Forschende steuern mit Lichtreizen die Form von Zellen und entwickeln ein Modell, das die Mechanismen erklärt – mit Implikationen für die synthetische Biologie.
Eine wesentliche Eigenschaft aller lebenden Organismen ist, dass Zellen ihre Form dynamisch ändern können – ansonsten würden fundamentale Prozesse wie die Zellteilung nicht funktionieren. Einem internationalen Team um den LMU-Physiker Professor Erwin Frey, Inhaber des Lehrstuhls für Statistische und Biologische Physik und Mitglied im Exzellenzcluster ORIGINS, und Professorin Nikta Fakhri vom Massachusetts Institute of Technology (USA) ist es nun durch die Kombination experimenteller und theoretischer Methoden erstmals gelungen, die Mechanismen zu entschlüsseln, mit denen Zellen ihre Form als Reaktion auf Umwelteinflüsse dynamisch verändern – und diesen Prozess von außen zu steuern.
Frühere Studien hatten bereits gezeigt, dass bei der Festlegung der Zellform die Bildung biologischer Muster durch sich selbst organisierende Proteine eine entscheidende Rolle spielt. Die Forschenden untersuchten dieses komplexe Netzwerk am Beispiel der Eizellen des Seesterns Patiria miniata, die während ihrer Teilung eine charakteristische Formänderung durchlaufen.
Verformungen bis zur quadratischen Zelle
Getrieben wird diese Formänderung von zwei Enzymen: Der kleinen GTPase Rho und ihrem Aktivierungsenzym GEF. Indem sie einen mit Licht steuerbaren molekularen Schalter in GEF einbauten, gelang es den Forschenden, die Formänderungen der Eizellen gezielt optogenetisch zu beeinflussen. „Mit diesen Schalter konnten wir die Proteinverteilung in der Zelle durch Lichtreize beliebig modulieren, was zu Verformungen führte“, sagt Tom Burkart, der Erstautor der Studie. „So haben wir eine große Bandbreite an Varianten erzeugt – von lokalen Eindellungen bis hin zu einer eindrücklichen Verformung zu einer quadratischen Zelle.“
Anschließend entwickelten die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler ein theoretisches Modell, das beschreibt, wie der optische Reiz über chemische und mechanische Wechselwirkungen eine Formänderung der Zelle auslöst. Dabei identifizierten sie zwei zentrale Mechanismen: zum einen sogenannte „geführte Deformationen“, bei denen Formveränderungen lokal begrenzt bleiben, sowie „ungeführte Deformationen“, die sich durch Selbstorganisation in der gesamten Zelle ausbreiten. „Unsere Ergebnisse zeigen, dass lebende Zellen deutlich vielseitiger sind als bisher angenommen“, sagt Frey. „Diese Erkenntnisse könnten weitreichende Implikationen für die Entwicklung synthetischer Zellen und biomimetischer Materialien haben und neue Möglichkeiten für synthetische Biologie und zellbasierte Technologien eröffnen.“
Prof. Dr. Erwin Frey
Fakultät für Physik
Ludwig-Maximilians-Universität München
Tel.: +49 (0)89 2180-4538
E-Mail: frey@lmu.de
Jinghui Liu, Tom Burkart, Alexander Ziepke, John Reinhard, Yu-Chen Chao, Tzer Han Tan, S. Zachary Swartz, Erwin Frey, Nikta Fakhri: Light-induced cortical excitability reveals programmable shape dynamics in starfish oocytes. Nature Physics 2025.
https://doi.org/10.1038/s41567-025-02807-x
Merkmale dieser Pressemitteilung:
Journalisten
Biologie, Chemie, Physik / Astronomie
überregional
Forschungsergebnisse, Wissenschaftliche Publikationen
Deutsch
Sie können Suchbegriffe mit und, oder und / oder nicht verknüpfen, z. B. Philo nicht logie.
Verknüpfungen können Sie mit Klammern voneinander trennen, z. B. (Philo nicht logie) oder (Psycho und logie).
Zusammenhängende Worte werden als Wortgruppe gesucht, wenn Sie sie in Anführungsstriche setzen, z. B. „Bundesrepublik Deutschland“.
Die Erweiterte Suche können Sie auch nutzen, ohne Suchbegriffe einzugeben. Sie orientiert sich dann an den Kriterien, die Sie ausgewählt haben (z. B. nach dem Land oder dem Sachgebiet).
Haben Sie in einer Kategorie kein Kriterium ausgewählt, wird die gesamte Kategorie durchsucht (z.B. alle Sachgebiete oder alle Länder).