In einer im Fachjournal Nature veröffentlichten Studie stellt ein interdisziplinäres Forschungsteam eine neuartige Methode des maschinellen Lernens vor, welche die Gravitationswellen von Neutronensternkollisionen blitzschnell analysieren kann – noch bevor die Verschmelzung vollständig beobachtet wird. In nur einer Sekunde analysiert das neuronale Netz die auf der Erde ankommenden Daten und ermöglicht so eine schnelle Suche nach sichtbarem Licht und anderen elektromagnetischen Signalen, die während der Kollisionen ausgesendet werden. Diese neue Methode könnte eine wichtige Rolle dabei spielen, das Feld für die nächste Generation von Observatorien vorzubereiten.
EMBARGO bis 5. März 2025 um 17 Uhr deutsche Zeit
Die Verschmelzung zweier Neutronensterne findet Millionen von Lichtjahren von der Erde entfernt statt. Die dabei erzeugten Gravitationswellen zu verstehen, stellt eine große Herausforderung für herkömmliche Datenanalyse-Methoden dar. Diese Signale umfassen bei derzeitigen Detektoren einige Minuten und bei zukünftigen Observatorien möglicherweise Stunden bis Tage an Daten. Die Analyse solch umfangreicher Datensätze ist rechenintensiv und zeitaufwändig.
Ein internationales Team von Wissenschaftler*innen hat einen Algorithmus für maschinelles Lernen mit der Bezeichnung DINGO-BNS (Deep INference for Gravitational-wave Observations from Binary Neutron Stars) entwickelt, der kostbare Zeit spart bei der Interpretation von Gravitationswellen, die bei der Verschmelzung zweier Neutronensterne entstehen. Das neuronale Netz braucht nur eine Sekunde, um Systeme verschmelzender Neutronensterne vollständig zu charakterisieren. Die schnellsten herkömmlichen Methoden benötigen dafür etwa eine Stunde. Das Team wird seine Forschungsergebnisse am 5. März 2025 im Fachjournal Nature unter dem Titel „Real-time inference for binary neutron star mergers using machine learning“ veröffentlichen.
Warum sind Echtzeitberechnungen wichtig?
Bei der Verschmelzung von Neutronensternen werden neben den Gravitationswellen auch sichtbares Licht (bei der anschließenden Kilonova-Explosion) und weitere elektromagnetische Strahlung ausgesandt, wie in diesem Video (https://www.ligo.caltech.edu/video/ligo20171016v2) dargestellt. „Eine schnelle und genaue Analyse der Gravitationswellen-Daten ist entscheidend, um die Quelle zu lokalisieren und Teleskope so schnell wie möglich auszurichten, um alle zugehörigen Begleitsignale zu beobachten“, sagt der Erstautor der Publikation, Maximilian Dax, ehemaliger Doktorand in der Abteilung für Empirische Inferenz am Max-Planck-Institut für Intelligente Systeme (MPI-IS), nun PostDoc an der ETH Zürich und am ELLIS Institut Tübingen.
Die Echtzeit-Methode könnte einen neuen Standard für die Datenanalyse von Neutronenstern-Verschmelzungen setzen und Astronom*innen mehr Zeit geben, ihre Teleskope auf die verschmelzenden Neutronensterne auszurichten, sobald die großen Detektoren der LIGO-Virgo-KAGRA (LVK)-Kollaboration diese Signale aufspüren.
„Die Algorithmen zur Echtzeit-Analyse, die die LVK-Kollaboration derzeit verwendet, verwenden Näherungen, die auf Kosten der Genauigkeit gehen. Unsere neue Studie behebt diese Schwächen“, sagt Jonathan Gair, Gruppenleiter in der Abteilung Astrophysikalische und Kosmologische Relativitätstheorie am Max-Planck-Institut für Gravitationsphysik im Potsdam Science Park.
Ganz ohne solche Näherungsverfahren charakterisiert die maschinelle Lernmethode Verschmelzungen von Neutronensternen (z. B. ihre Masse, ihre Rotation und ihre Position) in nur einer Sekunde vollständig. Dies ermöglicht es unter anderem, die Position am Himmel um 30 % genauer zu bestimmen. Weil das neuronale Netz derart schnell und genau arbeitet, kann es wichtige Informationen für gemeinsame Beobachtungen der Gravitationswellen-Detektoren und Teleskope liefern. Die Maschinelle Lernmethode kann helfen, nach sichtbarem Licht und anderen elektromagnetischen Signalen zu suchen, die bei der Verschmelzung entstehen, und dabei die teure Beobachtungszeit der Teleskope bestmöglich zu nutzen.
Verschmelzende Neutronensterne auf frischer Tat ertappen
„Die Analyse der Gravitationswellen von Doppelneutronensternen ist besonders anspruchsvoll, sodass wir für DINGO-BNS verschiedene technische Innovationen entwickeln mussten. Dazu gehört zum Beispiel eine Methode zur Datenkompression, die sich den Ereignissen anpasst“, sagt Stephen Green, UKRI Future Leaders Fellow an der Universität Nottingham.
Bernhard Schölkopf, Direktor der Abteilung für Empirische Inferenz am MPI-IS und des ELLIS Instituts Tübingen, ergänzt: „Unsere Studie zeigt, wie effektiv es ist, moderne maschinelle Lernmethoden mit physikalischem Fachwissen zu kombinieren.“
DINGO-BNS könnte eines Tages helfen, elektromagnetische Signale vor und zum Zeitpunkt der Kollision zweier Neutronensterne zu beobachten. „Solche frühen Multi-Messenger-Beobachtungen könnten neue Erkenntnisse über den Verschmelzungsprozess und die anschließende Kilonova liefern, die immer noch nicht vollständig verstanden sind“, sagt Alessandra Buonanno, Direktorin der Abteilung Astrophysikalische und Kosmologische Relativitätstheorie am Max-Planck-Institut für Gravitationsphysik.
DOI: 10.1038/s41586-025-08593-z
Maximilian Dax
Abteilung für Empirische Inferenz
Max-Planck-Institut für Intelligente Systeme
maximilian.dax@tuebingen.mpg.de
https://www.nature.com/articles/s41586-025-08593-z
DOI: 10.1038/s41586-025-08593-z
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Künstlerische Darstellung der Verschmelzung zweier Neutronensterne, bei der Gravitationswellen und e ...
MPI-IS / A. Posada
Merkmale dieser Pressemitteilung:
Journalisten, Studierende, Wissenschaftler, jedermann
Energie, Informationstechnik, Mathematik, Physik / Astronomie
überregional
Forschungsergebnisse, Wissenschaftliche Publikationen
Deutsch
Künstlerische Darstellung der Verschmelzung zweier Neutronensterne, bei der Gravitationswellen und e ...
MPI-IS / A. Posada
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