idw – Informationsdienst Wissenschaft

Nachrichten, Termine, Experten

Grafik: idw-Logo
Science Video Project
idw-Abo

idw-News App:

AppStore

Google Play Store



Instanz:
Teilen: 
21.01.2025 11:46

Das religiöse Leben Geflüchteter in Deutschland – offline und online

Jochen Hövekenmeier Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
Bundesamt für Migration und Flüchtlinge

    Die Kurzanalyse des BAMF-Forschungszentrums (BAMF-FZ) „Religionszugehörigkeit und religiöse Alltagspraxis bei Geflüchteten“ untersucht erstmals die Nutzung digitaler religiöser Inhalte, wie Angebote in sozialen Netzwerken oder Online-Predigten. Außerdem wirft sie einen differenzierten Blick auf die Struktur religiöser Zugehörigkeiten in der Gruppe der Geflüchteten, darauf wie religiös sie sind und inwieweit sie ihren Glauben praktizieren. Die Analysen basieren auf Angaben Geflüchteter, die zwischen 2013 und 2019 eingereist sind, im Jahr 2021.

    Mehrheit der Geflüchteten ist muslimisch und viele sind religiös

    Die Ergebnisse zeigen: 69,7 Prozent der Geflüchteten gehören dem Islam an, wobei die überwiegende Mehrheit sunnitisch (81,1 Prozent) ist. 16 Prozent der Geflüchteten sind Christinnen und Christen und gehören mehrheitlich orthodoxen Kirchen an (45,4 Prozent), gefolgt von evangelischen (27,5 Prozent) und der katholischen Kirche (16,8 Prozent). Die deutliche Mehrheit aller Geflüchteten (88,5 Prozent) beschreibt sich als eher oder stark gläubig. Zudem äußern viele, die einer Religion angehören, dass ihr Glaube eine große Bedeutung für ihr Wohlbefinden und ihre Zufriedenheit hat.

    Glaube gewinnt durch COVID-19-Pandemie an Wichtigkeit

    Für viele Geflüchtete hat ihr Glaube zwischen 2019 und 2021 an Wichtigkeit gewonnen, vermutlich als Folge der COVID-19-Pandemie. „Der Glaube kann für Personen in Krisenzeiten eine wichtige Bewältigungsstrategie darstellen, in diesem Fall etwa um mit den pandemiebedingten Unsicherheiten und Einschränkungen besser umgehen zu können“, erläutert Dr. Amrei Maddox, wissenschaftliche Mitarbeiterin im BAMF-FZ. Hingegen lassen sich in der eher abnehmenden Besuchshäufigkeit religiöser Veranstaltungen in diesem Zeitraum die Ausgangs- und Versammlungsbeschränkungen aufgrund der COVID-19-Pandemie erkennen. Für Religionsgemeinschaften galten während der Pandemie ähnliche Beschränkungen wie für andere öffentliche Veranstaltungen, z. B. begrenzte Teilnehmendenzahlen, das Einhalten von Abstands- und Hygieneregeln oder gänzliche Versammlungsverbote.

    Digitale Medien spielen immer größere Rolle im religiösen Leben

    Ähnlich wie in den meisten anderen Bereichen spielt auch in Bezug auf das religiöse Leben der digitale Raum eine zunehmend wichtige Rolle, verstärkt durch die Einschränkungen des gemeinschaftlichen religiösen Lebens im Zuge der COVID-19-Pandemie. Rund jede fünfte Person nimmt digitale religiöse Inhalte mindestens monatlich in Anspruch. Hierzu zählen etwa Online-Übertragungen von Gottesdiensten, virtueller Religionsunterricht und andere Online-Kurse, Sprechzeiten sowie Seelsorge oder Beratung per Video oder Live-Chat. Neben religiösen Institutionen und Gemeinden sind auch muslimische oder christliche Influencerinnen und Influencer oder Geistliche im Internet vertreten, etwa in den sozialen Medien und auf Plattformen wie YouTube.

    Entsprechend gestalten sich auch die Nutzungsformen sehr heterogen. Am häufigsten informieren sich Geflüchtete über Aktuelles aus ihrer Gemeinde, suchen gezielt religiöse Informationen oder verfolgen Predigten und Gottesdienste online. Die digitalen Inhalte dienen dabei vorwiegend als Ergänzung und weniger als Ersatz für fehlende Angebote.

    Muslimische Geflüchtete nehmen seltener an religiösen Veranstaltungen teil als christliche

    Die hohe Religiosität der Geflüchteten spiegelt sich auch vielfach in ihrer religiösen Alltagspraxis wider. Im Vergleich zu christlichen nehmen muslimische Geflüchtete jedoch deutlich seltener an religiösen Veranstaltungen teil. „Die Gründe hierfür können vielfältig sein. Der Moscheebesuch ist etwa nur für Männer religiöse Pflicht. Bestehende Angebote können für Geflüchtete aber auch unpassend sein, etwa aufgrund des historisch gewachsenen Herkunftslandbezugs vieler islamischer Gemeinden, ihrer Lage oder der dort gesprochenen Sprache. Das zeigt sich auch in unseren Analysen“, so die Studienautorin Dr. Amrei Maddox. Neben einem solchen Mangel an geeigneten Angeboten bzw. der fehlenden Kenntnis solcher nennen muslimische Geflüchtete auch häufiger als christliche Terminkonflikte als Hinderungsgrund.

    Die vorliegenden Daten zeigen auch, dass es bei den Motiven für eine Veranstaltungsteilnahme Unterschiede zwischen den verschiedenen Religionsgemeinschaften gibt: Musliminnen und Muslime, die religiöse Veranstaltungen besuchen, gaben besonders häufig die religiöse Pflicht als Grund dafür an. Während dies auch für Angehörige anderer Religionen als dem Islam oder Christentum oft wichtig ist, spielen gerade für christliche Geflüchtete der Wunsch, mehr über den eigenen Glauben lernen zu wollen, und der Gewinn an Kraft und Zuversicht durch die Teilnahme eine dominante Rolle. Für Angehörige anderer Religionen steht die Tradition im Vordergrund.

    Datenbasis:

    Die vorliegenden Analysen basieren auf Daten der IAB-BAMF-SOEP-Befragung von Geflüchteten. Für diesen bundesweiten Survey werden seit 2016 jährlich Personen interviewt, die nach Deutschland gekommen sind und hier einen Asylantrag gestellt haben, unabhängig von Verlauf und Ausgang des Asylverfahrens. Die Stichproben wurden auf Basis des Ausländerzentralregisters (AZR) gezogen und umfassen Personen, die zwischen dem 01. Januar 2013 und dem 31. Dezember 2019 eingereist sind. Durch die Verwendung statistischer Gewichtungsverfahren sind die Ergebnisse repräsentativ für die Haushalte dieser Bevölkerungsgruppe.

    Für die Studie wurden in Wesentlichen die Daten aus dem Jahr 2021 herangezogen. Für die Analysen zu Veränderungen über die Zeit konnte auch auf die Befragungen 2017 und 2019 zurückgegriffen werden, sofern Geflüchtete mindestens zu zwei Zeitpunkten gültige Angaben gemacht haben.

    Weiterführende Informationen zur IAB-BAMF-SOEP-Befragung von Geflüchteten: https://www.bamf.de/SharedDocs/ProjekteReportagen/DE/Forschung/Integration/iab-b...

    Weitere Informationen zur BAMF-Kurzanalyse:

    Die BAMF-Kurzanalyse „Religionszugehörigkeit und religiöse Alltagspraxis bei Geflüchteten“ finden Sie hier:
    https://www.bamf.de/SharedDocs/Anlagen/DE/Forschung/Kurzanalysen/kurzanalyse1-20...

    Die BAMF-Kurzanalyse ist im Projekt „Analysen zu Religion im Migrationskontext“ (AReMi) entstanden: https://www.bamf.de/SharedDocs/ProjekteReportagen/DE/Forschung/Integration/relig...

    Ansprechpartner für Medienanfragen:
    Jochen Hövekenmeier
    Pressestelle Bundesamt für Migration und Flüchtlinge
    Telefon: +49 911 943 17799
    E-Mail: pressestelle@bamf.bund.de

    Über das BAMF-Forschungszentrum:
    Mit der Arbeit des 2005 gegründeten Forschungszentrums kommt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) seiner gesetzlichen Aufgabe nach, wissenschaftliche Forschung zu Migrations- und Integrationsthemen zu betreiben. Das Forschungszentrum betrachtet das Migrationsgeschehen nach und von Deutschland und analysiert die Auswirkungen der Zuwanderung. Es begleitet Integrationsprozesse und trägt mit seinen Erkenntnissen entscheidend zur Weiterentwicklung von Integrationsmaßnahmen auf Bundesebene bei. Weitere Forschungsschwerpunkte sind u. a. Erwerbs- und Bildungsmigration, Fluchtmigration, Rückkehr und sicherheitsrelevante Aspekte der Zuwanderung. Damit leistet das BAMF-Forschungszentrum einen grundlegenden Beitrag zum Informationstransfer zwischen Wissenschaft, Verwaltung, Politik, Wirtschaft und Öffentlichkeit.

    Weitere Informationen unter: https://www.bamf.de/DE/Themen/Forschung/forschung-node.html


    Wissenschaftliche Ansprechpartner:

    Dr. Amrei Maddox, Forschungszentrum des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge
    Kontakt: https://www.bamf.de/SharedDocs/Struktur/Personen/DE/WissenschaftlicheMA/maddox-a...


    Originalpublikation:

    Maddox, A. (2025). Religionszugehörigkeit und religiöse Alltagspraxis bei Geflüchteten (Kurzanalyse 01|2025). Nürnberg. Bundesamt für Migration und Flüchtlinge. https://doi.org/10.48570/bamf.fz.ka.01/2025.d.2025.religion.1.0


    Bilder

    BAMF-Kurzanalyse 1|2025 „Religionszugehörigkeit und religiöse Alltagspraxis bei Geflüchteten“
    BAMF-Kurzanalyse 1|2025 „Religionszugehörigkeit und religiöse Alltagspraxis bei Geflüchteten“

    BAMF


    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Journalisten, Wissenschaftler, jedermann
    Gesellschaft
    überregional
    Forschungsergebnisse
    Deutsch


     

    BAMF-Kurzanalyse 1|2025 „Religionszugehörigkeit und religiöse Alltagspraxis bei Geflüchteten“


    Zum Download

    x

    Hilfe

    Die Suche / Erweiterte Suche im idw-Archiv
    Verknüpfungen

    Sie können Suchbegriffe mit und, oder und / oder nicht verknüpfen, z. B. Philo nicht logie.

    Klammern

    Verknüpfungen können Sie mit Klammern voneinander trennen, z. B. (Philo nicht logie) oder (Psycho und logie).

    Wortgruppen

    Zusammenhängende Worte werden als Wortgruppe gesucht, wenn Sie sie in Anführungsstriche setzen, z. B. „Bundesrepublik Deutschland“.

    Auswahlkriterien

    Die Erweiterte Suche können Sie auch nutzen, ohne Suchbegriffe einzugeben. Sie orientiert sich dann an den Kriterien, die Sie ausgewählt haben (z. B. nach dem Land oder dem Sachgebiet).

    Haben Sie in einer Kategorie kein Kriterium ausgewählt, wird die gesamte Kategorie durchsucht (z.B. alle Sachgebiete oder alle Länder).