6.-7. März 2025
Kulturwissenschaftliches Institut Essen (KWI)
Goethestraße 31, 45128 Essen
Der Workshop steht im Kontext der gesellschaftlichen sowie ästhetischen Problematiken des Schließens, des Aufhörens und des Beendens, die Teil der mannigfaltigen Krisen der letzten Jahre waren. Man denke an das ‚Ende‘ der Pandemie, des Kapitalismus und der Globalisierung sowie die zunehmende Erschöpfung natürlicher Ressourcen. Apokalyptische und katastrophische Szenarien, letzte Generationen sowie Formen der Ausrottung und des Aussterbens bestimmen nicht nur die gegenwärtige Lage, sondern durchziehen auch die öffentliche Debatte.
Der Workshop interessiert sich für das Aufhören als ein praktisches Problem. System- und differenzierungstheoretische Gesellschaftstheorien zeigen, dass sich in modernen Gesellschaften unterschiedliche zeitliche Ordnungen ausdifferenzieren, die sich nur schwer synchronisieren lassen: Das Ende des Einen ist der Anfang des Anderen. Alle Formen sozialen Handelns sind zudem in Routinen und Gewohnheiten eingelassen, die sich auch durch ihre Trägheit auszeichnen. Ihre Funktion liegt darin, dass soziale Praxis weitergeht. Nicht nur für den Exzess und alle Formen von Abhängigkeit gilt deshalb: Aufhören ist schwierig. Umgekehrt wird das Aufhören damit in praxeologischer, epistemologischer und poetologischer Hinsicht untersuchbar (vgl. Kermode 2000). Es unterliegt dabei überindividuellen Kriterien, institutionellen Rahmen, medialen Formaten und gesellschaftlichen Erwartungen – und damit ist es ein Sachverhalt, der gelingen oder auch misslingen kann.
Dem Aufhören wohnt zudem eine poetologische Dimension inne. Schlussformeln sind konkret an verschiedene Ausprägungen künstlerischer Formbildung gekoppelt, und zwar bei der Frage danach, wann und wie man einen Text, einen Film oder einen Song beendet und ob es so etwas wie ein passendes Ende des Textes, der Reihe oder des Werkes gibt (vgl. Hernstein Smith 1968). Literaturhistorisch lassen sich einige konstante Schlussformen wie der parabolische Schluss, die moralische Sentenz oder das Happy End nennen (vgl. Simons 2022). Gerade im Kontext von Autobiographie und Life Writing avanciert das Aufhören zum Ausgangspunkt eines neuen Anfangs, der zugleich den Erzählakt selbst motiviert, also auch ein strukturelles textliches Moment ist.
Neben ästhetischen Problematiken des Endes sollen Praktiken des Aufhörens und Abschließens in unterschiedlichen sozialen Feldern und Kontexten in den Blick rücken. Man denke z.B. an Canceln und Ghosting, die Schwierigkeiten des Rücktritts oder Beendens einer Karriere, eines eingefahrenen Konflikts oder lebensverlängernder medizinischer Behandlungen, an Abschiedsrituale, Abschlussformeln sowie Verfahren und Kulturtechniken des Aufhörens. Was bedeuten etwa in werktheoretischen Kontexten Zuschreibungen wie das ‚Alterswerk‘ oder ‚Spätwerk‘ – oder, wie aktuell im Falle Paul Austers, auch das ‚letzte Werk‘ (u.a. Wroe 2023) –, wenn sie vom Schreibenden selbst oder der Kritik so formuliert werden?
Auch in der akademischen Welt wird aufgehört: Das Format der Abschiedsvorlesung markiert eine Praxis des mitunter breit zelebrierten Aufhörens im gewohnten Rahmen akademischer Arbeit. Inwiefern lässt sich in der wissenschaftlichen Arbeit überhaupt aufhören, wie korreliert das Aufhören mit der Logik der Wissenschaften selbst, nach der kein Gegenstand auserforscht sein kann?
KONZEPT & ORGANISATION
Niklas Barth, LMU
Manuel Förderer, Bocholt
Wolfgang Hottner, Universität Bergen
Laura M. Reiling, KWI
TEILNAHME & ANMELDUNG
Interessierte können sich bis zum 20.02.2025 unter laura.reiling@kwi-nrw.de für eine Teilnahme vor Ort anmelden.
VERANSTALTER
Eine Veranstaltung des Kulturwissenschaftlichen Instituts Essen (KWI)
Über das Kulturwissenschaftliche Institut Essen (KWI):
Das Kulturwissenschaftliche Institut Essen (KWI) ist ein interdisziplinäres Forschungskolleg für Geistes- und Kulturwissenschaften in der Tradition internationaler Institutes for Advanced Study. Als interuniversitäres Kolleg der Ruhr-Universität Bochum, der Technischen Universität Dortmund und der Universität Duisburg-Essen arbeitet das Institut mit den Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern seiner Trägerhochschulen und mit weiteren Partnern in NRW und im In- und Ausland zusammen. Innerhalb des Ruhrgebiets bietet das KWI einen Ort, an dem die Erträge ambitionierter kulturwissenschaftlicher Forschung auch mit Interessierten aus der Stadt und der Region geteilt und diskutiert werden. Derzeit stehen folgende Forschungsschwerpunkte im Mittelpunkt: Kulturwissenschaftliche Wissenschaftsforschung, Kultur- und Literatursoziologie, Wissenschaftskommunikation, Visual Literacy sowie ein „Lehr-Labor“. Fortgesetzt werden außerdem die Projekte im Forschungsbereich Kommunikationskultur sowie Einzelprojekte.
www.kulturwissenschaften.de
https://www.kulturwissenschaften.de/veranstaltung/workshop-das-wars/ Der Workshop auf der KWI Webseite
Merkmale dieser Pressemitteilung:
Journalisten, Studierende, Wissenschaftler, jedermann
Gesellschaft, Kulturwissenschaften, Kunst / Design, Medien- und Kommunikationswissenschaften, Sprache / Literatur
überregional
Wissenschaftliche Tagungen
Deutsch
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