21.03.2025/Kiel/Rønne. Dass die Ostsee mit Munitionsrückständen aus vergangenen Kriegen belastet ist, ist bekannt. Doch wo genau welche Kampfmittel liegen und in welchem Zustand sie nach Jahrzehnten im Wasser sind, dazu gibt es noch viele Fragen. Drei große Projekte auf nationaler, baltischer und europäischer Ebene haben aktuell zum Ziel, vorhandenes Wissen zusammenzutragen und Technologien zu entwickeln, um Altmunition unter Wasser sicher zu identifizieren. Das GEOMAR beteiligt sich daran mit drei Ostsee-Expeditionen. Die erste Fahrt ist jetzt gestartet. Untersuchungsschwerpunkte sind Seegebiete am Ausgang der Flensburger Förde / Kleiner Belt, westlich von Bornholm und die Lübecker Bucht.
Heute gehen sie alle ins Wasser: ALBERT, TIFFY und KÄPT’N BLAUBÄR. Die zwei autonomen Unterwasserdrohnen und der kleine blaue ferngesteuerte Roboter des GEOMAR werden auf Erkundungsfahrt in die Gewässer südwestlich von Bornholm geschickt. Nicht ganz einfach bei reichlich Wind. Der weht eigentlich immer rund um die Insel mitten in der Ostsee zwischen Schweden, Dänemark, Polen und Deutschland, weshalb Bornholm auch zu einem Windenergiezentrum ausgebaut werden soll. Für die geplanten Offshore-Windparks laufen derzeit die Umweltverträglichkeitsprüfungen. Eine wichtige Frage: Welche Rolle spielt marine Munition dabei und zwar insbesondere das Vorkommen von chemischer Munition? Welche Messungen, welche Daten braucht es, um Risiken abzuschätzen und Entscheidungen zu treffen?
MUNI-RISK: Die richtigen Fragen stellen
Die Entwicklung entsprechender Leitlinien ist eine der Aufgaben in dem Projekt MUNI-RISK (Mitigation of Risks Due to Submerged Munitions for a Sustainable Development of the Baltic Sea, Minderung der Risiken durch versenkte Munition für eine nachhaltige Entwicklung der Ostsee). Seit Ende vergangenen Jahres arbeiten Fachleute verschiedener Forschungsrichtungen in dem EU-Projekt unter Leitung der Universität Aarhus daran, konkrete Werkzeuge und Leitlinien zu entwickeln, mit denen die Anrainerstaaten Munitionsrisiken besser bewerten können.
Dafür kooperiert das Projekt mit örtlichen Behörden, Umweltagenturen und Fachleuten aus Wirtschaft und Industrie. So auch auf Bornholm, wo sich am Dienstag [18.03.2025] lokale Stakeholder auf der ALKOR zum Gespräch mit den Wissenschaftlern trafen. „Wir wollen wissen, was die Menschen im Hinblick auf Munition im Meer beschäftigt. Welche Fragen muss die Wissenschaft aus ihrer Sicht beantworten?“, erklärt Projektleiter Dr. Hans Sanderson, Experte für Umwelt- und Klimarisiken an der Universität Aarhus. Diese Fragen stellen die Forschenden nicht nur auf der dänischen Insel, sondern auch in Estland und Polen, wo ebenfalls Windparks geplant sind und versenkte Munition ein mögliches Risiko darstellt.
Unterwasserroboter auf Tauchstation im Verdachtsgebiet
Die Ausfahrt AL628 ist die erste von drei Expeditionen, auf denen Daten für drei zentrale Munitions-Projekte gewonnen werden: Für CONMAR, das den Umgang mit Munition in deutschen Gewässern untersucht, für MUNI-RISK, das die gesamte Ostsee in den Blick nimmt und für MMinE-SwEEPER, in dem neun Länder das Thema europaweit erforschen. Neben den wissenschaftlichen und technologischen Zielen – Erfassung von Munitionskontamination und der Weiterentwicklung autonomer Kartierungstechnologien und Analysemethoden – fördert die Ausfahrt die internationale Zusammenarbeit.
„Wir sind auf den Austausch von Wissen und Daten angewiesen“, sagt Fahrtleiter Prof. Dr. Jens Greinert, Meeresgeologe und Experte für Munitionsaltlasten am GEOMAR, „wo könnten Altlasten liegen?“ Ein Blick auf das Meer rund um das Schiff macht das absolut nachvollziehbar: Wo sollte man anfangen zu suchen? Und selbst wenn Hinweise vorliegen, ist die Suche aufwendig und oft langwierig.
Für das Gebiet südwestlich von Bornholm gab es solche Hinweise. Jens Greinert: „Auf der anderen Seite der Insel wurde 1947 chemische Munition versenkt, und hier ist eine so genannte relocation area. Wenn Fischer in der Vergangenheit Überreste von chemischen Kampfstoffen in ihrem Fang hatten, wurden sie angewiesen, diese hier wieder zu versenken.“
KÄPT'N BLAUBÄR liefert Live-Bilder vom Meeresboden
Und in diesem Gebiet scannen die Unterwasserdrohnen ALBERT und TIFFY nun den Meeresboden. Mit KÄPT’N BLAUBÄRs Kamera kann die Wissenschaftscrew live beobachten, wie es unten aussieht: Viele Steine, aber keine Spur von Überresten chemischer Munition. Auch die chemische Analyse der Wasserproben gibt keinerlei Hinweise auf Explosivstoffe. „Das ist doch eine gute Nachricht“, resümiert Greinert.
Als nächstes steuert die ALKOR die Munitionsversenkungsgebiete in der Lübecker Bucht an, wo Forschende vom polnischen Institut IOPAN sowie die deutsche Bundespolizei mit an Bord kommen. Dann geht es noch weiter vor die Küste von Boltenhagen, wo nach dem Zweiten Weltkrieg eine Schute mit konventioneller Munition versenkt wurde. Der auf dem Meeresboden liegende Inhalt der Schute soll ab Juni durch eine Kampfmittelräumfirma aus Rostock geräumt werden.
Die nächste Expedition ist für Oktober 2025 geplant. Dann wird der Schwerpunkt auf der Untersuchung von chemischen Kampfstoffen in polnischen Gewässern liegen.
Hintergrund: Munitionsbelastung der Ostsee
Geschätzte 40.000 Tonnen chemischer Munition und mehr als eine Million Tonnen konventioneller Munition liegen seit den Weltkriegen auf dem Meeresboden der Ostsee. Die Forschung zu diesen Altlasten ist komplex, das beginnt schon mit der Kartierung von Munitionsversenkungsgebieten und Orten von Kampfhandlungen. Bislang fehlen zuverlässige Technologien, um gefährliche Objekte automatisiert zu erkennen und ihr Gefährdungspotenzial genau einzuschätzen. Die Expeditionen mit dem Forschungsschiff ALKOR sollen dazu beitragen, Daten zu gewinnen, um solche Techniken weiterzuentwickeln, die Umweltauswirkungen von Munitionsaltlasten in der Ostsee besser zu verstehen und langfristig Lösungen für einen sicheren Umgang damit zu finden.
Hintergrund: MUNI-RISK
Das EU-geförderte Projekt MUNI-RISK untersucht die Risiken, die von versenkter Altmunition in der Ostsee ausgehen, und entwickelt Strategien für einen sicheren Umgang damit. Ziel ist es, besonders belastete Gebiete zu identifizieren und wissenschaftlich fundierte Maßnahmen zur Sanierung zu fördern. Dafür bündelt MUNI-RISK Daten aus den Ostsee-Anrainerstaaten, schließt Wissenslücken und unterstützt eine risikobasierte Bewertung von Munitionsaltlasten. Das Projekt liefert Methoden, um Unterwassermunition in Umweltverträglichkeitsprüfungen einzubeziehen und stellt Behörden sowie der Industrie praxisnahe Leitlinien zur Verfügung. Dadurch trägt MUNI-RISK zur sicheren Nutzung der Ostsee bei, etwa für Fischerei oder den Bau von Offshore-Windparks. Die entwickelten Konzepte sollen auch auf andere Meeresgebiete, wie das Schwarze Meer, übertragbar sein.
http://www.geomar.de/n9795 Bildmaterial zum Download
https://muni-risk.eu/ MUNI-RISK
https://conmar-munition.eu/de/ CONMAR
https://mminesweeper-munition.eu/ MMinE-SwEEPER
Merkmale dieser Pressemitteilung:
Journalisten
Biologie, Chemie, Geowissenschaften, Meer / Klima, Umwelt / Ökologie
überregional
Forschungsprojekte
Deutsch
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