idw – Informationsdienst Wissenschaft

Nachrichten, Termine, Experten

Grafik: idw-Logo
Science Video Project
idw-Abo

idw-News App:

AppStore

Google Play Store



Instanz:
Teilen: 
11.03.2025 07:49

Silikon, das bewegt: Muskeln aus dem Drucker

Anna Ettlin Kommunikation
Empa - Eidgenössische Materialprüfungs- und Forschungsanstalt

    Empa-Forschende arbeiten an künstlichen Muskeln, die mit den echten mithalten können. Nun haben sie eine Methode entwickelt, die weichen und elastischen, aber dennoch kraftvollen Strukturen mittels 3D-Druck herzustellen. Eines Tages könnten sie in der Medizin oder der Robotik zum Einsatz kommen – und auch überall sonst, wo sich Dinge auf Knopfdruck bewegen sollen.

    Künstliche Muskeln versetzen nicht nur Roboter in Bewegung: Eines Tages könnten sie Menschen beim Arbeiten oder beim Gehen unterstützen oder verletztes Muskelgewebe ersetzen. Künstliche Muskulatur zu entwickeln, die der echten in nichts nachsteht, ist allerdings eine grosse technische Herausforderung. Um mit ihren biologischen Vorbildern mithalten zu können, müssen künstliche Muskeln nicht nur stark, sondern auch elastisch und weich sein. Im Grunde genommen sind künstliche Muskeln sogenannte Aktoren: Bauteile, die elektrische Impulse in Bewegung umwandeln. Aktoren kommen überall zum Einsatz, wo sich auf Knopfdruck etwas bewegt, ob zuhause, im Automotor oder in hochentwickelten Industrieanlagen. Mit Muskeln haben diese harten mechanischen Komponenten aber noch nicht viel gemein.

    Widersprüche unter einen Hut gebracht

    Ein Team von Forschenden aus dem Empa-Labor für Funktionspolymere arbeitet deshalb an Aktoren aus weichen Materialien. Nun haben sie erstmals eine Methode entwickelt, solche komplexen Komponenten mit dem 3D-Drucker herzustellen. Die sogenannten dielektrischen elastischen Aktoren (DEA) bestehen aus zwei unterschiedlichen silikonbasierten Materialien: einem leitenden Elektrodenmaterial und einem nichtleitenden Dielektrikum. Diese Materialien greifen schichtförmig ineinander. «In etwa so, als würde man die Finger verschränken», erklärt Empa-Forscher Patrick Danner. Legt man an den Elektroden eine elektrische Spannung an, zieht sich der Aktor wie ein Muskel zusammen. Schaltet man die Spannung wieder ab, entspannt er sich in seine Ursprungsposition.

    Eine solche Struktur mittels 3D-Druck herzustellen, ist nicht trivial, weiss Danner. Die beiden weichen Materialien sollten sich – trotz ihrer sehr unterschiedlichen elektrischen Eigenschaften – beim Druckprozess sehr ähnlich verhalten. Sie dürfen sich nicht vermischen, müssen aber im fertigen Aktor trotzdem gut zusammenhalten. Die gedruckten «Muskeln» müssen möglichst weich sein, damit ein elektrischer Stimulus zu der benötigten Verformung führen kann. Dazu kommen die Ansprüche, die alle 3D-druckbaren Materialien zu erfüllen haben: Unter Druck müssen sie sich verflüssigen, damit sie aus der Druckerdüse gepresst werden können. Unmittelbar danach müssen sie aber wieder zähflüssig genug sein, um die gedruckte Form zu behalten. «Diese Eigenschaften stehen oft in direktem Widerspruch zueinander», sagt Danner. «Wenn man eine davon optimiert, verändern sich drei andere, meistens zum Nachteil.»

    Vom Handschuh bis zum Herz

    In Zusammenarbeit mit Forschenden der ETH Zürich ist es Danner und Dorina Opris, Leiterin der Forschungsgruppe «Functional Polymeric Materials», gelungen, viele dieser widersprüchlichen Eigenschaften unter einen Hut zu bringen. Zwei Spezialtinten, entwickelt an der Empa, werden über eine von den ETH-Forschenden Tazio Pleij und Jan Vermant entwickelte Düse zu funktionierenden weichen Aktoren gedruckt. Die Zusammenarbeit ist Teil des Grossprojekts «Manufhaptics», das zum Strategischen Fokusbereich «Advanced Manufacturing» des ETH-Bereichs gehört. Ziel des Projekts ist es, einen Handschuh zu entwickeln, der virtuelle Welten greifbar macht. Hier sollen die künstlichen Muskeln durch Widerstand das Greifen von Gegenständen simulieren.

    Die weichen Aktoren haben jedoch weitaus mehr Anwendungsmöglichkeiten. Sie sind leicht, geräuschlos und, dank dem neuen 3D-Druck-Verfahren, beliebig formbar. Sie könnten herkömmliche Aktoren in Autos, Maschinen und in der Robotik ersetzen. Entwickelt man sie noch weiter, kommen sie auch für medizinische Anwendungen in Frage. Dorina Opris und Patrick Danner arbeiten bereits daran: Mit ihrem neuen Verfahren lassen sich nicht nur komplexe Formen drucken, sondern auch lange elastische Fasern. «Wenn wir sie noch etwas dünner machen, kommen wir der Funktionsweise von echten Muskelfasern schon recht nahe», so Opris. In Zukunft könnte man aus solchen Fasern womöglich ein ganzes Herz drucken, glaubt die Forscherin. Bis ein solcher Traum Wahrheit wird, gibt es allerdings noch viel zu tun.


    Wissenschaftliche Ansprechpartner:

    Patrick Danner
    Functional Polymers
    Tel. +41 58 765 43 87
    patrick.danner@empa.ch

    Prof. Dr. Dorina Opris
    Functional Polymers
    Tel. +41 58 765 11 22
    dorina.opris@empa.ch


    Originalpublikation:

    PM Danner, T Pleij, F Liechti, J Wolf, AV Bayles, J Vermant, DM Opris: Rapid Manufacturing of High-Permittivity Dielectric Elastomer Actuator Fibers; Advanced Materials Technologies (2025); https://doi.org/10.1002/admt.202500190


    Bilder

    Patrick Danner vom Empa-Labor für Funktionspolymere arbeitet an Aktoren aus weichen Materialien.
    Patrick Danner vom Empa-Labor für Funktionspolymere arbeitet an Aktoren aus weichen Materialien.

    Empa

    Komplexität im kleinen Rahmen: Ein 3D-gedruckter weicher Aktor oder «künstlicher Muskel».
    Komplexität im kleinen Rahmen: Ein 3D-gedruckter weicher Aktor oder «künstlicher Muskel».

    Empa


    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Journalisten
    Maschinenbau, Medizin, Werkstoffwissenschaften
    überregional
    Forschungsergebnisse, Forschungsprojekte
    Deutsch


     

    Patrick Danner vom Empa-Labor für Funktionspolymere arbeitet an Aktoren aus weichen Materialien.


    Zum Download

    x

    Komplexität im kleinen Rahmen: Ein 3D-gedruckter weicher Aktor oder «künstlicher Muskel».


    Zum Download

    x

    Hilfe

    Die Suche / Erweiterte Suche im idw-Archiv
    Verknüpfungen

    Sie können Suchbegriffe mit und, oder und / oder nicht verknüpfen, z. B. Philo nicht logie.

    Klammern

    Verknüpfungen können Sie mit Klammern voneinander trennen, z. B. (Philo nicht logie) oder (Psycho und logie).

    Wortgruppen

    Zusammenhängende Worte werden als Wortgruppe gesucht, wenn Sie sie in Anführungsstriche setzen, z. B. „Bundesrepublik Deutschland“.

    Auswahlkriterien

    Die Erweiterte Suche können Sie auch nutzen, ohne Suchbegriffe einzugeben. Sie orientiert sich dann an den Kriterien, die Sie ausgewählt haben (z. B. nach dem Land oder dem Sachgebiet).

    Haben Sie in einer Kategorie kein Kriterium ausgewählt, wird die gesamte Kategorie durchsucht (z.B. alle Sachgebiete oder alle Länder).