Stellen Fluten von schmelzenden Gletschern eine wachsende Gefahr im Hochgebirge dar? Offenbar nicht unbedingt, wie eine Studie unter Leitung der Universität Potsdam zeigt. Obwohl Gletscher weltweit zurückschmelzen und dadurch Platz für wachsende und potenziell instabile Seen machen, entleerten sich zunehmend kleinere Seen in vielen Regionen, wie Forschende der Universität Potsdam herausfanden. Ihre Ergebnisse sind heute in „Nature Water“ erschienen.
Seit vielen Jahren wird in der Wissenschaft darüber diskutiert, ob die Bevölkerung in Bergregionen wachsenden Gefahren von Schmelzwasserfluten ausgesetzt ist, da schmelzende Gletscher immer mehr Wasser freisetzen. Ein kleiner Teil dieses Schmelzwassers verbleibt in den mittlerweile mehreren zehntausend Gletscherseen weltweit. Wenn deren Dämme nachgeben, können diese Gletscherseeausbrüche katastrophale Folgen für die flussabwärts siedelnde Bevölkerung haben. Das Potsdamer Forschungsteam konnte zeigen, dass nicht allein die zunehmende Zahl und Fläche von Gletscherseen die Gefährdung für solche Fluten bestimmt. Dafür werteten sie Satellitenbilder von fast 1700 dokumentierten Gletscherseeausbrüchen in 13 Gletscherregionen der Welt über den Zeitraum von 1990 bis 2023 aus. Sie fanden heraus, dass die Flächen von Eisstauseen vor dem Ausbruch kleiner werden, während diejenigen von moränen-gedämmten Seen weitgehend konstant blieben. Insgesamt konnten sie also keinen Trend hin zu größeren Seeausbrüchen feststellen.
„Einige Seen haben über die Zeit einen breiten Auslass entwickelt. Die Flüsse aus diesen Seen können dadurch sehr effizient das steigende Schmelzwasservorkommen abführen, ohne dass dabei zwingend das Dammmaterial zerbricht. Andere Seen, vor allem in den Alpen, Peru und Norwegen, wurden künstlich mit Staumauern verstärkt, um sie intensiv für Wasserkraft zu nutzen“, so Dr. Georg Veh vom Institut für Umweltwissenschaften und Geographie, Hauptautor der Studie. Solche Veränderungen an den Seen trügen dazu bei, dass Fluten tendenziell von kleineren Seen ausbrechen, auch wenn die Seeflächen global gesehen zunehmen.
Nicht alle Seen verhalten sich im Falle eines Ausbruchs gleich. Eisstauseen, die allein durch das Gletschereis zurückgehalten werden, brechen aufgrund zunehmend instabiler Eismassen zwar häufiger aus. Jedoch sind die resultierenden Flutereignisse aufgrund geringerer Seevolumina im Schnitt weniger massiv. Andere Seen werden dagegen von Moränen aufgestaut, die die Gletscher während ihres Rückschmelzens zurücklassen. Gerade im Himalaya, Alaska und Patagonien hat sich das Gefahrenpotenzial durch moränen-gedämmte Seen für Siedlungen und Infrastrukturen flussabwärts erhöht, weil deren Volumen nach wie vor wächst. Jedoch bleiben katastrophale Ausbrüche von moränen-gedämmten Seen, wie in Indien 2023, bei dem mindestens 55 Personen starben, nach wie vor selten.
Die Autorinnen und Autoren betonen, wie eng Klimawandel, Gletscherschwund und Naturgefahren miteinander verknüpft sind – und wie wichtig es ist, diese Prozesse kontinuierlich zu überwachen. „Fernerkundung spielt hier eine wichtige Rolle. Damit können wir Prozesse flächendeckend und kostengünstig an unwirtlichen Orten verfolgen, die anderweitig nicht zu erreichen wären. An unserem Institut können wir auf hochaufgelöste, täglich aufgenommene Satellitenbilder zurückgreifen, um das Wachstum von Gletscherseen besser zu überwachen“, sagt Dr. Veh. Die Echtzeitdaten bieten eine wertvolle Grundlage für das Risikomanagement in bergigen Regionen. So könnten vor Ort etwa zukünftige Maßnahmen zum Schutz von Menschen, Straßen und Kraftwerken besser geplant werden.
Link zur Publikation: Georg Veh, Björn G. Wang, Anika Zirzow, Christoph Schmidt, Natalie Lützow, Frederic Steppat, Guoqing Zhang, Kristin Vogel, Marten Geertsema, John J. Clague & Oliver Korup, Progressively smaller glacier lake outburst floods despite worldwide growth in lake area, Nature, https://doi.org/10.1038/s44221-025-00388-w
Foto 1: Dr. Georg Veh vor dem Lake No Lake, einem See in British Columbia (Kanada), der durch den Tulsequah Gletscher im Hintergrund aufgestaut wird und sich mehrmals jährlich entleert. (Foto: Natalie Lützow)
Foto 2: Tulsequah Lake, der ebenfalls durch den Tulsequah Gletscher aufgestaut wird. (Foto: Georg Veh)
Foto 3: Crillon Lake, ein eisgestauter Gletschersee im Glacier Bay National Park, Alaska, USA (Foto: Georg Veh)
Kontakt:
Dr. Georg Veh, Institut für Umweltwissenschaften und Geographie
Tel.: 0331 977-5875
E-Mail: georg.veh@uni-potsdam.de
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Dr. Stefanie Mikulla
Universität Potsdam
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Dr. Georg Veh, Institut für Umweltwissenschaften und Geographie
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https://doi.org/10.1038/s44221-025-00388-w
Dr. Georg Veh vor dem Lake No Lake, einem See in British Columbia (Kanada), der durch den Tulsequah ...
Natalie Lützow
Universität Potsdam
Tulsequah Lake, der ebenfalls durch den Tulsequah Gletscher aufgestaut wird.
Georg Veh
Universität Potsdam
Merkmale dieser Pressemitteilung:
Journalisten, jedermann
Umwelt / Ökologie
überregional
Forschungsergebnisse, Wissenschaftliche Publikationen
Deutsch
Dr. Georg Veh vor dem Lake No Lake, einem See in British Columbia (Kanada), der durch den Tulsequah ...
Natalie Lützow
Universität Potsdam
Tulsequah Lake, der ebenfalls durch den Tulsequah Gletscher aufgestaut wird.
Georg Veh
Universität Potsdam
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