25.02.2025/Kiel. Ein internationales Forschungsteam unter der Leitung des GEOMAR Helmholtz-Zentrums für Ozeanforschung Kiel und der Durham University hat die bislang längsten jemals gemessenen Unterwasser-Sedimentströme der Erde untersucht. Mithilfe seismischer Messungen gelang es erstmals, die innere Struktur dieser zehn bis hundert Kilometer langen Trübeströme detailliert zu analysieren. Die neuen Erkenntnisse helfen, Risiken für Unterwasser-Infrastruktur besser einzuschätzen und Modelle zum Sediment- und Kohlenstofftransport im Ozean zu verbessern. Die Studie ist heute in dem Fachmagazin Nature Communications Earth and Environment veröffentlicht worden.
Trübeströme sind ein gewaltiges Naturphänomen, das allerdings meist unbeobachtet abläuft: Diese Ströme unter der Meeresoberfläche formen tiefe Schluchten am Meeresboden, bilden riesige Sedimentablagerungen und können auch Unterseekabel und Pipelines beschädigen. Das Phänomen ist seit rund 100 Jahren bekannt, doch aufgrund ihrer Dynamik – die Geschwindigkeiten von Canyon-spülenden Trübeströmen sind vergleichbar mit Lawinen – war es bislang nahezu unmöglich, diese Ströme direkt zu messen: Messinstrumente, die ihnen direkt in den Weg gestellt werden, würden durch die enorme Kraft zerstört.
Ein internationales Forschungsteam unter der Leitung des GEOMAR Helmholtz-Zentrums für Ozeanforschung Kiel und der Durham University (Großbritannien) hat nun eine neue Methode entwickelt, um diese Ströme aus sicherer Entfernung zu beobachten: Mit Ozeanboden-Seismometern, die normalerweise zur Erforschung von Erdbeben genutzt werden, konnten sie erstmals die innere Struktur dieser gewaltigen Strömungen entschlüsseln. Die Ergebnisse ihrer Forschung werden heute im Fachmagazin Nature Communications Earth and Environment veröffentlicht.
Ozeanboden-Seismometer ertasten den längsten je gemessenen Trübestrom aus der Ferne
„Genau wie Flüsse Sedimente über Land transportieren, sind Trübeströme der wichtigste Mechanismus für den Transport von Sedimenten und organischem Kohlenstoff aus küstennahen Gebieten in die Tiefsee“, erklärt Dr. Pascal Kunath, Geophysiker am GEOMAR und Erstautor der Studie. „Im Gegensatz zu Flüssen gehören Trübeströme jedoch zu den am wenigsten verstandenen Prozessen des Sedimenttransports.“
Um dies zu ändern, positionierte das Forschungsteam im Oktober 2019 Seismometer im Bereich des Kongobeckens und -kanals vor der Westküste Afrikas, einem der größten und tiefsten Unterwasser-Canyons der Welt. Die Messinstrumente wurden mehrere Kilometer außerhalb, fernab des zerstörerischen Bereichs der Ströme positioniert, um die seismischen Signale zu registrieren, die durch die Strömung und den damit verbundenen Sedimenttransport erzeugt werden.
Mit dieser Methode verfolgten die Wissenschaftler:innen zwei Trübeströme, die sich mit Geschwindigkeiten von 5 bis 8 Metern pro Sekunde (m/s) über eine Distanz von 1.100 Kilometern bewegten – von der Mündung des Kongo-Flusses durch den Kongo-Tiefseegraben und -Kanal. Damit handelt es sich um die längsten je gemessenen Sedimentströme. Diese Ströme beschädigten im Januar und März 2020 mehrere Unterseekabel, die Westafrika mit dem Rest der Welt verbinden, und führten zu erheblichen Störungen der Internet- und Datenkommunikation.
Dynamik der Ströme neu bewertet
„Unsere Ergebnisse zeigen, dass die dichte Front dieser Canyon-spülenden Trübeströme nicht aus einem einzigen, kontinuierlichen Fluss besteht, sondern aus zahlreichen Schüben, die jeweils fünf bis 30 Minuten andauern“, sagt Kunath. Besonders bemerkenswert: Die schnellsten Strömungsschübe treten bis zu 20 Kilometer hinter der Strömungsfront auf. Diese überholen schließlich die Front und liefern das Sediment und die nötige Energie, um den Hauptfluss über große Distanzen aufrechtzuerhalten.
Diese Beobachtung stellt bisherige Annahmen infrage, nach denen die höchsten Geschwindigkeiten an der Strömungsspitze zu erwarten wären. Die neuen Erkenntnisse legen nahe, dass turbulente Vermischung mit Meerwasser oder andere bremsende Kräfte das Verhalten der Ströme über große Distanzen erheblich beeinflussen.
Neue Möglichkeiten zur Überwachung
Die Studie liefert nicht nur eine Methode zur Fernüberwachung von Trübeströmen, sondern verbessert auch das Verständnis darüber, wie diese mächtigen Ströme funktionieren. Durch die detaillierte Analyse ihrer inneren Dynamik können die Auswirkungen auf Infrastrukturen am Meeresboden besser vorhergesagt und Modelle zum Sediment- und Kohlenstofftransport im Ozean weiter verfeinert werden.
Kunath, P., Talling, P. J., Lange, D., Chi, W.-C., Baker, M. L., Urlaub, M., & Berndt, C. (2025). Ocean-bottom seismometers reveal surge dynamics in Earth’s longest-runout sediment flows. Commun Earth Environ 6, 147.
https://doi.org/10.1038/s43247-025-02137-z
http://www.geomar.de/n9749 Bildmaterial zum Download
http://www.geomar.de/forschen/fb4/fb4-gdy/schwerpunkte Forschungseinheit Marine Geodynamik am GEOMAR
Merkmale dieser Pressemitteilung:
Journalisten
Geowissenschaften, Meer / Klima, Umwelt / Ökologie
überregional
Forschungsergebnisse
Deutsch
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