Statement von RWI-Präsident Christoph M. Schmidt zu der geplanten Ausnahme von der Schuldenbremse für Verteidigungsausgaben und der Einrichtung eines Sondervermögens für Infrastruktur
„Dass die Sicherung der Verteidigungsfähigkeit Deutschlands angesichts der aktuellen geopolitischen Entwicklungen höchste Priorität hat, steht wohl außer Frage. Hier wäre ein neues Sondervermögen kurzfristig zwar eine Maßnahme gewesen, um schnell Handlungsfähigkeit zu signalisieren und die Abwehrbereitschaft Deutschlands auszubauen. Und in der Tat würden auch die nachfolgenden Generationen von der Herstellung eines abwehrbereiten Staats begünstigt. Andererseits ist zumindest langfristig die Verteidigungsfähigkeit ureigene staatliche Aufgabe und sollte daher nicht mit Schulden, sondern aus den laufenden Einnahmen finanziert werden.
Für einen Freibrief für unbegrenzte Ausgaben, so wie es jetzt vorgesehen ist, noch bevor der tatsächliche Finanzbedarf genauer ermittelt wurde, sehe ich jedenfalls keine Rechtfertigung. An den Anfang eines massiven Ausbaus der Verteidigungsfähigkeit einen neuen Schuldentopf zu stellen, ist auch insofern unglücklich, da nun wohl beispielsweise kaum noch die Strukturen der Beschaffung mit dem gleichen Eifer auf den Prüfstand gestellt werden dürften. Stattdessen wäre es angezeigt gewesen, mit dem Verweis auf die außerordentliche Dringlichkeit über ein Ziehen der Notfallklausel der Schuldenbremse zu diskutieren, statt diese faktisch zu schleifen.
Für eine bessere Infrastruktur, für die jetzt ein gewaltiges Sondervermögen vorgesehen ist, hätte man meiner Einschätzung nach überhaupt keine neuen Schulden gebraucht. Denn auf diesem Feld liegen die Probleme eher bei langwierigen Planungs- und Genehmigungsverfahren, Fachkräfteengpässen und lokalen Widerständen gegen Infrastrukturmaßnahmen, nicht bei fehlenden Finanzmitteln. Vor allem gäbe es doch erhebliche Umschichtungspotenziale in den öffentlichen Haushalten, wie es ja auch nicht zuletzt die Union noch im Wahlkampf zu Recht vorgebracht hatte. Ich sehe nicht, wo jetzt noch der Handlungsdruck herkommen soll, um die Ausgabenstruktur etwa bei Sozialem und Klima kritisch zu durchforsten und konsequent die Steigerung der Wirtschaftsleistung zu priorisieren, was aber dringend nötig wäre. Eins ist doch klar: Wenn dies bei der Regierungsbildung nicht gelingt, wird es danach kaum noch möglich sein.“
Prof. Dr. Dr. h. c. Christoph M. Schmidt ist Präsident des RWI – Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung und Professor an der Ruhr-Universität Bochum. Von 2009 bis 2020 war er Mitglied des Sachverständigenrates zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung, von März 2013 bis Februar 2020 dessen Vorsitzender. Seit Mai 2024 ist er Mitglied der von der Bundesregierung berufenen Expertenkommission Forschung und Innovation (EFI).
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