Erfassen wir Geschichten besser mit Bildern oder Text? Und welche Rolle spielen dabei Bildungsgrad und Alter? Ein Team aus Tübinger und Berliner Forschenden zeigt in einer neuen Studie, dass bildhafte Erzählungen über alle Alters- und Bildungsgruppen hinweg besser verstanden werden als textbasierte Erzählungen. Besonders für Menschen mit geringen Lese- und Sprachkompetenzen könnte das eine entscheidende Rolle spielen.
Erzählen ist eine universelle Form der Wissensvermittlung. Wer Geschichten versteht, kann sich in der Gesellschaft orientieren, an politischen Prozessen teilnehmen oder sich weiter-bilden. Doch nicht alle Menschen erfassen Erzählungen gleich gut. Die jetzt veröffentlichte Studie des Tübinger Leibniz-Instituts für Wissensmedien (IWM), die in Zusammenarbeit mit dem Berliner Leibniz-Zentrum Allgemeine Sprachwissenschaft (ZAS) entstanden ist, zeigt: Entscheidend ist vor allem der Bildungsgrad, wohingegen das Lebensalter überraschender-weise keine Rolle spielt. Unabhängig davon fällt es Menschen leichter, Geschichten zu verstehen, wenn sie in Bildern erzählt werden.
Visuelle Erzählformen haben großes Potenzial
„Unsere Ergebnisse unterstreichen, dass visuelle Erzählformen großes Potenzial haben, um Verständnisbarrieren zu reduzieren“, erklärt der Leiter der Studie, Prof. Dr. Markus Huff vom Leibniz-Institut für Wissensmedien in Tübingen. „Gerade für Menschen mit geringeren Lese- oder Sprachkompetenzen könnten sie eine wichtige Ergänzung oder Alternative zu klassischen Textformaten darstellen.“
Die Forschenden untersuchten in einem Internet-Experiment mit rund 1.500 Erwachsenen verschiedener Bildungsabschlüsse, wie gut diese unterschiedliche Erzählformen – Texte und Bildergeschichten – verstehen.
Dafür verwendeten sie das Material aus dem „Multilingual Assessment Instrument for Narratives (MAIN)“, einem Theorie-basierten experimentellen Verfahren, das unter der Leitung von Prof. Dr. Natalia Gagarina, Forschungsbereichsleiterin am ZAS, entwickelt wurde – ursprünglich, um die Erzählfähigkeiten von Kindern zu testen.
„Was die Studie ebenfalls klar gezeigt hat: Ein höherer Bildungsgrad geht mit einem besseren Verständnis von Erzählungen einher, und zwar sowohl von textbasierten als auch von bildbasierten Geschichten“, führt der Tübinger Psychologe Huff aus. Entgegen den Erwartungen nimmt diese Fähigkeit mit zunehmendem Alter jedoch nicht ab. „Wir konnten auch zeigen, dass ältere Teilnehmer*innen genauso gut abschnitten wie jüngere“, betont Huff. Altersbedingte Einbußen in Gedächtnisprozessen würden vermutlich durch höheres Erfahrungswissen im Alter kompensiert.
Mehr Teilhabe durch verständliche Informationen
Das dritte zentrale Ergebnis: Bildgeschichten wurden von allen Teilnehmenden besser verstanden als reine Texte. Diese Erkenntnis ist besonders wichtig für Bildung und Information. Ob in der Schule, in der Erwachsenenbildung oder in öffentlichen Kampagnen – visuelle Erzählformen können dazu beitragen, Inhalte für alle zugänglicher zu machen. „Wir wissen aus der Spracherwerbsforschung, dass gute Erzählfähigkeiten im Vorschul- und Grundschulalter eine wichtige Basis für einen erfolgreichen Bildungsverlauf darstellen“, berichtet Prof. Natalia Gagarina und betont auch: „Visuelle Informationen können bei Erwachsenen Nach-teile beim Textverständnis möglicherweise etwas ausgleichen.“
Link zur Studie: https://www.sciencedirect.com/science/article/pii/S095947522500026X?via%3Dihub
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Das Leibniz-Institut für Wissensmedien (IWM)
Das Leibniz-Institut für Wissensmedien (IWM) in Tübingen erforscht, wie digitale Medien Wissens- und Kommunikationsprozesse beeinflussen. Die grundlagen- und anwendungsorientierte Forschung rückt neben institutionellen Lernfeldern wie Schule und Hochschule auch informelles Lernen im Internet, am Arbeitsplatz oder im Museum in den Fokus. Am IWM arbeiten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler verschiedener Disziplinen zusammen, vor allem aus der Psychologie, Kommunikationswissenschaft, Neurowissenschaft und Informatik. Das 2001 gegründete außeruniversitäre Forschungsinstitut ist Mitglied der Leibniz-Gemeinschaft. Mehr Informationen unter: www.iwm-tuebingen.de
Das Leibniz-Zentrum Allgemeine Sprachwissenschaft (ZAS)
Das ZAS ist ein außeruniversitäres Forschungsinstitut des Landes Berlin. Aufgabe des Zentrums ist die Erforschung der menschlichen Sprachfähigkeit im Allgemeinen und deren Ausprägung in Einzelsprachen. Ziel ist, diese zentrale Fähigkeit des Menschen und ihre biologischen, kognitiven und sozialen Faktoren besser zu verstehen. Mehr Informationen unter www.leibniz-zas.de
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https://main.leibniz-zas.de/
https://www.sciencedirect.com/science/article/pii/S095947522500026X?via%3Dihub
Merkmale dieser Pressemitteilung:
Journalisten, Wissenschaftler
Medien- und Kommunikationswissenschaften, Pädagogik / Bildung, Psychologie
regional
Forschungs- / Wissenstransfer, Forschungsergebnisse
Deutsch
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