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20.03.2025 10:05

Team der TU Graz entschlüsselt Wärmeleitung komplexer Materialien

Falko Schoklitsch Kommunikation und Marketing
Technische Universität Graz

    Auf Basis selbst entwickelter Machine-Learning-Workflows konnten die Forschenden feststellen, dass die Wärmeleitung wesentlich vielschichtiger ist als bisher gedacht. Erkenntnisse bieten Potenzial für Entwicklung spezifischer Materialien.

    Komplexe Materialien wie organische Halbleiter oder die als MOFs bekannten mikroporösen Kristalle kommen bereits für zahlreiche Anwendungen wie OLED-Displays, Solarzellen, Gasspeicherung oder zur Wassergewinnung zum Einsatz. Dennoch bergen sie noch einige Geheimnisse. Eines davon war bislang, wie der Wärmetransport in ihnen im Detail vonstattengeht. Dieses Geheimnis hat das Forschungsteam von Egbert Zojer am Institut für Festkörperphysik der TU Graz in Zusammenarbeit mit Kolleg*innen von der TU Wien und der Universität Cambridge nun am Beispiel organischer Halbleiter gelüftet und damit neue Perspektiven für die Entwicklung innovativer Materialien mit maßgeschneiderten thermischen Eigenschaften eröffnet. Seine Erkenntnisse hat das Team im angesehenen Fachjournal npj Computational Materials veröffentlicht (https://doi.org/10.1038/s41524-025-01514-8).

    Wärmetransport wurde bislang vernachlässigt

    „Am Transport elektrischer Ladungen in organischen Halbleitern forschen Wissenschafter*innen bereits seit rund 40 Jahren, aber die für Wärmetransport relevanten Mechanismen hat sich nie jemand wirklich im Detail angesehen“, erklärt Egbert Zojer. „Die fundamentalen Eigenschaften von Materialien sind für uns aber sehr interessant und die Erkenntnisse, die wir zum Wärmetransport in organischen Halbleitern gewonnen haben, haben auch für viele weitere komplexe Materialien unmittelbare Relevanz. Das betrifft sowohl Materialien, bei denen eine geringe Wärmeleitfähigkeit einen großen thermoelektrischen Effekt erzielen soll, als auch Materialien, die durch hohe Wärmeleitfähigkeit effizient Wärmeenergie zu- oder abführen sollen. Dass wir den Wärmetransport nun so genau bestimmen und verstehen können, ist bisher einzigartig.“

    Gelungen ist dem Forschungsteam dieser Durchbruch, indem es Machine Learning in einem eher unüblichen Kontext genutzt hat. Statt wie üblich nach Korrelationen in empirischen Beobachtungen Ausschau zu halten, suchten die Forschenden auf Basis der von ihnen in der Vergangenheit entwickelten Strategien zum Einsatz besonders effizienter maschinengelernter Potentiale nach Kausalitäten. Dabei wollten sie herausarbeiten, wie und warum sich Wärme auf eine bestimmte Art innerhalb eines Materials verteilt. Bisherige Erklärungen für den Wärmetransport gingen auch für komplexe kristalline Materialien von einem teilchenartigen Transport von Phononen aus. Letztere sind Gitterschwingungen zugeordnete Energiepakete, deren Transport man typischerweise in Anlehnung an den Transport von Gasatomen beschreibt. Die neuen Erkenntnisse zeigen jedoch, dass ein zusätzlicher Mechanismus eine entscheidende Rolle spielt: der Tunneltransport der Phononen.

    Moleküllänge als entscheidender Faktor

    Der Tunneltransport basiert dabei auf dem Wellencharakter der atomaren Schwingungen im Festkörper und ist besonders in komplexen Materialien mit niedriger Wärmeleitfähigkeit von Bedeutung. Es hat sich gezeigt, dass dieser Transportmechanismus mit der Größe der Moleküle, die einen organischen Halbleiterkristall bilden, an Bedeutung gewinnt.

    „Man kann sich das so vorstellen, dass Wärmetransport nicht nur durch die Stöße der Schwingungsquanten bestimmt wird, sondern auch durch einen „Tunneleffekt“, der zwei getrennte Schwingungszustände miteinander koppelt“, sagt Lukas Legenstein, Mitautor der Veröffentlichung. „Diese Erkenntnis erklärt nicht nur, warum bestimmte organische Halbleiter eine ungewöhnlich geringe Temperaturabhängigkeit ihrer Wärmeleitfähigkeit aufweisen, sondern ermöglicht auch ein gezielteres Design von Materialien mit spezifischen thermischen Eigenschaften. Wir können jetzt die Wärmeleitung durch ein gezieltes Design der Molekülstruktur beeinflussen.“ In weiterer Folge möchten die Forschenden dieses neue Wissen auf die vielseitig einsetzbaren MOFs anwenden, denn für diese Materialklasse spielt Wärmetransport bei praktisch alle potenziellen Anwendungen eine noch viel größere Rolle als in organischen Halbleitern.


    Wissenschaftliche Ansprechpartner:

    Egbert ZOJER
    Univ.-Prof. Dipl.-Ing. Dr.techn.
    TU Graz | Institut für Festkörperphysik
    Tel.: +43 699 10831211
    egbert.zojer@tugraz.at


    Originalpublikation:

    Publikation: Heat transport in crystalline organic semiconductors: coexistence of phonon propagation and tunneling
    Autori*innen: Lukas Legenstein, Lukas Reicht, Sandro Wieser, Michele Simoncelli und Egbert Zojer
    Erschienen in: npj Computational Materials volume 11 (2025)
    DOI: https://doi.org/10.1038/s41524-025-01514-8


    Bilder

    Organische Solarzellen
    Organische Solarzellen
    Helmut Lunghammer
    Lunghammer - TU Graz

    Je nach Ausrichtung und Länge der Pentacen-Moleküle ist der Wärmetransport unterschiedlich effizient.
    Je nach Ausrichtung und Länge der Pentacen-Moleküle ist der Wärmetransport unterschiedlich effizient ...
    IF
    IF - TU Graz


    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Journalisten, Wirtschaftsvertreter, Wissenschaftler
    Physik / Astronomie, Werkstoffwissenschaften
    überregional
    Forschungs- / Wissenstransfer, Forschungsergebnisse
    Deutsch


     

    Organische Solarzellen


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    Je nach Ausrichtung und Länge der Pentacen-Moleküle ist der Wärmetransport unterschiedlich effizient.


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