Chemiker zeigen, wie Druck Mechanismen der Protonen-gekoppelten Elektronenübertragung offenlegt: Ein wichtiger Schritt zur Steuerung der Energiekonversion und Redoxkatalyse
Redoxreaktionen bilden die Basis vieler grundlegender Prozesse des Lebens: Ohne sie könnten weder Zellatmung noch Photosynthese stattfinden. Auch für Anwendungen in der Chemie, Biochemie oder bei der Nutzung von Licht für die Energiegewinnung spielen Redoxreaktionen eine entscheidende Rolle. Ihre grundlegenden Prinzipien zu verstehen, ist daher wichtig, um neue Technologien voranzutreiben. Einem Team um die LMU-Chemikerin Professorin Ivana Ivanović-Burmazović, Mitglied im Exzellenzcluster e-Conversion, und Professor Dirk Guldi (FAU Erlangen-Nürnberg) ist es nun mithilfe einer innovativen Methode erstmals gelungen, zwischen zwei zusammenhängenden Reaktionsmechanismen zu unterscheiden. Ihr Werkzeug: hoher Druck.
Balance zwischen Elektronen und Protonen
Bei Redoxreaktionen werden Elektronen zwischen Molekülen übertragen. Da Elektronen eine negative Ladung tragen, kann sich dadurch die Ladung der Reaktionspartner ändern, was energetisch ungünstig ist. Um dies zu vermeiden, hat die Natur eine elegante Lösung gefunden: Oft wird die Übertragung von Elektronen an die von positiv geladenen Protonen gekoppelt. Bei dieser sogenannten Protonen-gekoppelten Elektronenübertragung (PCET) entsteht keine Ladungsänderung – der effizienteste Mechanismus, um eine Redoxreaktion ablaufen zu lassen.
Dabei gibt es zwei mögliche Mechanismen: Entweder werden Elektronen und Protonen gleichzeitig („konzertiert“) übertragen oder die Übertragung erfolgt stufenweise, also getrennt nach Elektronen und Protonen. „Um diese Prozesse optimieren zu können, muss man die genauen Mechanismen kennen“, sagt Ivanović-Burmazović. „Bisher gab es allerdings keine direkte Methode, um die beiden Möglichkeiten zweifelsfrei zu unterscheiden. Hier setzt unsere Arbeit an.“
Druck als Schlüssel
Für ihre Studie untersuchten die Forschenden den Einfluss von Druck auf die sehr schnelle (innerhalb von Nanosekunden) lichtinduzierte Reaktion eines photosensitiven Moleküls in Lösung. Von diesem Molekül war bereits bekannt, dass es sowohl Protonen als auch Elektronen auf entsprechende Akzeptormoleküle überträgt – der genaue Ablauf dieser Prozesse, also der Mechanismus, war aber noch ungeklärt. „Unsere Ergebnisse zeigen: Den Effekt von Druck auf die Reaktionsgeschwindigkeit zu messen ermöglicht direkte Rückschlüsse auf die Mechanismen“, erklärt Ivanović-Burmazović.
Wird hoher Druck – im Experiment bis zu 1.200 Atmosphären – angelegt und die Reaktionsgeschwindigkeit bleibt unverändert, handelt es sich um eine konzertierte Reaktion. „Wenn Elektronen und Protonen gleichzeitig übertragen werden, ändert sich weder die Ladung noch die damit verbundene Solvatationssphäre, also die Anordnung der Lösungsmittelmoleküle rund um die Moleküle. Deswegen hat Druck keinen Einfluss auf die Reaktionsgeschwindigkeit – ein eindeutiges Zeichen für einen konzertierten Mechanismus“, erläutert Ivanović-Burmazović. Verändert sich die Geschwindigkeit jedoch, deutet dies auf Ladungsänderungen hin und auf eine Änderung des Volumens der Solvatationssphäre – ein Hinweis auf den stufenweisen Ablauf.
Zu ihrer Überraschung konnten die Forschenden zudem nicht nur die Art des Mechanismus bestimmen, sondern den Prozess auch beeinflussen: „Indem wir den Druck erhöhten, konnten wir die Reaktion von einem stufenweisen Mechanismus in Richtung eines konzertierten Mechanismus lenken“, sagt Ivanović-Burmazović.
Die neuen Erkenntnisse sind von grundlegender Bedeutung für zahlreiche Forschungsbereiche, die sich mit der Bewegung von Elektronen und Protonen befassen, betonen die Autoren. Sie bieten nicht nur neue Einblicke in grundlegende chemische Prozesse, sondern könnten auch dazu beitragen, neue Technologien im Zusammenhang mit der Umwandlung und Speicherung chemischer Energie voranzutreiben – beispielsweise in der Redoxkatalyse zur Erzeugung solarer Brennstoffe oder zur Wasserstoffproduktion.
Prof. Ivana Ivanović-Burmazović
Chair of Inorganic Chemistry – Bioinorganic Chemistry and Coordination Chemistry
Department of Chemistry, LMU München
Tel: +49 89 2180-77406 (secretary)
Ivana.Ivanovic-Burmazovic@cup.uni-muenchen.de
https://ivanovic.cup.uni-muenchen.de/prof-dr-ivana-ivanovic-burmazovic/
Daniel Langford, Robin Rohr, Stefan Bauroth, Achim Zahl, Alicja Franke, Ivana Ivanović-Burmazović and Dirk M. Guldi: High-pressure pump–probe experiments reveal the mechanism of excited-state proton-coupled electron transfer and a shift from stepwise to concerted pathways. Nature Chemistry 2025
https://doi.org/10.1038/s41557-025-01772-5
Merkmale dieser Pressemitteilung:
Journalisten
Chemie
überregional
Forschungsergebnisse
Deutsch
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