Naturstoff-Forschungsgruppe der JLU erhält rund 950.000 Euro für die Entwicklung von Molekülen zur Hemmung eines spezifischen Proteins gramnegativer Bakterien
Gramnegative Bakterien gehören weltweit zu den Hauptursachen für schwere bakterielle Infektionen. Für die Entwicklung eines neuartigen Antibiotikums gegen diese Bakterien auf Basis eines Naturprodukts erhält die Justus-Liebig-Universität Gießen (JLU) von der Initiative CARB-X rund 950.000 Euro (1 Million US-Dollar) in der ersten Förderrunde (Seed Funding). CARB-X (Combating Antibiotic-Resistant Bacteria Biopharmaceutical Accelerator) ist eine globale gemeinnützige Partnerschaft unter Federführung der Universität Boston (USA), die die Forschung und Entwicklung neuer Antibiotika im Frühstadium fördert und von einem Konsortium aus Regierungen und Stiftungen finanziert wird.
Die Naturstoff-Forschungsgruppe der JLU unter der Leitung von Prof. Dr. Till Schäberle nutzt neuartige biosynthetische und halbsynthetische Ansätze, um ein Peptid-Antibiotikum zu entwickeln, das das Protein BamA hemmen soll. Dieses Protein ist ein derzeit nicht adressiertes und vielversprechendes antibiotisches Ziel, das spezifisch für gramnegative Bakterien ist. Im Erfolgsfall könnte das Therapeutikum bei verschiedenen Krankheitsbildern wie komplizierten Harnwegsinfektionen und Lungeninfektionen eingesetzt werden – auch bei solchen, die bei Mukoviszidose-Patientinnen und -Patienten auftreten.
„Wir freuen uns, über CARB-X die Arbeit der Justus-Liebig-Universität Gießen bei der Optimierung eines Naturstoff-Antibiotikums zu unterstützen, das das BamA-Protein hemmt“, sagt Erin Duffy, PhD, F&E-Chefin von CARB-X. „Da BamA an essenziellen Prozessen für das Überleben einer Vielzahl von gramnegativen Krankheitserregern beteiligt ist, könnte ein optimiertes Peptid-Antibiotikum, das auf dieses Protein abzielt, ein breites Wirkungsspektrum aufweisen und das Potenzial haben, keine Kreuzresistenz gegenüber aktuellen Therapien zu entwickeln.“
Gramnegative Bakterien entwickeln aufgrund ihrer einzigartigen Zellwandstruktur häufig eine Resistenz gegen mehrere Klassen von Antibiotika. Ihre äußere Membran wirkt wie eine Barriere und schränkt die Wirksamkeit vieler herkömmlicher Antibiotika ein. Dies macht sie im Vergleich zu grampositiven Bakterien resistenter gegen viele Antibiotika.
„Wir sind sehr stolz darauf, Teil von CARB-X zu werden und damit unserem großen Ziel näherzukommen, unsere neuartigen antibiotischen Moleküle zu den Patientinnen und Patienten zu bringen“, so Prof. Dr. Till F. Schäberle, Professor für Naturstoffforschung an der JLU. „Unsere Vision ist es, Stoffe für die menschliche Gesundheit zu nutzen, die die Natur entwickelt hat.“
„Multiresistente Bakterien sind eine Bedrohung für die globale Gesundheit“, so JLU-Präsidentin Prof. Dr. Katharina Lorenz. „Ich freue mich sehr darüber, dass Forscherinnen und Forscher der JLU mit innovativen Ansätzen an der dringend notwendigen Entwicklung neuer Antibiotika mitwirken.“
Im März 2024 hatte CARB-X eine neue, hochkompetetive Finanzierungsrunde gestartet, um in der globalen Antibiotika-Entwicklungspipeline bei Forschung und Entwicklung wichtige Lücken zu schließen. Mehr als 300 Interessenbekundungen wurden zu vier verschiedenen Produktthemen angenommen: Therapeutika für Infektionen, die durch gramnegative Erreger verursacht werden; Prävention invasiver Krankheiten; Diagnostik für neonatale Sepsis und Machbarkeitsstudien für neuartige Probentypen zur Diagnose von Infektionen der unteren Atemwege. Weitere Projekte werden derzeit geprüft und neue Förderungen im Laufe dieses Jahres bekanntgegeben.
Nach Schätzungen, die im September 2024 veröffentlicht wurden, wird es zwischen 2025 und 2050 zu 39 Millionen Todesfällen kommen, die direkt auf die bakterielle Antibiotikaresistenz zurückzuführen sind. Dies entspricht drei Todesfällen pro Minute. In einem alternativen Szenario, in dem verstärkt Maßnahmen ergriffen werden, um Medikamente gegen gramnegative Bakterien zu entwickeln, könnten demnach im gleichen Zeitraum mehr als 11 Millionen Todesfälle durch Antibiotikaresistenzen verhindert werden. Genau dies ist die Aufgabe von CARB-X: Das Konsortium hat das Ziel, die Entwicklung hochwertiger, innovativer Produkte zur Prävention, Diagnose und Behandlung der gefährlichsten bakteriellen Infektionen durch Antibiotikum-resistente Bakterien zu beschleunigen. Der Schwerpunkt von CARB-X liegt auf Infektionen, die weltweit die höchste Morbidität und Mortalität verursachen.
Als CARB-X im Jahr 2016 gegründet wurde, war die Pipeline für die Entwicklung neuer Antibiotika im Frühstadium ins Stocken geraten. Seit seiner Gründung hat CARB-X 104 Projekte zu Forschung und Entwicklung (F&E) in 13 Ländern unterstützt und dabei erheblichen Fortschritt erzielt: 18 Projekte sind bereits in die klinische Erprobung eingetreten oder haben diese abgeschlossen. Zwölf Projekte befinden sich in der klinischen Entwicklung, einschließlich klinischer Studien im Spätstadium, und zwei diagnostische Produkte haben den Markt erreicht. Darüber hinaus haben mindestens neun Produktentwicklerinnen und Produktentwickler bereits Entwicklungspartnerschaften geschlossen, mit denen die klinische Entwicklung nach Verlassen des CARB-X-Portfolios unterstützt wird. Alle CARB-X-geförderten Produktentwicklerinnen und -entwickler sind vertraglich verpflichtet, einen Bewirtschaftungs- und Zugangsplan für ihr Produkt zu entwickeln, in dem Strategien zur Gewährleistung eines verantwortungsvollen Handelns und eines angemessenen Zugangs in Ländern mit niedrigem und mittlerem Einkommen dargelegt werden.
CARB-X – eine globale gemeinnützige Partnerschaft
CARB-X (Combating Antibiotic-Resistant Bacteria Biopharmaceutical Accelerator) ist eine globale gemeinnützige Partnerschaft, die sich der Unterstützung der antibakteriellen Forschung und Entwicklung im Frühstadium verschrieben hat, um der zunehmenden Bedrohung durch arzneimittelresistente Bakterien zu begegnen. Sie fördert die Entwicklung innovativer Therapeutika, Präventivmittel und Schnelldiagnosen. CARB-X wird von der Universität Boston (USA) geleitet und von einem Konsortium aus Regierungen und Stiftungen finanziert. CARB-X finanziert nur Projekte, die auf arzneimittelresistente Bakterien abzielen, die auf der Liste des U.S. Centers for Disease Control and Prevention (CDC) der antibiotikaresistenten Bedrohungen oder auf der von der WHO veröffentlichten Liste der prioritären bakteriellen Krankheitserreger aufgeführt sind. Dabei liegt der Schwerpunkt auf jenen Erregern, die auf der CDC-Liste als schwerwiegend oder dringend bzw. auf der WHO-Liste als kritische oder hohe Priorität eingestuft werden.
Förderhinweis
CARB-X wird teilweise finanziert mit Mitteln des U.S. Department of Health and Human Services (HHS; Administration for Strategic Preparedness and Response; Biomedical Advanced Research and Development Authority (BARDA) unter der Vereinbarungsnummer 75A50122C00028 und durch Zuwendungen von Wellcome (WT224842), dem Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF), dem Global Antimicrobial Resistance Innovation Fund (GAMRIF), der Public Health Agency of Canada (PHAC), der Bill & Melinda Gates Foundation und der Novo Nordisk Foundation. Das U.S. National Institute of Allergy and Infectious Diseases (NIAID), Teil der National Institutes of Health (NIH) im HHS, bietet Unterstützung in Form von Sachleistungen durch Zugang zu einer Reihe von präklinischen Dienstleistungen für die Produktentwicklung.
Prof. Dr. Till Schäberle
Institut für Insektenbiotechnologie der Justus-Liebig-Universität Gießen
AG Naturstoffforschung
Telefon: 0641 97219-140
E-Mail: Till.F.Schaeberle@agrar.uni-giessen.de
Marissa Novel (CARB-X)
Universität Boston, USA
E-Mail: carbxpr@bu.edu
https://carb-x.org/
https://carb-x.org/sign-up/ (Anmeldung zum CARB-X-Newsletter)
Merkmale dieser Pressemitteilung:
Journalisten, Wissenschaftler
Biologie, Medizin
überregional
Forschungsprojekte, Kooperationen
Deutsch
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