Schneckenbuntbarsche kümmern sich intensiv um ihren Nachwuchs, den sie in verlassenen Schneckenhäusern großziehen. Ein Team am MPI für biologische Intelligenz fand mit 3D-gedruckten Schneckenhäusern heraus, was im Inneren des Nests passiert. Die Jungtiere und die Mutter folgen jeweils eigenen, aber synchronisierten Zeitplänen: Sobald die Larven am neunten Tag ihre Lichtscheu ablegen, verlassen sie das Schneckenhaus. Mit einer strikten Brutpflege-Routine verhindert die Mutter ihrerseits, dass Jungtiere vor diesem Tag herausschwimmen. Die Studie identifiziert damit wichtige, angeborene Abläufe bei der Brutpflege und unterstreicht das komplexe Zusammenspiel unterschiedlicher Verhaltensweisen.
Der ideale Zeitpunkt das Elternhaus zu verlassen sollte gut überlegt sein: Zieht der Nachwuchs zu früh aus, kommt er eventuell nicht allein zurecht. Bleibt er hingegen Dauerbewohner im „Hotel Mama“, werden die Ressourcen der Eltern überbeansprucht. Vor allem im Tierreich kann dieser Balanceakt über das Schicksal von Eltern und Jungtieren entscheiden.
Brutpflege in verlassenen Schneckenhäusern
Doch wer oder was entscheidet darüber, wann die Zeit zum Auszug gekommen ist? Ein Team aus Herwig Baiers Forschungsabteilung am MPI für biologische Intelligenz hat dies nun an Buntbarschen untersucht. Diese Fische sind besonders interessant, denn im Gegensatz zu vielen anderen Fischarten sind sie sehr sozial und kümmern sich intensiv um ihren Nachwuchs.
Die untersuchte Fischart, Lamprologus ocellatus, zählt zu den Schneckenbuntbarschen, welche natürlicherweise nur im Tanganjika-See in Afrika vorkommen. Das Besondere: Sie bewohnen verlassene Schneckenhäuser und ziehen ihren Nachwuchs darin groß. Doch obwohl sich Schneckenbuntbarsche auch gut in Aquarien halten lassen war bisher unbekannt, was sich im Inneren des Nests abspielt.
Einblicke ins Innere des Schneckenhauses
Mit einer raffinierten Idee gelang es Ash Parker und dem Team Einblicke ins verborgene Innere des Buntbarschreichs zu erlangen: Sie druckten Schneckenhäuser mit einem 3D-Drucker. Mit ihrem ausgetüftelten Design bieten diese den Fischen das ideale Zuhause, sind aber an einer Seite offen. Platziert an der Aquariumsscheibe, konnten die Forscherinnen und Forscher so die Vorgänge im Inneren mit Video- und Fotoaufnahmen dokumentieren.
Die KI-unterstützte Auswertung des Bildmaterials brachte spannende Verhaltensweisen und einen genauen zeitlichen Ablauf ans Licht: Die Mutter legt die Eier in die obere Kammer des Schneckenhauses. Anschließend besamt der Vater das Gelege. Nach zwei bis drei Tagen schlüpfen die Larven, welche die Mutter mit dem Mund in die unterste Kammer des Schneckenhauses befördert. Nach sieben bis acht Tagen fressen die jungen Fische selbständig und beginnen mit ersten Schwimmversuchen.
Während der gesamten Zeit bewacht die Mutter das Schneckenhaus und kümmert sich um die Jungen. Zum Beispiel nimmt sie die Eier und Larven immer wieder in den Mund, um sie zu reinigen. Außerdem fächert sie ausgiebig mit ihren hinteren Flossen und sorgt so für einen ständigen Wasseraustausch im Schneckenhaus.
Verlassen des Elternhauses am neunten Tag
Während sich die Larven anfangs in der unteren Kammer des Schneckenhauses aufhalten, schwimmen sie ab dem neunten Tag tagsüber vermehrt in die oberen Kammern und sogar aus dem Schneckenhaus heraus. Die Forschenden stellten fest, dass die Larven zu diesem Zeitpunkt ihre Vorliebe für Licht ändern und plötzlich hellere Bereiche bevorzugen. Der Zeitpunkt, „Hotel Mama“ zu verlassen, scheint daher automatisch mit einer Änderung der Lichtpräferenz gesteuert zu werden.
Um diesen Zeitplan einhalten zu können, sind die Larven nur indirekt auf ihre Mutter angewiesen: Entfernte Ash Parker das Muttertier, sank durch das Ausbleiben des Flossen-Fächerns vermutlich die Wasserqualität und die Larven verließen bereits vor dem neunten Tag das Schneckenhaus.
Zwei unabhängige Zeitpläne von Mutter und Larven
Auch die Fischmutter hat eine genaue Vorstellung, wann der Zeitpunkt erreicht ist, den Nachwuchs ziehen zu lassen: Wurden ihre Jungtiere mit einem zwei Tage älteren Gelege getauscht, beförderte sie die vermeintlich zu früh herausschwimmenden Larven zurück in das Schneckenhaus– ohne den fortgeschrittenen Entwicklungsstand der Jungtiere zu beachten.
Die Beobachtungen zeigen, dass sich Mutter und Jungtiere nach voneinander unabhängigen, angeborenen Zeitplänen richten. Diese sind allerdings perfekt synchronisiert: Die Jungtiere und die Mutter scheinen sich einig zu sein, dass die Jungen am neunten Tag zum ersten Mal die elterliche Obhut verlassen können. Damit deckt die Studie wichtige Abläufe während der Brutpflege von Schneckenbuntbarschen auf und legt die Basis, um die Evolution und die neuronalen Grundlagen dieses komplexen Verhaltens weiter zu erforschen.
Prof. Dr. Herwig Baier
Direktor
Max-Planck-Institut für biologische Intelligenz
E-Mail: herwig.baier@bi.mpg.de
Intrinsic timing of brood care in shell-dwelling cichlids
Ash V. Parker, Manuel Stemmer, Swantje Grätsch, Alessandro Dorigo, Oriolson Rodriguez Ramirez, Abdelrahman Adel, Alex Jordan, Herwig Baier
Current Biology, online 15. Januar 2025
https://doi.org/10.1016/j.cub.2024.12.020
https://www.bi.mpg.de/baier/de - Webseite der Abteilung
https://www.bi.mpg.de/baier/cichlids - genauere Infos zum Forschungsprojekt
3D-gedruckte Schneckenhaus-Hälften ermöglichten es, in das Zuhause von Schneckenbuntbarschen zu blic ...
© MPI für biologische Intelligenz / Axel Griesch
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3D-gedruckte Schneckenhaus-Hälften ermöglichten es, in das Zuhause von Schneckenbuntbarschen zu blic ...
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