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26.08.2004 11:45

Sudan: Was kommt nach der 30-Tage-Frist der Vereinten Nationen?

Susanne Heinke Public Relations
Bonn International Center for Conversion (BICC)

    Am 30. August 2004 endet das Waffenembargo des VN-Sicherheitsrates gegen alle nicht-staatlichen bewaffneten Gruppen, die in der Region Darfur im westlichen Sudan operieren. Kommt der Sicherheitsrat zu dem Schluss, dass sich die Situation in Darfur bis dahin nicht verbessert hat, sollten die Vereinten Nationen nach Ansicht der Experten des BICC (Internationales Konversionszentrum Bonn) gezielte Sanktionen beschließen. BICC-Wissenschaftler, die die Embargopraxis der VN seit längerem auf ihre Erfolgsaussichten untersuchen, empfehlen neben einem streng kontrollierten Waffenembargo u.a. Reise-, Finanz- und Wirtschaftssanktionen.

    Am 30. Juli 2004 verhängte der UN-Sicherheitsrat für 30 Tage ein Waffenembargo gegen die bewaffneten Paramilitärs in Darfur. Weitere Maßnahmen wurden angedroht, falls die Regierung des Sudan es in diesem Zeitraum nicht schafft, die Janhaweed Milizen in Darfur zu entwaffnen und die Verantwortlichen für schwere Menschenrechtsverletzungen vor Gericht zu stellen. Damit gemeint sind die im Artikel 41 der Charta der Vereinten Nationen vorgesehenen Sanktionen wie die Unterbrechung von Handel oder anderweitiger Kommunikation zwischen Staaten.

    Es ist jedoch nicht zu erwarten, dass Sanktionen einen schnellen Politikwechsel im Sudan bewirken werden. "Die Erfahrung zeigt, dass Sanktionen Zeit brauchen, um effektiv zu sein. Ihre Wirksamkeit wird vor allem dadurch erhöht, wenn sie Teil einer konsequenten politischen Gesamtstrategie der internationalen Staatengemeinschaft sind", mahnt Dr. Michael Brzoska, wissenschaftlicher Leiter und Sanktionsexperte am BICC.

    Nach den Erfahrungen der BICC-Experten sollte ein Sanktionsregime für den Sudan folgende Elemente umfassen:

    - Das VN-Waffenembargo wird auf den Staat Sudan erweitert. In der Vergangenheit war die sudanesische Regierung selbst einer der wichtigsten Waffenlieferanten der Janjaweed Milizen. Die Anfang Juli zugesagte Entwaffnung dieser Gruppen ist weitgehend ausgeblieben und nach Ansicht vieler Nicht-Regierungsorganisationen dauert die staatliche Unterstützung der Milizen unvermindert an.

    Die Europäische Union hat bereits vor zehn Jahren ein Waffenembargo über Khartum verhängt. "Ein UN-Embargo könnte nun zu einem Ende der Lieferungen aus dem Iran und China - beides traditionelle Zulieferungsländer in den Sudan - führen", hofft Marc von Boemcken, Mitarbeiter am BICC-Sanktionenprojekt. Als Einzelmaßnahme wird das Embargo jedoch nicht alle Waffenlieferungen beenden können.

    - Ergänzende Maßnahmen könnten sich am Beispiel des VN-Waffenembargos gegen nicht-staatliche Akteure in Teilen der Demokratischen Republik Kongo orientieren, das folgende drei Stufen beinhaltet:

    a) Internationale Militärbeobachter in der Region erhalten das Mandat, die Einhaltung des Waffenembargos zu überwachen und mögliche Verstöße zu ermitteln. Um diese Aufgabe wahrnehmen zu können, müsste die Zahl der Militärbeobachter deutlich erhöht werden.

    b) Zusätzlich setzt der Sicherheitsrat eine unabhängige Expertengruppe ein, um Verstöße gegen das Waffenembargo eingehend zu untersuchen und dem Sicherheitsrat zu berichten.

    c) Ein Sanktionskomitee erarbeitet auf Grundlage sowohl der Berichte der Militärbeobachter als auch der Expertengruppe Vorschläge zur Verbesserung der Effektivität des Waffenembargos.

    - Der Sicherheitsrat sollte zusätzlich auch Reisebeschränkungen beschließen. Sie sollten insbesondere gegen Personen in der höchsten Regierungsebene sowie ihre unmittelbaren Unterstützer verhängt werden.

    Reisebeschränkungen stellen zwar in der Regel nicht mehr als eine "Unannehmlichkeit" für die Zielpersonen dar. Dafür sind sie aber verhältnismäßig billig und einfach umzusetzen. Im Fall von Libyen hatten Reisesanktionen in der Tat Einfluss auf die Bereitwilligkeit der politischen Führungsebene des Landes zum Politikwechsel. Im Sudan würden sie die interne Opposition unterstützen, der es weiterhin erlaubt wäre, ohne Einschränkungen zu reisen.

    - Eine weitere nützliche Maßnahme ist das Einfrieren von Vermögenswerten im Ausland von hochrangigen Regierungsangehörigen und Personen in deren unmittelbaren Umgebung. Es ist zwar nicht bekannt, in welchem Maße die sudanesische Führung über Bankkonten und anderes Kapital im Ausland verfügt, aber es dürfte sich um nennenswerte Beträge handeln. Das Einfrieren dieser Vermögen würde als Sanktion die Führungsebene und nicht das Volk treffen.

    - Für den Fall, dass die Regierung des Sudan auch nach einer weiteren angemessenen Zeitspanne ihren Verpflichtungen nicht nachkommt, sollte der VN-Sicherheitsrat darüber hinaus auch ein Importverbot für sudanesisches Öl sowie das Einfrieren der Vermögenswerte staatlicher Stellen beschließen. Diese Sanktionen würden erhebliche Auswirkungen im Sudan haben. Ohne Ölexporte würden die Deviseneinkünfte des Sudan sinken, was - ebenso wie das Einfrieren aller öffentlichen Vermögenswerte - einen negativen Effekt auf die sudanesische Wirtschaft hätte.

    Trotz der Analyse der Sanktionsmöglichkeiten sind die BICC-Experten skeptisch. "Weder für sich alleine genommen noch in Kombination miteinander kann von diesen Maßnahmen erwartet werden, das Leiden der Bevölkerung im westlichen Sudan kurzfristig zu beenden," räumt Michael Brzoska ein. Die Situation wird schon allein dadurch erschwert, dass schwarze und graue Waffenmärkte gerade in Afrika besonders ausgeprägt sind. Und auch wenn die vorgeschlagenen Sanktionen greifen, ist nicht damit zu rechnen, dass der Regierung des Sudan kurzfristig Waffen und Munition ausgehen werden. Sie hält nicht nur große Mengen davon in Reserve, sondern ist auch selber Produzent.

    Eine Wende kann nur eine konsequente und zielstrebige Politik der internationalen Gemeinschaft - vor allem der Afrikanischen Union und der Vereinten Nationen - bringen. Sanktionen können dabei vor allem mittelfristig als wirkungsvolles Instrument dienen.

    Weitere Informationen:
    Susanne Heinke
    Tel.: 0228/911 96-44
    Fax: 0228/24 12 15
    E-Mail: pr@bicc.de


    Weitere Informationen:

    http://www.bicc.de


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    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Gesellschaft, Politik, Recht
    überregional
    Forschungsprojekte, Wissenschaftspolitik
    Deutsch


     

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