter der Leitung von Professor Robert Feil vom Interfakultären Institut für Biochemie der Universität Tübingen entdeckte, dass ein molekularer Signalweg, der beim Knochenwachstum eine wichtige Rolle spielt, die Entwicklung von Atherosklerose in Blutgefäßen bremsen kann. Möglicherweise lässt sich die Atherosklerose künftig mit Medikamenten behandeln, die ursprünglich zur Therapie von Wachstumsstörungen der Knochen, wie etwa Kleinwuchs, entwickelt worden sind. Die Studie wurde in der Fachzeitschrift Nature Communications veröffentlicht.

    Atherosklerose ist eine weitverbreitete Gefäßkrankheit, die zu Herzinfarkten und Schlaganfällen führt und weltweit die Haupttodesursache ist. Bei dieser Erkrankung entstehen Einlagerungen, unter anderem von Fetten und verschiedenen Zellen, in der inneren Wandschicht der Blutgefäße, die zu sogenannten Plaques anwachsen können. Die Plaques können Gefäße verengen und zu Blutgerinn-seln führen, sodass die Sauerstoffversorgung der Organe über das Blut nicht mehr ausreicht und Herz-Kreislauf-Erkrankungen entstehen.

    Blutgefäße bestehen größtenteils aus sogenannter glatter Muskulatur, die durch Entspannung den Blutdurchfluss erhöhen kann. „Der zentrale Signalgeber dazu ist der Botenstoff zyklisches Guanosinmonophosphat, kurz cGMP, der in den Zellen der glatten Muskulatur der Gefäße gebildet wird“, erklärt Dr. Moritz Lehners von der Universität Tübingen, der Erstautor der Studie. Das cGMP komme in vielen Organen des Menschen vor und reguliere dort zahlreiche Körperfunktionen. Interessan-terweise könne der Botenstoff auf mehreren verschiedenen Wegen in den Gefäßzellen gebildet werden. „Weil man das Regelungsgefüge insgesamt noch nicht genau verstanden hat, haben wir uns in der aktuellen Studie auf einen der Produktionswege von cGMP konzentriert“, sagt der Forscher. Dazu nutzte das Forschungsteam Blutgefäßzellen aus Mäusen, in denen das cGMP-Molekül mit Hilfe eines neuartigen fluoreszierenden Biosensors unter dem Mikroskop als Leuchten detektiert werden kann. „So konnten wir die Signalmoleküle und die biochemischen Prozesse, in die sie eingebunden sind, in einzelnen Zellen sichtbar machen und in Echtzeit beobachten, sozusagen bei der Arbeit“, sagt Lehners. Solche Einzelzellanalysen könnten auch für andere Fragestellungen in der Gefäßbiologie weiterentwickelt werden.

    Status der Gefäßzellen entscheidend

    „Die Ausgangslage war verwirrend“, berichtet der Forscher. „Wenn man weiß, dass mehrere Stoff-wechselwege in den Gefäßzellen zur Produktion von cGMP führen können, stellt sich die Frage, ob diese unterschiedlichen Wege auch Unterschiedliches bewirken.“ Die Forscherinnen und Forscher stellten fest, dass es während der Entstehung von Atherosklerose in den Gefäßzellen zu Änderungen der biochemischen Signalwege kommt. „Während eine Zelle in die Plaque hineinwächst und versteift, wechselt der Produktionsweg des cGMP. Der von uns genauer betrachtete Weg springt an und arbeitet gegen die Verkalkung der Plaques“, sagt Lehners. „Dieser Mechanismus hat also eine gefäßschützende Funktion.“ Dieses Ergebnis wird dadurch untermauert, dass Mäuse, bei denen die-ser cGMP-Weg blockiert wurde, eine stärkere Gefäßverkalkung entwickelten.

    „Interessanterweise ist genau dieser Weg der Bildung von cGMP in der Biochemie und Medizin schon länger als Förderer des Knochenwachstums bekannt“, sagt Studienleiter Feil. Genetische Varianten der an dem Stoffwechselweg beteiligten Rezeptoren führten zu Anomalien beim menschlichen Skelett. „In der Tat wurde vor kurzem ein neues Medikament entwickelt, das Vosoritid, das auf den cGMP-Signalweg im Knochen wirkt und zur Behandlung der Kleinwüchsigkeit bei Kindern eingesetzt wird. Durch die Parallelen, die sich durch unsere Studie zwischen dem Knochenwachstum und der Bildung von Atherosklerose in Blutgefäßen ergeben haben, könnte nun geprüft werden, ob sich Wirkstoffe wie Vosoritid auch bei der Therapie der Atherosklerose einsetzen lassen.“


    Wissenschaftliche Ansprechpartner:

    Dr. Moritz Lehners
    Universität Tübingen
    Interfakultäres Institut für Biochemie
    Signaltransduktion – Transgene Modelle
    Telefon +49 7071 29-72458
    moritz.lehners[at]uni-tuebingen.de


    Originalpublikation:

    Moritz Lehners, Hannes Schmidt, Maria T K Zaldivia, Daniel Stehle, Michael Krämer, Andreas Peter, Julia Adler, Robert Lukowski, Susanne Feil, Robert Feil: Single-cell analysis identifies the CNP/GC-B/cGMP axis as marker and regulator of modulated VSMCs in atherosclerosis. Nature Communications, https://doi.org/10.1038/s41467-024-55687-9


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    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Journalisten, Wissenschaftler
    Biologie, Chemie, Medizin
    überregional
    Forschungsergebnisse, Wissenschaftliche Publikationen
    Deutsch


     

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