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17.02.2025 09:07

„Unsicherheit als Innovationsmotor verstehen“

Jörg Heeren Medien und News
Universität Bielefeld

    Center for Uncertainty Studies (CeUS) etabliert neuen Forschungsansatz

    Die Invasion Russlands in der Ukraine, Debatten um Migration und die Folgen der Pandemie zeigen, wie schnell sich vermeintliche Sicherheiten auflösen können. Diese Orientierungslosigkeit nutzen rechtspopulistische Parteien geschickt aus. Wie wir mit solchen allgegenwärtigen Unsicherheiten umgehen und sie navigieren, erforscht das Center for Uncertainty Studies (CeUS) an der Universität Bielefeld. Seit seiner Gründung im Dezember 2022 baut es ein neues Fachgebiet auf: die inter- und transdisziplinäre Unsicherheitsforschung. Nun ziehen die drei Gründungsdirektor*innen eine erste Bilanz der bisherigen Arbeit des CeUS.

    „Unsicherheit wird oft sehr negativ gesehen. Es geht oft darum, Unsicherheit zu vermeiden, zu reduzieren, mindestens zu kontrollieren oder gar aus der Welt zu schaffen“, sagt die Historikerin Professorin Dr. Silke Schwandt, eine der drei CeUS-Gründungsdirektor*innen. Das Zentrum verfolgt einen neuen Ansatz: „Wir argumentieren, dass Unsicherheit positiv auf die Gesellschaft wirken kann. Wir möchten verstehen, wie gesellschaftliche Akteur*innen durch Unsicherheit navigieren – vergleichbar mit Entdecker*innen auf unbekanntem Terrain – und durch ihr Entscheidungsverhalten konstruktive Veränderungen in der Gesellschaft anstoßen können.“

    Wirtschaftliche Innovation durch Unsicherheit beschleunigt

    Wirtschaftswissenschaftler Professor Dr. Herbert Dawid, ebenfalls Gründungsdirektor, betont die wirtschaftlichen Aspekte: „In unseren Studien haben wir festgestellt, dass Unsicherheit tatsächlich Innovation und technischen Fortschritt beschleunigen kann. Ein Beispiel dafür ist die Energiewende, wo die Unsicherheit darüber, welche Technologie sich in Zukunft durchsetzen wird Forschungsanstrengungen und technologischen Fortschritt in verschiedenen Bereichen motiviert“, so Dawid.

    Wie Verunsicherung zur Lösungsfindung anregt

    Der Sozialforscher Professor Dr. Andreas Zick stellt fest, dass Studien eine zunehmende Verunsicherung in der Gesellschaft zeigen. Zick ist der dritte CeUS-Gründungsdirektor. „Die meisten Erhebungen bleiben die Antwort schuldig, wie Menschen auf die wahrgenommene Unsicherheit reagieren“, so Zick. „Wir untersuchen, welche Strategien sie in unsicheren Situationen anwenden und wie sie Entscheidungen treffen. Indem wir Unsicherheit als Innovationsmotor verstehen, können wir erklären, wie Ungewissheit Menschen dazu motiviert, eigenständig kompetente Lösungen zu suchen.“

    Interdisziplinäre Konferenz

    Um die Unsicherheitsforschung voranzutreiben, setzt das CeUS seit seiner Gründung darauf, Forschende fächerübergreifend zu vernetzen. „Keine einzelne Disziplin kann die Probleme und Herausforderungen der Unsicherheit lösen“, sagt Silke Schwandt. Etwa 30 Forschende aus Disziplinen wie Soziologie, Geschichtswissenschaft und Wirtschaftswissenschaften diskutierten Mitte 2023 im Zentrum für interdisziplinäre Forschung (ZiF) der Universität über das neue Forschungsfeld. Dort veranstaltete das CeUS die Konferenz „Navigating Uncertainty: Preparing Society for the Future” (Die Ungewissheit navigieren: Die Gesellschaft auf die Zukunft vorbereitet). In den beiden Keynotes thematisierten Professorin Dr. Miriam Posner und Professor Dr. Carlo Jaeger die Rolle von Daten in den Geisteswissenschaften und Unsicherheiten im Anthropozän.

    Überdies hat das CeUS eigene Veranstaltungsformate entwickelt, um Forschende in den Austausch zu bringen – die Uncertainty Lunches und den Research Afternoon. „In der Anfangsphase haben wir die Grundlagen für die interdisziplinäre Unsicherheitsforschung geschaffen“, bilanziert Silke Schwandt. „Die Resonanz aus der wissenschaftlichen Community zeigt uns, dass wir auf dem richtigen Weg sind.“ Nicht nur an Forschende, sondern auch an die Öffentlichkeit wendet sich die Reihe der Uncertainty-Talks. Die Themen der bisher neun öffentlichen Vorträge reichen von der sprachlichen Analyse von Unsicherheit bis hin zu psychologischen Theorien über Entscheidungsfindung unter unsicheren Bedingungen.

    CeUS vernetzt zwischen Forschungsverbünden

    „Unser Ansatz, Unsicherheit als produktiv zu begreifen und systematisch zu untersuchen, welche Auswirkungen unterschiedliche Arten des Umgangs mit Unsicherheit haben, hat in kurzer Zeit viele Forschende angezogen und inspiriert“, berichtet Co-Gründungsdirektor Herbert Dawid. Mehr als 50 Wissenschaftler*innen und ein Dutzend Forschungsprojekte sind inzwischen mit dem CeUS verbunden. Die neue internationale Max-Planck-Forschungsschule, IMPRS-ModA, beispielsweise analysiert Unsicherheiten im Kontext globaler Veränderungen. Die Wissenschaftler*innen erforschen das vom Menschen geprägte Erdzeitalter und analysieren, wie Mensch und Umwelt komplex und oft unvorhersehbar interagieren. Mit dem CeUS assoziiert ist auch der mathematisch ausgerichtete Sonderforschungsbereich 1283 „Unsicherheit beherrschen und Zufall sowie Unordnung nutzen in Analysis, Stochastik und deren Anwendungen“. Und im Transregio-Sonderforschungsbereich 318 „Erklärbarkeit konstruieren“ arbeiten Wissenschaftler*innen daran, die oft undurchsichtige Funktionsweise von KI-Systemen transparenter zu gestalten.

    Weitere Beispiele für mit dem CeUS verbundene Projekte:

    - PREDICT: Erfasst Auswirkungen von Algorithmen auf gesellschaftliche Unsicherheiten, gefördert vom Europäischen Forschungsrat (ERC).
    - WaterFutures: Untersucht zukünftige städtische Wasserversorgung unter Berücksichtigung von Unsicherheiten wie dem Klimawandel, gefördert vom ERC.
    - Graduiertenkolleg CUDE (RTG 2865): Analysiert die Bewältigung von Ungewissheit in dynamischen Wirtschaftssystemen, gefördert von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG).
    - Forschungsnetzwerk EPOC: Erforscht unsichere wirtschaftspolitische Entscheidungen, EU-gefördert als Marie Skłodowska-Curie Innovative Training Network.

    CeUS plant Ausbau internationaler Vernetzung

    Für die Zukunft plant das CeUS, seine Rolle als lebendiger Knotenpunkt für den akademischen Austausch in der Unisicherheitsforschung zu festigen. Co-Gründungsdirektorin Silke Schwandt betont: „Wir möchten Ideen für neue interdisziplinäre Projekte entwickeln, um zu die vielen Facetten zu erforschen, wie Unsicherheit Wissenschaft und Gesellschaft beeinflusst.“ Das Young Scholar Network (Netzwerk für junge Wissenschaftler*innen) des CeUS soll zusätzlich dazu beitragen, die Bielefelder Unsicherheitsforschung international sichtbarer zu machen, indem es Wissenschaftler*innen aus aller Welt zusammenbringt.


    Wissenschaftliche Ansprechpartner:

    Anna Maria Neubert, CeUS
    Geschäftsführerin
    Telefon: 0521 106-6512
    E-Mail: unex@uni-bielefeld.de


    Weitere Informationen:

    https://www.uni-bielefeld.de/einrichtungen/ceus/ Website des Center for Uncertainty Studies (CeUS)
    https://uni-bielefeld.canto.de/s/UCPUK Bildmaterial zum Beitrag


    Bilder

    Die CeUS-Gründungsdirektoren (v.li.) Prof. Dr. Andreas Zick, Prof’in Dr. Silke Schwandt und Prof. Dr. Herbert Dawid treiben mit inzwischen mehr als 50 Mitgliedern das neue Feld der Unsicherheitsforschung voran.
    Die CeUS-Gründungsdirektoren (v.li.) Prof. Dr. Andreas Zick, Prof’in Dr. Silke Schwandt und Prof. Dr ...

    Foto: Universität Bielefeld/Michael Adamski


    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Journalisten, Lehrer/Schüler, Studierende, Wirtschaftsvertreter, Wissenschaftler, jedermann
    Geschichte / Archäologie, Gesellschaft, Pädagogik / Bildung, Umwelt / Ökologie, Wirtschaft
    überregional
    Forschungs- / Wissenstransfer, Organisatorisches
    Deutsch


     

    Die CeUS-Gründungsdirektoren (v.li.) Prof. Dr. Andreas Zick, Prof’in Dr. Silke Schwandt und Prof. Dr. Herbert Dawid treiben mit inzwischen mehr als 50 Mitgliedern das neue Feld der Unsicherheitsforschung voran.


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