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19.02.2025 09:42

Neues Gebilde am Firmament: Größte Superstruktur im nahen Universum entdeckt

Barbara Wankerl Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
Max-Planck-Institut für Physik

    Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler haben die bisher größte, sicher vermessene Superstruktur im Weltall gefunden. Die Entdeckung geschah bei der Kartierung des näheren Universums anhand der Daten von Galaxienhaufen aus der Durchmusterung des Himmels durch den Röntgensatelliten ROSAT. Mit einer Länge von etwa 1,4 Milliarden Lichtjahren setzt sich die neue Struktur aus vorwiegend Dunkler Materie an die Spitze der bisher bekannten Gebilde. Beteiligt waren Forschende am Max-Planck-Institut für extraterrestrische Physik (MPE) und Max-Planck-Institut für Physik (MPP) in Zusammenarbeit mit Kolleg:innen in Spanien und Südafrika.

    Gemittelt über sehr große Distanzen erscheint das Universum fast homogen. Auf Skalen kleiner als etwa eine Milliarde Lichtjahre und in unserer kosmischen Umgebung kennzeichnen es Materieverdichtungen in Superhaufen und Leerräume. Die genaue Kenntnis dieser Strukturen ist für die kosmologische Forschung sehr wichtig und stellt die Hauptmotivation für die Kartierung des näheren Universums dar.

    „Betrachtet man die Verteilung der Galaxienhaufen auf einer Kugelschale mit einer Distanz von 416 bis 826 Millionen Lichtjahre, so fällt sofort eine riesige Struktur auf, die sich vom hohen Nordhimmel bis fast zum südlichen Ende des Himmels erstreckt“, erklärt Hans Böhringer, Leiter des Projektes. Sie umfasst 68 Galaxienhaufen und hat eine geschätzte Gesamtmasse von 2,4 1017 Sonnenmassen mit einer Länge von etwa 1,4 Milliarden Lichtjahre. Damit bricht sie den Größenrekord aller sicher vermessenen kosmischen Strukturen. Die bisher Größte unter ihnen, die „Sloan Great Wall“, hat zum Beispiel eine Länge von ca. 1,1 Milliarden Lichtjahre und ist wesentlich weiter entfernt.

    Ein ATLAS der Galaxienhaufen

    Für ihre Untersuchung haben die Wissenschaftler:innen einen nahezu vollständigen Atlas der Galaxienhaufen im nahen Universum verwendet. „Der Katalog wurde mit Hilfe des Röntgensatelliten ROSAT erstellt, der 1990 am MPE zum ersten Mal mit einem hochauflösenden Röntgenteleskop den gesamten Himmel erfasst hat“, erläutert Joachim Trümper, der Leiter des ROSAT Projektes und emeritierter Direktor des MPE.

    In den Jahrzehnten danach arbeiteten Forscherinnen und Forscher daran, die Galaxienhaufen genauer zu identifizieren und deren Entfernungen zu bestimmen. Auf diese Weise entstand ein dreidimensionales Bild ihrer Verteilung, in dem die Galaxienhaufen die Struktur der großräumigen Verbreitung von Materie im Universum sehr genau nachzeichnen, ähnlich wie Leuchttürme eine Küstenlinie. Der Katalog erfasst das ganze kosmische Volumen bis zu einer Entfernung von einer Milliarde Lichtjahre. In dieser Region erscheint die neue Struktur weitaus größer als alle anderen Strukturen.

    Bedeutung für die Wissenschaft: Kosmographie und Kosmologie

    Die beobachteten Ergebnisse sind für die Kartierung des Universums entscheidend aber auch für kosmologische Messungen. Die Forschenden haben gezeigt, wie die Existenz dieser Strukturen die Auswertungen der Hubble Konstante oder des Mikrowellenhintergrundes beeinflussen. Die kosmische Hintergrundstrahlung ist kurz nach dem Urknall entstanden und gibt uns wichtige Hinweise auf den Aufbau und die Entwicklung des Universums. Die Hubble-Konstante gibt die aktuelle Expansionsrate des Universums an. „Auch wenn es sich dabei nur um Korrekturen von wenigen Prozent handelt, werden diese mit zunehmender Genauigkeit der kosmologischen Beobachtungen immer wichtiger“, betont Gayoung Chon vom MPP.

    Ihren beachtlichen Fund haben die Wissenschaftler:innen „Quipu“ genannt, einen Begriff aus der Sprache der Inkas. Heute übersetzt man ihn mit Knotenschrift, da die Inkas Bündel von Schnüren, in die sie Knoten flochten, für ihre Buchhaltung und als Briefe einsetzten. Die Superstruktur ähnelt dieser alten Schrift, sie erscheint als eine lange Faser an die Seitenstränge geknüpft sind. Deren Namen hat das Team auch gewählt, weil die meisten Entfernungsmessungen der Galaxienhaufen an der Europäischen Südsternwarte (ESO) in Chile stattgefunden haben. Die irdischen Quipus sind im Archäologischen Museum der Hauptstadt Santiago de Chile ausgestellt – womit wir aus den Weiten des Himmels wieder auf die Erde zurückkehren.


    Wissenschaftliche Ansprechpartner:

    Max-Planck-Institut für Extraterrestrische Physik
    Prof. Dr. Hans Böhringer
    hxb@mpe.mpg.de

    Max-Planck-Institut für Physik
    PD Dr. Gayoung Chon
    gayoung.chon@mpp.mpg.de


    Originalpublikation:

    Unveiling the largest structures in the nearby Universe: Discovery of the Quipu superstructure
    Hans Böhringer Gayoung Chon, Joachim Trümper, Renee C. Kraan-Korteweg, and Norbert Schartel
    https://arxiv.org/abs/2501.19236


    Weitere Informationen:

    https://www.mpp.mpg.de/aktuelles/meldungen/neues-gebilde-am-firmament-groesste-s...


    Bilder

    Galaxien (flächige Farben) und Galaxienhaufen (schwarze Punkte) in einer Entfernung von 416 bis 826 Millionen Lichtjahren. Bekannt sind 5 Superstrukturen: 1 Quipu, 2 Shapley, 3 Serpens-Corona Borealis und Herkules (übereinander), 4 Sculptor-Pegasus
    Galaxien (flächige Farben) und Galaxienhaufen (schwarze Punkte) in einer Entfernung von 416 bis 826 ...

    MPE/MPP

    Dreidimensionale Darstellung der Quipu-Superstruktur
    Dreidimensionale Darstellung der Quipu-Superstruktur

    MPE/MPP


    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Journalisten, Wissenschaftler, jedermann
    Physik / Astronomie
    überregional
    Forschungsergebnisse
    Deutsch


     

    Galaxien (flächige Farben) und Galaxienhaufen (schwarze Punkte) in einer Entfernung von 416 bis 826 Millionen Lichtjahren. Bekannt sind 5 Superstrukturen: 1 Quipu, 2 Shapley, 3 Serpens-Corona Borealis und Herkules (übereinander), 4 Sculptor-Pegasus


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    Dreidimensionale Darstellung der Quipu-Superstruktur


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