idw – Informationsdienst Wissenschaft

Nachrichten, Termine, Experten

Grafik: idw-Logo
Science Video Project
idw-Abo

idw-News App:

AppStore

Google Play Store



Instanz:
Teilen: 
13.03.2025 10:27

Magnetische Strukturen schneller lesen – im Ferninfrarot

Simon Schmitt Kommunikation und Medien
Helmholtz-Zentrum Dresden-Rossendorf

    Mit Datenraten von einigen hundert Megabyte pro Sekunde bleibt der Zugriff auf die geballte digitale Information von heute noch relativ langsam. Erste Experimente zeigten bereits einen neuen vielversprechenden Ansatz: Magnetische Zustände lassen sich durch kurze Strompulse auslesen. Erst kürzlich entdeckte spintronische Effekte in zweckmäßig gewählten Materialsystemen könnten dabei bisherige Geschwindigkeitsbeschränkungen aufheben. Den Beweis für die Machbarkeit solch schneller Datenquellen liefern Forschende des HZDR und der TU Dortmund. Anstelle von elektrischem Strom verwenden sie ultrakurze Terahertz-Lichtpulse, um magnetische Strukturen innerhalb von Pikosekunden auszulesen.

    „Mit Licht lässt sich die magnetische Ausrichtung eines Materials viel schneller bestimmen als mit Strompulsen“, beschreibt Dr. Jan-Christoph Deinert vom Institut für Strahlenphysik am HZDR. Der Physiker nutzte mit seinem Team ein besonderes, für das menschliche Auge unsichtbares Licht – die sogenannte Terahertz-Strahlung. Mit einer Wellenlänge von knapp einem Millimeter liegt dieses Licht im elektromagnetischen Spektrum zwischen Wärme- und Mikrowellenstrahlung. Als Lichtquelle diente ihnen die Strahlungsquelle ELBE am HZDR. Hier erzeugen Wissenschaftler*innen unter anderem extrem kurze und intensive Terahertz-Pulse. Diese erwiesen sich als ideal, um die Magnetisierung von hauchdünnen Materialproben zu analysieren.

    Die Proben bestanden aus mindestens zwei extrem dünnen, übereinander gelagerten Schichten. Für die untere Schicht wählten die Forschenden ein magnetisches Material beispielsweise aus dem Element Kobalt oder aus einer Eisen-Nickel-Legierung. Die obere Schicht bestand aus Metallen wie Platin, Tantal oder Wolfram. Keine dieser metallischen Lagen war dabei dicker als drei Nanometer. „Nur, wenn die Schichten so dünn sind, kann das Material von einem Teil der Terahertz-Strahlung durchdrungen werden“, erklärt Deinert. Diese partielle Durchsichtigkeit – die Transparenz – ist eine zentrale Voraussetzung, um die Magnetisierung der unteren Schicht überhaupt mit Licht auslesen zu können.

    Einfaches Material, komplexer Mechanismus

    „In unseren Experimenten erzeugen die Terahertz-Blitze eine Vielzahl von Wechselwirkungen zwischen Licht und Materie“, erläutert Dr. Ruslan Salikhov vom Institut für Ionenstrahlphysik und Materialforschung am HZDR, der für die Herstellung der Proben zuständig war. Im Zusammenspiel mit weiteren optischen Kurzpulslasern konnte das Team die sehr schnellen relativistischen Quanteneffekte in den hauchdünnen Schichten sichtbar machen und entschlüsseln. Zuerst erzeugen die Terahertz-Pulse mit ihrem elektrischen Feld extrem kurzlebige elektrische Ströme in der oberen Metallschicht. Bemerkenswerterweise sortieren sich hierbei die Elektronen je nach Ausrichtung ihres Eigendrehimpulses, des Spins, und es entsteht ein Spinstrom senkrecht zu den Schichten. An der Grenzfläche zwischen den Schichten bildet sich in unmittelbarer Folge eine Anhäufung von Elektronen mit einer ganz bestimmten Spin-Ausrichtung. Und je nach Ausrichtung zwischen diesen Spins und der Magnetisierungsrichtung der unteren Schicht ändert sich der elektrische Widerstand der Grenzfläche. Die Forschenden nennen diesen Effekt unidirektionale Spin-Hall-Magnetoresistenz – kurz USMR.

    Der USMR-Effekt wurde vor wenigen Jahren von Forschenden an der ETH Zürich entdeckt. Doch das HZDR-Team ging nun einen großen Schritt weiter. Dank dieses Effekts können die Forschenden die Magnetisierungsrichtung äußerst schnell auslesen, indem sie die extrem kurzen Terahertz-Pulse nutzen. Diese sorgen dafür, dass der Spinstrom etwa eine Billion Mal pro Sekunde seine Richtung wechselt. Der elektrische Widerstand der Grenzschicht wird damit dank dem USMR-Effekt ebenfalls ultraschnell variiert. Und damit sorgt der Quanteneffekt für eine Rückkopplung auf die Terahertz-Strahlung selbst: „Je nach Ausrichtung der Magnetisierung erzeugen wir eine schnelle Fluktuation der Transparenz der Probe“, sagt Dr. Sergey Kovalev von der TU Dortmund. Und dies verändert die Terahertz-Pulse auf ganz spezifische Weise. Nach Durchdringung der Probe erhalten sie eine Oberschwingung, eine sogenannte „Zweite Harmonische“ mit der doppelten Frequenz der ursprünglichen Terahertz-Strahlung. „Genau diese Oberschwingung können wir nachweisen und damit die Magnetisierung der unteren Schicht innerhalb von Pikosekunden bestimmen“, macht Kovalev klar.

    Es wird bereits daran geforscht, die magnetisch gespeicherten Daten mit Terahertz-Strahlung nicht nur auszulesen, sondern sogar zu schreiben. Aber das Team weiß auch, dass es von diesem Erfolg der Grundlagenforschung bis zu einer ultraschnellen Festplatte noch ein sehr weiter Weg sein kann. Nötig wären dafür sowohl viel kompaktere Quellen für kurze Terahertz-Pulse als auch effiziente Sensoren für deren Analyse. Der USMR-Effekt zeigt aber, welche komplexen Mechanismen in vergleichsweise einfachen Materialsystemen hier eine wichtige Rolle spielen können.

    Publikation:
    R. Salikhov, I. Ilyakov, A. Reinold, J.-C. Deinert, T. V. A. G. de Oliveira, A. Ponomaryov, G. L. Prajapati, P. Pilch, A. Ghalgaoui, M. Koch, J. Fassbender, J. Lindner, Z. Wang, S. Kovalev: Ultrafast unidirectional spin Hall magnetoresistance driven by terahertz light field, in Nature Communications, 2025 (DOI: 10.1038/s41467-025-57432-2)

    Weitere Informationen:
    Dr. Ruslan Salikhov
    Institut für Ionenstrahlphysik und Materialforschung am HZDR
    Tel.: +49 351 260 3758 | E-Mail: r.salikhov@hzdr.de

    Jan-Christoph Deinert
    Institut für Strahlenphysik am HZDR
    Tel: +49 351 260 3626 | E-Mail: j.deinert@hzdr.de

    Medienkontakt:
    Simon Schmitt | Leitung und Pressesprecher
    Abteilung Kommunikation und Medien am HZDR
    Tel.: +49 351 260 3400 | Mobil: +49 175 874 2865 | E-Mail: s.schmitt@hzdr.de

    Das Helmholtz-Zentrum Dresden-Rossendorf (HZDR) forscht auf den Gebieten Energie, Gesundheit und Materie. Folgende Fragestellungen stehen hierbei im Fokus:
    • Wie nutzt man Energie und Ressourcen effizient, sicher und nachhaltig?
    • Wie können Krebserkrankungen besser visualisiert, charakterisiert und wirksam behandelt werden?
    • Wie verhalten sich Materie und Materialien unter dem Einfluss hoher Felder und in kleinsten Dimensionen?

    Das HZDR entwickelt und betreibt große Infrastrukturen, die auch von externen Messgästen genutzt werden: Ionenstrahlzentrum, Hochfeld-Magnetlabor Dresden und ELBE-Zentrum für Hochleistungs-Strahlenquellen.
    Es ist Mitglied der Helmholtz-Gemeinschaft, hat sechs Standorte (Dresden, Freiberg, Görlitz, Grenoble, Leipzig, Schenefeld bei Hamburg) und beschäftigt fast 1.500 Mitarbeiter*innen – davon etwa 680 Wissenschaftler*innen inklusive 200 Doktorand*innen.


    Wissenschaftliche Ansprechpartner:

    Dr. Ruslan Salikhov
    Institut für Ionenstrahlphysik und Materialforschung am HZDR
    Tel.: +49 351 260 3758 | E-Mail: r.salikhov@hzdr.de

    Jan-Christoph Deinert
    Institut für Strahlenphysik am HZDR
    Tel: +49 351 260 3626 | E-Mail: j.deinert@hzdr.de


    Originalpublikation:

    R. Salikhov, I. Ilyakov, A. Reinold, J.-C. Deinert, T. V. A. G. de Oliveira, A. Ponomaryov, G. L. Prajapati, P. Pilch, A. Ghalgaoui, M. Koch, J. Fassbender, J. Lindner, Z. Wang, S. Kovalev: Ultrafast unidirectional spin Hall magnetoresistance driven by terahertz light field, in Nature Communications, 2025 (DOI: 10.1038/s41467-025-57432-2)


    Weitere Informationen:

    https://www.hzdr.de/presse/usmr


    Bilder

    Das elektrische Feld des eintreffenden Terahertz-Pulses erzeugt extrem schnell oszillierende Ströme im Metallfilm. Der Spin-Hall-Effekt sorgt für eine Sortierung der Elektronen entsprechend ihrer Spinausrichtung.
    Das elektrische Feld des eintreffenden Terahertz-Pulses erzeugt extrem schnell oszillierende Ströme ...
    B. Schröder
    B. Schröder/HZDR


    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Journalisten
    Chemie, Informationstechnik, Physik / Astronomie, Werkstoffwissenschaften
    überregional
    Forschungsergebnisse
    Deutsch


     

    Das elektrische Feld des eintreffenden Terahertz-Pulses erzeugt extrem schnell oszillierende Ströme im Metallfilm. Der Spin-Hall-Effekt sorgt für eine Sortierung der Elektronen entsprechend ihrer Spinausrichtung.


    Zum Download

    x

    Hilfe

    Die Suche / Erweiterte Suche im idw-Archiv
    Verknüpfungen

    Sie können Suchbegriffe mit und, oder und / oder nicht verknüpfen, z. B. Philo nicht logie.

    Klammern

    Verknüpfungen können Sie mit Klammern voneinander trennen, z. B. (Philo nicht logie) oder (Psycho und logie).

    Wortgruppen

    Zusammenhängende Worte werden als Wortgruppe gesucht, wenn Sie sie in Anführungsstriche setzen, z. B. „Bundesrepublik Deutschland“.

    Auswahlkriterien

    Die Erweiterte Suche können Sie auch nutzen, ohne Suchbegriffe einzugeben. Sie orientiert sich dann an den Kriterien, die Sie ausgewählt haben (z. B. nach dem Land oder dem Sachgebiet).

    Haben Sie in einer Kategorie kein Kriterium ausgewählt, wird die gesamte Kategorie durchsucht (z.B. alle Sachgebiete oder alle Länder).