Universität Hohenheim reduziert CO2-Emissionen um knapp 10 % und plant Agri-Photovoltaik-Anlagen für Forschung & nachhaltige Energieversorgung
Die Universität Hohenheim in Stuttgart hat ihre Treibhausgasemissionen zum zweiten Mal detailliert analysiert. Im Vergleich zu 2019 verringert sich der Fußabdruck im Jahr 2023 um knapp 10 %. Hauptgrund sind erfolgreiche Energiesparmaßnahmen, insbesondere beim Heizen. Weitere Einsparungen sollen folgen: Dabei unterstützt u.a. das 2024 neu gegründete Green Office der Universität. Wegweisende Forschungsergebnisse – und einen großen Sprung in Sachen klimafreundliche Energieversorgung könnten bald auch zwei neue Versuchsanlagen für Agri-Photovoltaik an der Versuchsstation Agrarwissenschaft in Stuttgart-Plieningen und Renningen bringen.
In Sachen Treibhausgas-Bilanzierung gehört die Universität Hohenheim zu den absoluten Pionierinnen: Bereits vor zwei Jahren veröffentlichte sie unter Federführung des Fachgebiets "Nachwachsende Rohstoffe in der Bioökonomie" (Prof. Dr. Iris Lewandowski) eine umfassende Analyse ihres CO2-Fußabdrucks – als eine der ersten Hochschulen in Deutschland.
Damals lag der Fokus auf dem Jahr 2019 – dem letzten Vor-Corona-Jahr und einem wichtigen Vergleichspunkt für künftige Berechnungen. Der nun veröffentlichte Bericht analysiert die klimarelevanten Emissionen für 2023. Und das Ergebnis kann sich sehen lassen: Im Vergleich zu 2019 sanken die Emissionen um 9,7 % auf insgesamt 27.026 Tonnen CO2-Äquivalente.
Erfasst wurden dabei nicht nur Treibhausgase, die direkt auf dem Campus freigesetzt werden, etwa durch das uni-eigene Heizwerk, sondern auch indirekte Emissionen. Dazu zählen u.a. der Pendelverkehr zum Campus, Dienstreisen, die Herstellung und der Transport eingekaufter Waren und Dienstleistungen sowie die Förderung benötigter Rohstoffe.
Neben CO2 berücksichtigt die Bilanz auch andere klimarelevante Gase wie Methan, das von Kühen auf der Versuchsstation Agrarwissenschaft ausgeschieden wird, oder Kältemittel aus Klimaanlagen. Um eine einheitliche Vergleichsbasis zu schaffen, werden diese in CO2-Äquivalente umgerechnet.
Ergebnisse im Überblick
Eine interaktive Grafik zeigt die Ergebnisse der Treibhausgasbilanzierung im Überblick:
https://t1p.de/thg-bilanz-2023
Die 5 größten Einzelfaktoren der Treibhausgasbilanzierung 2023 und die prozentuale Veränderung im Vergleich zu 2019:
- Stationäre Verbrennung (Heizwerk, Blockheizkraftwerk): 8.728 t CO2-Äquivalente (-29 %)
- Pendeln zum Campus: 3.762 t CO2-Äquivalente (+35 %) *
- Dienstreisen: 3.398 t CO2-Äquivalente (kaum Veränderung)
- Eingekaufte Waren und Dienstleistungen: 2.206 t CO2-Äquivalente (-36 %)
- Vorkette Energie (z.B. Förderung und Transport fossiler Rohstoffe): 2.103 t CO2-Äquivalente (-27 %)
*) Der Anstieg der Emissionen, die durch das Pendeln zum Campus verursacht wurden, resultiert unter anderem aus einer geänderten Berechnungsmethode, bei der ein höherer Emissionsfaktor für PKW-Fahrten angewendet wurde (siehe: "Neue Faktoren fließen in die Berechnung ein"), sowie aus einer gestiegenen Anzahl von Universitätsangehörigen. Der Wert stellt eine Schätzung dar (siehe: "Unterschiedliche Datenqualität").
Unterschiedliche Datenqualität
Einige Bereiche der Bilanzierung spiegeln die tatsächlich verursachten Emissionen sehr genau wider. Dazu zählt insbesondere der Bereich „Energie“, der den größten Einzelfaktor am CO2-Fußabdruck ausmacht.
In anderen Bereichen fehlen jedoch präzise Daten, etwa bei den eingekauften Waren und Dienstleistungen. Hier erfolgt die Schätzung anhand monetärer Daten: Die Ausgaben der Universität wurden dazu kategorisiert (z. B. Chemikalien, Verbrauchsmaterialien, IT-Dienste) und mit spezifischen Emissionsfaktoren pro investiertem Euro multipliziert.
„In manchen Bereichen können wir zwar detaillierte Daten erheben, doch der Aufwand ist so hoch, dass eine Aktualisierung voraussichtlich nur alle paar Jahre geleistet werden kann“, ergänzt Valentin Schlecht vom Fachgebiet Nachwachsende Rohstoffe in der Bioökonomie, der die Treibhausgasbilanzierung durchgeführt hat.
Das gilt beispielsweise für die Emissionen der Versuchsstation Agrarwissenschaft, die zuletzt vor zwei Jahren ermittelt wurden, aber auch für das Mobilitätsverhalten der Uni-Angehörigen auf dem Weg zum Campus.
„Die letzte Mobilitäts-Befragung liegt inzwischen bereits zehn Jahre zurück. Dadurch bleibt unsere Abschätzung in diesem Bereich leider ungenau. Homeoffice, Parkgebühren und andere Faktoren haben das Pendelverhalten vermutlich stark verändert. Diese Unsicherheit haben wir im Bericht transparent gemacht und eine Variante mit Risikopuffer ergänzt. Für die Zukunft strebt die Universität eine regelmäßige Aktualisierung dieser Daten an“, so Schlecht.
Ab sofort für alle Hochschulen verpflichtend
Ab 2025 sind jährliche Treibhausgas-Bilanzierungen für alle Hochschulen in Baden-Württemberg Pflicht. Hintergrund dafür ist das Klimaschutzgesetz des Landes. Das ehrgeizige Ziel: Die gesamte Landesverwaltung – einschließlich der Hochschulen – soll bis 2030 netto-treibhausgasneutral werden.
Um eine einheitliche Vorgehensweise zu entwickeln und die Hochschulen mit einem gemeinsamen Tool zu unterstützen, rief das Wissenschaftsministerium vor rund zwei Jahren einen Arbeitskreis ins Leben. Die Universität Hohenheim und das Karlsruher Institut für Technologie (KIT) bringen dabei als Vertreter der Universitäten ihre fachliche Expertise ein.
„Dank der Erfahrungen aus unserem Pilotprojekt an der Universität Hohenheim konnten wir eine aktive Rolle übernehmen und wichtige Impulse setzen“, berichtet Valentin Schlecht. „Die Vorschläge des Arbeitskreises werden derzeit von der Landesregierung geprüft. Eine verbindliche Richtlinie für die Bilanzierung wird in den kommenden Monaten erwartet.“
Neue Faktoren fließen in die Bilanzierung ein
Die aktuelle Treibhausgas-Bilanzierung der Universität Hohenheim setzt die Empfehlungen des Arbeitskreises bereits um und unterscheidet sich deshalb in einigen Punkten von der ersten Bilanzierung für das Jahr 2019.
So wurden beispielsweise einzelne Emissionsfaktoren aktualisiert und angepasst, um eine Einheitlichkeit zwischen den verschiedenen Hochschularten herzustellen (betrifft z.B. Emissionen für PKW-Verkehr, s.o.). Außerdem wurden zusätzliche Emissionsquellen, etwa die Mensa oder Auslandsaufenthalte von Studierenden, als nachrichtliche Ergänzungen in den Bericht mit aufgenommen.
„Alle Änderungen haben wir in unserem Bericht detailliert dokumentiert. Trotz der punktuellen Anpassungen bleibt eine Vergleichbarkeit mit der Bilanzierung von 2019 unterm Strich erhalten“, so Valentin Schlecht.
Reduktion der Treibhausgase als eines von mehreren Nachhaltigkeitszielen
Prof. Dr. Caroline Ruiner, Prorektorin für Digitale Transformation und Nachhaltigkeit, sieht die jährliche Treibhausgas-Bilanzierung als wertvolles Instrument, um die Universität Hohenheim in Bezug auf Nachhaltigkeit gezielt weiterzuentwickeln: „Wir begrüßen das Engagement des Landes in diesem Bereich ausdrücklich und der hochschulübergreifende Austausch ist für uns äußerst wertvoll. Einen Punkt dürfen wir jedoch nicht vergessen: Forschung ist energieintensiv. Daher ist es wichtig, dass alle Möglichkeiten einer nachhaltigen Gestaltung der Universität aufgegriffen werden."
Aufgrund der unterschiedlichen Hochschulprofile verbiete sich aus Sicht der Prorektorin zudem ein 1:1-Vergleich bei den Klimabilanzierungen: "Agrarwissenschaften haben beispielsweise naturgemäß einen höheren CO2-Fußabdruck als Geistes-, Sozial- und Wirtschaftswissenschaften. Dennoch leisten wir gerade durch diese Forschung einen sehr wichtigen Beitrag zum Thema Nachhaltigkeit. Denn unsere Forschung zielt u.a. darauf ab, die Produktion von Nahrungsmitteln klimafreundlich zu gestalten und Biodiversität zu erhalten."
Die Reduktion von Treibhausgasen auf dem Campus sei eines von mehreren Zielen innerhalb einer umfassenderen Nachhaltigkeitsstrategie der Universität, die sich gerade in der Entwicklung befindet: "Einen zentralen Impact können wir in den Bereichen Forschung, Lehre und Transfer erzielen. Doch neben den großen Stellschrauben kümmern wir uns auch um kleinere Maßnahmen im Alltag – von bewussterem Energieverbrauch bis hin zu nachhaltiger Mobilität. Denn auch diese können in der Summe eine große Wirkung entfalten“, fasst Prof. Dr. Ruiner zusammen.
Uni-Angehörige werden zu Nachhaltigkeits-Akteuren
Auch wenn sich alle Hochschulen dem Ziel der Emissionsverringerung verpflichtet fühlen, hält die Prorektorin pauschale Einsparvorgaben für keine gute Idee: „Alle Hochschulen sind jetzt gefragt, eine jeweils eigene Nachhaltigkeitsstrategie zu entwickeln und konsequent umzusetzen. Wir tun dies mit Hilfe unseres 2024 neu eingerichteten Green Office und des zugehörigen Green Boards (strategische Einheit). Die Treibhausgas-Bilanzierung ist dabei eine wertvolle Hilfe, um Herausforderungen sichtbar und Fortschritte messbar zu machen."
Auch Forschende, Studierende oder Beschäftigte aus der Verwaltung, die aktiv zu einer nachhaltigen Universität beitragen wollen, sind herzlich zur Mitwirkung eingeladen: Fünf offene Arbeitsgruppen – die sogenannten "Green Teams" – unterstützen das Green Office dabei, Nachhaltigkeit in allen relevanten Handlungsfeldern zu verankern und voranzubringen.
Die Green Teams konzentrieren sich dabei auf folgende Themenschwerpunkte:
• Studium & Lehre
• Betrieb & Infrastruktur
• Forschung & Innovation
• Governance & Struktur
• Kultur & Transfer
Weitere Informationen zum Thema gibt es auf der Webseite des Green Office.
Universität hofft auf Unterstützung bei Agri-PV-Projekten
"Gleichzeitig gilt: Nicht in allen Bereichen können die Universitäten selbst aktiv werden", ergänzt Kanzlerin Dr. Katrin Scheffer. "Besonders entscheidend, um die Klimaziele des Landes zu erreichen, sind überfällige Modernisierungen an unseren Gebäuden und der technischen Infrastruktur sowie der Ausbau erneuerbarer Energien auf dem Campus. Hier sind wir auf die Unterstützung des Landes und auf andere Akteure angewiesen.“
Umso mehr freut sich die Kanzlerin, dass zwei Agri-Photovoltaik-Projekte, die sich bereits seit mehreren Jahren in Planung befinden, voraussichtlich in Kürze realisiert werden können. Vorgesehene Standorte für die Forschungsanlagen sind die Versuchsfelder des Heidfeldhofs in Plieningen (Campus-Nähe) sowie des Ihinger Hof in Renningen.
Der innovative Ansatz der Agri-Photovoltaik verbindet den Anbau von Nahrungspflanzen mit der Erzeugung erneuerbarer Energie auf einer gemeinsamen Fläche. Möglich machen das spezielle PV-Module, die z. B. auf mehreren Metern hohen Stelzen oder aufgeständert in 1–2 Metern Höhe angebracht werden.
Die beiden neuen Versuchsanlagen sollen wegweisende Forschungsergebnisse liefern, etwa über die Auswirkungen für den landwirtschaftlichen Ertrag, die Pflanzengesundheit, das Mikroklima sowie weitere ökologische Aspekte. Im Vordergrund steht das Pflanzenwohl: Die Module sollen vor allem dann beschatten, wenn Hitze das Wachstum gefährden könnte. Bei geringer Sonneneinstrahlung erhalten die Pflanzen hingegen möglichst viel Licht.
Neben wertvollen Forschungsergebnissen erwartet die Universität Hohenheim auch einen willkommenen Nebeneffekt für ihre eigene Klimabilanz: Denn die Anlage am Heidfeldhof könnte einen nennenswerten Teil des Energiebedarfs des Campus auf nachhaltige Weise decken.
„Leider sind die Abstimmungsprozesse mit den Genehmigungsbehörden sehr aufwendig – besonders beim Projekt auf dem Heidfeldhof“, erklärt Dr. Scheffer. „Grund dafür ist die Nähe zu mehreren Naturschutzgebieten. Tatsächlich sind wir überzeugt, dass das Projekt auch für die Stadt Stuttgart ein echtes Aushängeschild in Sachen Klimaschutz werden kann. Wir hoffen deshalb, dass wir bald eine gute Lösung abstimmen können."
Weitere Informationen
Interaktive Grafik zur Treibhausgasbilanzierung: https://www.thinglink.com/scene/1955691446040265381
Ausführlicher Bericht zur Treibhausgasbilanzierung:
https://www.uni-hohenheim.de/fileadmin/uni_hohenheim/Netzzeitung/0_Artikel_2025/...
Green Office: https://www.uni-hohenheim.de/green-office
Zu den Pressemitteilungen der Universität Hohenheim
https://www.uni-hohenheim.de/presse
Text: Leonhardmair
Prof. Dr. Caroline Ruiner, Prorektorin für Digitale Transformation und Nachhaltigkeit,
T 0711-459-23437, E caroline.ruiner@uni-hohenheim.de,
Valentin Schlecht, Fachgebiet Nachwachsende Rohstoffe in der Bioökonomie,
T 0711 459-24486, E v.schlecht@uni-hohenheim.de
Merkmale dieser Pressemitteilung:
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