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27.02.2025 09:52

Nachhaltige Narkose: Charité senkt CO2-Ausstoß im OP um 80 Prozent

Markus Heggen GB Unternehmenskommunikation
Charité – Universitätsmedizin Berlin

    Die Charité – Universitätsmedizin Berlin hat die jährlichen CO2-Emissionen, die von Narkosegasen ausgehen, seit 2018 um über 80 Prozent reduziert. Erreicht wurde die Senkung des CO2-Austoßes durch die Verwendung klimafreundlicherer Anästhetika im Operationssaal. Wie eine Studie im Fachjournal Anesthesia & Analgesia* jetzt belegt, waren Aufklärung und insbesondere Grundsatzentscheidungen der Schlüssel zum Erfolg.

    Gasförmige Narkosemittel sind klimaaktiv, das heißt sie erwärmen die Atmosphäre – ähnlich wie Kohlendioxid (CO2). Ihre Wirkung ist allerdings deutlich stärker: Ein Kilogramm Desfluran beispielsweise trägt über einen Zeitraum von fünf Jahren knapp 8.000-mal so stark zum Treibhauseffekt bei wie ein Kilogramm CO2. Die Emissionen einer siebenstündigen Operation unter Desfluran-Narkose entsprechen einer Autofahrt von fast 7.850 Kilometern, also einer Strecke von Berlin nach Ulaanbaatar in der Mongolei. Desfluran ist damit das mit Abstand klimaschädlichste Anästhesiegas.

    Maßnahmen ab 2018

    „Die meisten Anästhesistinnen und Anästhesisten wissen nicht, wie klimaschädlich Narkosegase sind, weil das Thema nicht Gegenstand der Standardausbildung ist“, erklärt PD Dr. Susanne Koch, Anästhesistin an der Charité und Leiterin der Studie. Als Mitglied der Nachhaltigkeitskommission der European Society of Anaesthesiology and Intensive Care (ESAIC) engagiert sie sich für mehr Nachhaltigkeit in der Anästhesiologie, auch in der Charité. „Um das zu ändern, haben wir 2018 regelmäßige Informationsveranstaltungen und Fortbildungen eingeführt.“

    Zusätzlich überarbeiteten die Leitungen der Kliniken für Anästhesiologie die Vorgaben für die Durchführung einer Narkose, seit Ende 2023 wird Charité-weit kein Desfluran mehr verwendet. Die Kliniken setzen stattdessen verstärkt auf lokale Betäubung und den Einsatz des Anästhetikums Propofol, das intravenös verabreicht wird und ungleich klimafreundlicher ist als Narkosegase. Wo medizinisch auf ein gasförmiges Narkosemittel nicht verzichtet werden kann, wird das Narkosegas Sevofluran in der sogenannten Minimal-Flow-Methode genutzt, also mit einem geringen Gasfluss. Sevofluran trägt weniger als ein Drittel so stark zum Treibhauseffekt bei wie Desfluran.

    Weniger Emissionen, geringere Kosten, keine Nachteile für Patient:innen

    „Durch diese Maßnahmen ist es der Charité gelungen, die Anästhetika-bedingten CO2-Emissionen von über 7.500 Tonnen pro Jahr vor 2018 auf 1.454 Tonnen im Jahr 2023, also um mehr als 80 Prozent, zu reduzieren“, sagt Astrid Lurati, Vorstand Finanzen und Infrastruktur der Charité. „Das entspricht einer Einsparung von rund 6.000 Tonnen CO2 pro Jahr, also etwa dem jährlichen Verbrauch von 300 deutschen Haushalten. Weil Desfluran außerdem eines der teuersten Narkosegase ist, haben sich unsere jährlichen Kosten für Anästhetika zwischen 2015 und 2023 nahezu halbiert.“

    Ein medizinischer Nachteil ist für die Patient:innen mit der Umstellung der Anästhetika nicht verbunden – im Gegenteil. „Nach einer Narkose mit Propofol wachen die Patient:innen ruhiger auf und ihnen ist seltener übel“, betont Susanne Koch. „Desfluran ermöglicht es, die Dauer und Tiefe der Narkose sehr gut zu steuern und wird deshalb gern verwendet. Mithilfe einer EEG-basierten Überwachung, also einer Orientierung an der Hirnaktivität, lässt sich die Narkose aber auch bei Verwendung von Propofol sehr gut steuern.“

    Die größte Wirkung: Entscheidungen der Leitung

    In seiner Studie untersuchte das Forschungsteam um die Anästhesistin, welche Maßnahmen den größten Einfluss auf den CO2-Ausstoß durch Narkosemittel hatten. Danach führten Publikationen, Fortbildungen und Informationsveranstaltungen – sowohl Charité-intern als auch auf Fachkongressen – zu einer kontinuierlichen Senkung der Emissionen. „Den schnellsten und nachhaltigsten Effekt aber hatte die Anpassung der zentralen Standardvorschriften, an die sich alle Anästhesistinnen und Anästhesisten in ihrer Arbeit halten müssen“, sagt Susanne Koch. „Das zeigt, wie wichtig solche grundlegenden Entscheidungen, unterstützt von der Leitungsebene, sind.“

    *Schwiethal A et al. The Power of Education to Reduce the Carbon Footprint of Volatile Anesthetics in Clinical Practice. Anesth Analg. 2025 Feb 25. doi: 10.1213/ANE.0000000000007375

    Berechnung der CO2-Emissionen
    Zur besseren Vergleichbarkeit von klimaaktiven Substanzen wird ihr erwärmender Effekt auf die Atmosphäre über einen festgelegten Zeitraum als sogenanntes Treibhauspotenzial in CO2-Äquivalenten ausgewiesen. Typischerweise wird das Treibhauspotenzial (Global Warming Potential, GWP) für 100 Jahre angegeben (GWP100). Aufgrund der vergleichsweise kurzen Verweildauer von Narkosegasen in der Atmosphäre (Desfluran: 14 Jahre, Sevofluran: 1,1 Jahre), entfalten sie den größten Anteil ihrer erderwärmenden Wirkung jedoch innerhalb weniger Jahre. Die oben angegebenen CO2-Äquivalente basieren deshalb auf dem GWP5, also dem Treibhausgaspotenzial über fünf Jahre. Legt man stattdessen den GWP100-Wert zugrunde, betrugen die Emissionen durch Narkosegase an der Charité vor 2018 mehr als 1.500 Tonnen CO2-Äquivalente. Sie konnten bis 2023 auf 142 Tonnen reduziert werden.

    Nachhaltigkeit an der Charité
    Die Charité orientiert sich an den 17 Nachhaltigkeitszielen der Vereinten Nationen und verfolgt diese in den Strategiefeldern Umwelt, Soziales, Gesundheit und Governance. Dazu setzt sie auf eine Vielzahl von Maßnahmen wie langlebige Baukonzepte, die Schonung von Ressourcen, eine nachhaltige Mobilität und die energetische Modernisierung technischer Anlagen. Beispielsweise hat die Berliner Universitätsmedizin rund 60.000 herkömmliche Leuchtmittel durch LED-Lampen ausgetauscht, ein pfandloses Mehrwegsystem in allen gastronomischen Einrichtungen eingeführt und die Bekleidung des medizinischen Personals auf Produkte aus Tencel umgestellt, die mit dem Nachhaltigkeitssiegel „Grüner Knopf“ zertifiziert sind. Der Charité ist es so gelungen, ihre CO2-Emissionen von 126.600 Tonnen im Jahr 2016 auf 104.320 Tonnen im Jahr 2023 zu senken.


    Originalpublikation:

    https://journals.lww.com/anesthesia-analgesia/fulltext/9900/the_power_of_educati...


    Weitere Informationen:

    https://journals.lww.com/anesthesia-analgesia/fulltext/9900/the_power_of_educati... Originalpublikation
    https://nachhaltigkeit.charite.de/ Nachhaltigkeit an der Charité
    https://anaesthesieintensivmedizin.charite.de/ Klinik für Anästhesiologie und Intensivmedizin (CCM/CVK)
    https://anaesthesie.charite.de/ Klinik für Anästhesiologie und operative Intensivmedizin (CBF)


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    Narkose geht auch nachhaltig: Durch die Verwendung klimafreundlicherer Anästhetika spart die Charité jährlich so viel CO2 ein, wie 300 Haushalte durchschnittlich verbrauchen
    Narkose geht auch nachhaltig: Durch die Verwendung klimafreundlicherer Anästhetika spart die Charité ...
    Artur Krutsch
    © Charité | Artur Krutsch

    Jährliche Emissionen durch Narkosegase an allen bettenführenden Charité-Campi in CO2-Äquivalenten über fünf Jahre (GWP5)
    Jährliche Emissionen durch Narkosegase an allen bettenführenden Charité-Campi in CO2-Äquivalenten üb ...
    Constanze Gutwasser
    © Charité | Constanze Gutwasser


    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Journalisten, Studierende, Wirtschaftsvertreter, Wissenschaftler, jedermann
    Medizin, Umwelt / Ökologie, Wirtschaft
    überregional
    Forschungsergebnisse, Wissenschaftliche Publikationen
    Deutsch


     

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