Um die Effektivität öffentlicher Videokampagnen gegen riskanten Alkoholkonsum zu bewerten, untersuchten Psycholog*innen des Konstanzer Exzellenzclusters „Kollektives Verhalten“ die Synchronisierung der Hirnaktivitäten von Zuschauergruppen mittels EEG-Messungen. In einer aktuellen Studie zeigen sie neue Wege auf, die Methode aus dem Labor in die reale Anwendung im öffentlichen Gesundheitsbereich zu bringen.
Breit gestreute Gesundheitskampagnen, beispielsweise gegen Drogenmissbrauch oder zum Infektionsschutz während der Corona-Pandemie, sind ein wichtiges Instrument der Öffentlichen Gesundheitspflege (Public Health) und damit zum Schutz der Bevölkerung. Erst im Oktober 2024 startete beispielsweise die Weltgesundheitsorganisation (WHO) unter dem Motto „Neudefinition von Alkohol“ eine europaweite Kampagne zur Aufklärung der europäischen Bürger*innen über die gesundheitlichen Auswirkungen von Alkoholkonsum. Laut WHO ist Alkohol aktuell für ein Elftel aller Todesfälle in der Europäischen Region direkt verantwortlich.
Doch nicht alle Gesundheitskampagnen zeigen die gewünschte Wirkung. Es wäre daher erstrebenswert, schon bei der Kampagnenentwicklung ein objektives Maß für die Effizienz gesundheitsrelevanter Botschaften zu haben. Psycholog*innen des Konstanzer Exzellenzclusters „Kollektives Verhalten“ um Harald Schupp und Britta Renner messen hierfür in ihren Studien die Hirnaktivität von Zuschauer*innen, denen reale Präventionsvideos gegen riskanten Alkoholkonsum vorgespielt werden.
Bereits in der Vergangenheit konnten sie in Laborexperimenten mittels aufwändiger bildgebender Verfahren – wie funktioneller Magnetresonanztomographie (fMRT) oder Elektroenzephalografie (EEG) – zeigen: Bei besonders wirksamen Botschaften kommt es zu einer starken Synchronisation der Hirnaktivität der Zuschauer*innen. Die Aktivität verändert sich also beim Schauen des Videos bei allen Proband*innen auf ähnliche Weise, insbesondere in den Hirnregionen, die mit Prozessen höherer Ordnung wie Aufmerksamkeit, Emotionen und persönlicher Relevanz verbunden sind.
Vom Labor in die reale Anwendung
In einer aktuellen Studie nutzten die Konstanzer Forschenden nun erstmals einfachere, tragbare EEGs, welche die Messungen kabellos übertragen. Sie beobachteten die Hirnströme der Zuschauer*innen damit in einem normalen Seminarraum – also außerhalb eines aufwändig abgeschirmten Labors – und bei einer ganzen Gruppe von Zuschauer*innen gleichzeitig. Sie konnten zeigen, dass die Synchronisierung der Hirnströme bei besonders effektiven Videobotschaften gegen riskanten Alkoholkonsum auch unter diesen „Realbedingungen“ und mit dem vereinfachten, kostengünstigeren technischen Aufwand messbar ist.
„Das ist ein wichtiger Schritt, um die Methode näher an die praktische Anwendung im öffentlichen Gesundheitsbereich zu bringen. EEG-Studien in kleinen ‚neuronalen‘ Fokusgruppen könnten in Zukunft außerhalb von Universitätslaboren bei der evidenzbasierten Entwicklung und Auswahl von Kampagnenmaterial helfen, um eine bessere Wirkung von Gesundheitskampagnen zu gewährleisten“, sagt Schupp.
Lesen Sie mehr zu der Synchronisation von Gehirnströmen beim Menschen und über den Vorteil, den neuronale Maße – wie die Hirnsynchronisation im EEG oder fMRT – in der Psychologie gegenüber klassischen Selbstberichten bieten, in unserer Reihe Science Backstage: https://www.campus.uni-konstanz.de/science-backstage/ueber-gehirnaktivitaet-den-...
Faktenübersicht:
• Originalpublikation: M.A. Imhof, K.-P. Flösch, R. Schmälzle, B. Renner & H.T. Schupp (2024) Portable EEG in groups shows increased brain coupling to strong health messages. Social Cognitive and Affective Neuroscience; doi: 10.1093/scan/nsae087
• Forschende des Konstanzer Exzellenzclusters „Kollektives Verhalten“ untersuchen die Effektivität von Präventionsvideos gegen riskanten Alkoholkonsum mittels synchroner EEG-Messungen in Kleingruppen
• Effektive Präventionsvideos führen dazu, dass sich die Gehirnaktivität der Zuschauergruppe stärker synchronisiert als bei ineffektiven Videos
• Prof. Dr. Harald Schupp ist Professor für Allgemeine und Biologische Psychologie an der Universität Konstanz. Im Rahmen des Exzellenzclusters „Kollektives Verhalten“ ist er Projektleiter in den Bereichen Gehirnsynchronisation und Entscheidungsfindung sowie Ernährung und gemeinsames Essen.
• Prof. Dr. Britta Renner ist Professorin für Psychologische Diagnostik und Gesundheitspsychologie an der Universität Konstanz. Im Rahmen des Exzellenzclusters „Kollektives Verhalten“, dessen Ko-Sprecherin sie ist, leitet Renner das Forschungsprojekt „Collective Appetite“.
• Förderung: Deutsche Forschungsgemeinschaft (EXC2117-422037984 und FOR 2374) und Messmer Stiftung
Hinweis an die Redaktionen:
Ein Themenbild kann im Folgenden heruntergeladen werden:
Link: https://www.uni-konstanz.de/fileadmin/pi/fileserver/2025_extra/hirnstroeme_zeige...
Bildunterschrift: Kabellose EEG-Hauben, wie sie in der aktuellen Studie verwendet wurden, werden am Fachbereich Psychologie der Universität Konstanz auch in der Lehre genutzt. Hier probiert eine Studentin ein klassisches EEG-Experiment (Oddball) aus.
Copyright: Karl-Philipp Maria Flösch
Merkmale dieser Pressemitteilung:
Journalisten, Wissenschaftler
Biologie, Psychologie
überregional
Forschungsergebnisse
Deutsch
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