Forschende der JGU konnten den Einfluss chiraler Moleküle auf den Spin – den „Chiral-induced Spin Selectivity Effect“ – mit spintronischen Untersuchungsmethoden untermauern
Elektronen? Kennt man vom elektrischen Strom, schließlich ist die negative Ladung ihre bekannteste Eigenschaft. Doch haben sie weitere intrinsische Eigenschaften, die unter anderem Vorteile im Bereich der Speichertechnologien haben: den Spin, quasi das magnetische Moment der Elektronen. Doch ist es bislang recht schwierig, die Spins zu selektieren – also etwa nur Elektronen mit einem Spin zu haben, der beispielsweise nach oben zeigt. Eine Möglichkeit: Man schickt einen Strom durch einen Ferromagneten wie Eisen, je nach Magnetisierungsrichtung erhält man einen spinpolarisierten Strom.
Eine Alternative ist in den letzten zehn Jahren aufgekommen. Man schickt dabei den Strom durch chirale Moleküle – also durch Moleküle, die sich nicht mit ihrem Spiegelbild in Deckung bringen lassen, etwa Helix-Strukturen. Auf diese Weise erhält man ebenfalls eine Spinpolarisierung von etwa 60 bis 70 Prozent, was ähnlich hoch ist wie bei einem ferromagnetischen Material. Doch bisher ist dieser Ansatz nach wie vor Gegenstand von Diskussionen.
System aus Goldschicht und chiralen Molekülen
Forschende der Johannes Gutenberg-Universität Mainz (JGU) konnten die Existenz des „Chiral-induced Spin Selectivity Effect“ nun untermauern. „Wir haben den Effekt der chiralen Moleküle mit Methoden der Spintronik untersucht“, erläutert Prof. Dr. Angela Wittmann vom Institut für Physik der JGU. „Dabei leiten wir den Ladungsstrom nicht durch das chirale Molekül selbst hindurch, sondern verwenden eine Goldschicht, auf der sich chirale Moleküle befinden, und hybridisieren das gesamte System. Zwar fließt der größte Teil des Stroms durch die Goldschicht, dennoch verändern die chiralen Moleküle den Zustand des Goldes.“
Dabei untersuchten die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler die Umwandlung des Spinstroms in Ladungsstrom. In einer reinen Goldschicht werden etwa drei Prozent des Spinstroms in Ladungsstrom umgewandelt – unabhängig davon, ob der Spin der Elektronen nach oben oder nach unten zeigt. Anders dagegen im System Goldschicht-Chirale Moleküle: Sind die Moleküle auf der Goldoberfläche rechtsdrehend, werden Ströme mit Spin-Up sehr viel effizienter in Ladungsströme umgewandelt als solche, deren Spin nach unten zeigt. Sitzen hingegen linksdrehende Moleküle auf der Goldschicht, ist es genau andersherum. In welchem Ausmaß die Spinströme in Ladungsströme umgewandelt werden, hängt also davon ab, welche Chiralität die Moleküle an der Goldoberfläche haben. „Zudem ist der Effekt vektoriell. Das heißt: Zeigt die Helix des chiralen Moleküls nach oben, dann tritt dieser Effekt nur auf, wenn die Spins ungefähr in die gleiche oder genau entgegengesetzte Richtung zeigen“, beschreibt Wittmann. Sind die Spins in Bezug auf die Helix gedreht, verschwindet der Effekt. Die Richtung der Spins und die Helix-Achse müssen also übereinstimmen oder genau entgegengesetzt sein.
„Mit diesem Nachweis leisten wir einen weiteren Beitrag zur Akzeptanz des Spin-Selectivity-Effekts, also des Einflusses chiraler Moleküle auf die Spins“, resümiert Wittmann.
Bildmaterial:
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Helix als Spin-Filter
Abb./©: Angela Wittmann
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Ashish Moharana, Doktorand in der Arbeitsgruppe von Angela Wittmann, vor dem Versuchsaufbau
Foto/©: Shaktiranjan Mohanty
Weiterführende Links:
https://www.komet.physik.uni-mainz.de/ - Physik der Kondensierten Materie (KOMET)
https://www.iph.uni-mainz.de/ - Institut für Physik
Lesen Sie mehr:
https://presse.uni-mainz.de/schneller-kleiner-effizienter-datenspeicher-auf-der-... - Pressemitteilung „Schneller, kleiner, effizienter: Datenspeicher auf der Basis von Chiralität“ (26.10.2022)
Juniorprof. Dr. Angela Wittmann
Physik der Kondensierten Materie (KOMET)
Institut für Physik
Johannes Gutenberg-Universität Mainz
55099 Mainz
Tel. +49 6131 39-24895
E-Mail: a.wittmann@uni-mainz.de
https://wittmann-lab.uni-mainz.de/
Ashish Moharana et al.
Chiral-induced unidirectional spin-to-charge conversion
Science Advances, 1. Januar 2025
DOI: 10.1126/sciadv.ado4285
https://www.science.org/doi/10.1126/sciadv.ado4285
Helix als Spin-Filter
Abb./©: Angela Wittmann
Merkmale dieser Pressemitteilung:
Journalisten, Wissenschaftler, jedermann
Elektrotechnik, Informationstechnik, Physik / Astronomie
überregional
Forschungsergebnisse, Wissenschaftliche Publikationen
Deutsch
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