Ein interdisziplinäres Forschungsteam des Deutschen Zentrums für Herz-Kreislauf-Forschung (DZHK) hat erstmals in einer langfristigen Bevölkerungsstudie nachgewiesen, dass künstliche Intelligenz (KI) das biologische Altern des Herzens anhand von EKG-Daten erfassen und mit einem erhöhten kardiovaskulären Risiko in Verbindung bringen kann. Die Ergebnisse der Studie wurden in der Fachzeitschrift npj Digital Medicine veröffentlicht.
Herz-Kreislauf-Erkrankungen gehören zu den häufigsten Todesursachen weltweit. Während klassische Risikofaktoren wie Bluthochdruck oder Diabetes gut untersucht sind, bietet das biologische Alter des Herzens eine neue Perspektive für die Früherkennung von Gesundheitsrisiken. In der aktuellen Studie wurde ein KI-gestütztes Modell validiert, das das „EKG-Alter“ eines Menschen schätzt und so potenzielle Abweichungen vom chronologischen Alter identifiziert.
Die Analyse basiert auf Langzeitdaten einer deutschen Bevölkerungsstudie mit über 20 Jahren Nachbeobachtung. Das KI-Modell wurde ursprünglich auf brasilianische EKG-Daten trainiert und nun erfolgreich auf eine europäische Kohorte angewendet. Dabei konnte eine starke Übereinstimmung zwischen vorhergesagtem und tatsächlichem biologischen Alter des Herzens festgestellt werden.
Höheres Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen erkennbar
Die Studie zeigt, dass Personen, deren EKG-Alter ihr chronologisches Alter um mehr als acht Jahre übersteigt, ein signifikant höheres Risiko für Herzrhythmusstörungen, Herzinsuffizienz und eine erhöhte Sterblichkeit aufweisen. Durch die Berücksichtigung von aufeinanderfolgenden EKGs konnte zudem die Prognosegenauigkeit weiter gesteigert werden.
Das Sterblichkeitsrisiko stieg von 1,43 auf 1,65, wenn nicht nur ein einzelnes EKG, sondern mehrere über einen längeren Zeitraum hinweg erfasste EKGs zur Analyse verwendet wurden. Dies zeigt, dass Veränderungen im EKG über die Zeit hinweg eine genauere Vorhersage des Sterblichkeitsrisikos ermöglichen.
Potenzial für personalisierte Prävention
Die Ergebnisse unterstreichen das Potenzial von KI-gestützten Analysen zur frühzeitigen Identifikation von Patienten mit erhöhtem kardiovaskulären Risiko. Langfristig könnte diese Methode in routinemäßige Gesundheitschecks integriert werden, um gefährdete Personen frühzeitig zu erkennen und präventive Maßnahmen einzuleiten.
„Unsere Studie zeigt, dass künstliche Intelligenz in der Lage ist, subtile Veränderungen im EKG zu erkennen, die auf eine beschleunigte Herzalterung hinweisen. Dies könnte neue Möglichkeiten für eine personalisierte Medizin eröffnen und dazu beitragen, Herz-Kreislauf-Erkrankungen frühzeitig vorzubeugen“, erklärt Erstautor Philip Hempel, Mitarbeiter in der Arbeitsgruppe „Biosignalverarbeitung“ im Institut für Medizinische Informatik der Universitätsmedizin Göttingen.
„Einen besonderen Fokus haben wir dabei darauf gelegt, die KI-Systeme erklärbar zu machen. Durch die Integration klassischer EKG-Parameter in unsere Analyse kombinieren wir KI-Systeme mit traditioneller, evidenzbasierter Medizin. Auf diese Weise können Ärzte nicht nur von den zusätzlichen Erkenntnissen profitieren, sondern auch nachvollziehen, welche spezifischen Merkmale – sei es aus den Daten oder den klassischen Parametern – zu einer bestimmten Diagnose geführt haben. Dies fördert das Vertrauen in neue Technologien und unterstützt eine fundierte, individualisierte Patientenversorgung“, so Hempel.
Die Studie wurde unter der Leitung der Universitätsmedizin Göttingen in Zusammenarbeit mit dem Deutschen Zentrum für Herz-Kreislauf-Forschung (DZHK) durchgeführt. Die Kooperation zwischen verschiedenen Standorten in Deutschland sowie die Unterstützung von internationalen Partnern in Uppsala (Schweden) und Brasilien war dabei ein wesentlicher Erfolgsfaktor des Projekts. Die Untersuchung basiert auf Daten der SHIP-Studie (Study of Health in Pomerania), einer umfassenden Langzeituntersuchung der Bevölkerung in Norddeutschland.
Philip Hempel, Universitätsmedizin Göttingen, philip.hempel@med.uni-goettingen.de
Hempel, P., Ribeiro, A.H., Vollmer, M. et al. Explainable AI associates ECG aging effects with increased cardiovascular risk in a longitudinal population study. npj Digit. Med. 8, 25 (2025). https://doi.org/10.1038/s41746-024-01428-7
Merkmale dieser Pressemitteilung:
Journalisten, Studierende, Wissenschaftler
Biologie, Ernährung / Gesundheit / Pflege, Medizin
überregional
Forschungsergebnisse
Deutsch
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