Für viele mag die Arktis ein unwirtlicher Ort sein, für die Wissenschaft hat sie enormen Wert. Norwegische Universitäten betreiben auf Spitzbergen seit über 20 Jahren eine Außenstelle – die nun mit der Uni Würzburg kooperiert.
Forschung in der Arktis hat an der Julius-Maximilians-Universität Würzburg (JMU) eine lange Tradition. Bereits in den 1970er-Jahren forschte das Geographische Institut auf Svalbard, zu Deutsch Spitzbergen. Auch Professor Stefan Dech, heute Lehrstuhlinhaber für Fernerkundung am Earth Observation Research Cluster (EORC) der JMU, forschte unter anderem während seiner Promotion vor Ort.
Das EORC haucht nun der zwischenzeitlich eingeschlafenen Verbindung zwischen Würzburg und der Arktis neues Leben ein. Eine Kooperation mit dem University Centre in Svalbard (UNIS) bietet spannende Möglichkeiten in Forschung, Studium und Lehre. Im Fokus stehen die Bereiche Klimawandel, Geologie, Glaziologie, Biologie sowie Technologie unter extremen Umweltbedingungen.
Das 1993 gegründete UNIS ist eine gemeinsame Einrichtung verschiedener norwegischer Universitäten. Zu ihnen gehört auch die Universität Bergen, mit der die JMU über die europäische Universitätsallianz CHARM-EU verbunden ist.
Ein wissenschaftlich hochinteressantes System
Für Tobias Ullmann, Professor in der Fernerkundung, liegt der wissenschaftliche Wert der Region auf der Hand: “Die Arktis ist wissenschaftlich ein hoch interessantes System. Besonders im Kontext des Klimawandels, der sich dort wesentlich stärker bemerkbar macht als an den meisten anderen Orten.” Die Arbeit auf Spitzbergen knüpft nahtlos an seine Forschung in Alaska und Nordkanada der letzten Jahre an. Die anstrengende Anreise dorthin per Helikopter oder Boot sowie die Übernachtung im Zelt für die mehrwöchigen Arbeiten wären jedoch nicht jedermanns Sache.
„Die vergleichsweise gute Erreichbarkeit gepaart mit sehr guter örtlicher Logistik und exzellenten Kooperationsmöglichkeiten macht die Arbeit auf Spitzbergen für uns besonders zielführend“, ergänzt Dr. Mirjana Bevanda vom EORC. Sie war bereits mehrfach vor Ort, sammelte mit Hilfe von Drohnen Schnee- und Vegetationsdaten an verschiedenen abgelegenen Standorten auf Svalbard und hat währenddessen vielversprechende Kooperationen etabliert.
Vielseitige Möglichkeiten
Nicht nur die Fernerkundung profitiert von der Kooperation zwischen JMU und UNIS. Die Interdisziplinarität zeigt sich etwa an der Arbeit von Marco Schmidt, Professor für eingebettete Systeme und Sensoren für Erdbeobachtung am Institut für Informatik.
Gemeinsam mit Mirjana Bevanda nahm er kürzlich auf Spitzbergen an einem Workshop zum Thema „Snow Wildlife Interaction“ teil, wo auch die Vermessung von Schnee- und Eisschichten diskutiert wurde: “Je nachdem, welche Technologien eingesetzt werden, können unterschiedliche Parameter der Schneebedeckung bestimmt werden. Während sich Fernerkundungsdaten gut für großflächige Messungen eignen, können eingebettete Sensorsysteme genauere Daten für konkrete kleinräumige Bereiche aus dem Feld liefern”, so der Informatiker.
Im Rahmen des Workshops bot sich Schmidt auch gleich die Gelegenheit, seine eigenen Systeme in den hoch variablen und extremen Wetterbedingungen zu testen. Die in seinem Labor entwickelten Sensorboxen kamen unter realen Bedingungen bei extremen Temperaturen erfolgreich zum Einsatz. Zudem wurden weitere Anknüpfungspunkte für die ökologische Forschung identifiziert: „Ein Paradebeispiel für die besonderen Chancen, die diese Kooperation eröffnet.“
Einzigartige Chance für Studierende
Das Potenzial der Zusammenarbeit geht über die Forschung hinaus. Im Bereich Studium eröffnen sich spannende Möglichkeiten, die fernerkundliche Ausbildung auch unter extremen Bedingungen praxisnah umzusetzen. Studierende aus dem internationalen Erdbeobachtungs-Master EAGLE sind bereits aktiv in die Arbeit in der Arktis involviert.
Die Studentinnen Lena Jäger und Ronja Seitz führen seit Januar – also mitten in der Arktischen Nacht – Felddatenaufnahmen durch, die noch bis in den Sommer andauern werden. „Für mich ist das eine einzigartige Möglichkeit, dieses besondere Ökosystem zu erforschen“, berichtet Lena Jäger. „Es ist ein tolles Gefühl, dass wir aktiv zu einem besseren Verständnis des Klimawandels beitragen können“, ergänzt Ronja Seitz. Dafür lohne sich auch die „psychisch und physisch anstrengende Arbeit in Arktisüberlebensausrüstung samt Schneemobil und Gewehr.“
Besondere Begebenheiten
Letzteres ist nötig, da Spitzbergen auch vom größten Landraubtier der Erde bewohnt wird: dem Eisbären. Bei der Feldforschung muss deshalb stets eine Person mit bestandenem „Arctic Safety Training“ dabei sein. Dazu gehört neben einer Einführung in das Fahren von Schneemobilen und generellen Gefahren in der Arktis auch ein Schießtraining. Diese außergewöhnliche Qualifikation hat auch Mirjana Bevanda erworben, sie betreut die Abschlussarbeiten der beiden Studentinnen.
Marco Schmidt stellt derweil eine weniger gefährliche örtliche Besonderheit heraus: “Einer wissenschaftlichen Diskussion oder Vorlesung beizuwohnen, in der alle nur Socken und Thermoklamotten tragen, nachdem sie ihre mehrschichtige Arktisüberlebensausrüstung im Vorraum abgelegt haben, ist definitiv ein Erlebnis.“
Zusammenarbeit in der Lehre geplant
Auch im nächsten arktischen Winter werden Dozierende des Lehrstuhls für Fernerkundung gemeinsam mit dem UNIS in der Arktis Lehrveranstaltungen zu Methoden der Fernerkundung, etwa zur Nutzung von Drohnen bei der Schnee- und Eisanalyse, anbieten. Die diesjährige Lehre hatte bereits viel positiven Zuspruch der Studierenden und Lehrenden vor Ort zur Folge.
Durch die entstandenen Kontakte im Zuge der Forschungsaufenthalte sind außerdem gemeinsame panarktische Science Schools in Planung: „Solche Netzwerke und Lehrveranstaltungen bieten eine tolle Möglichkeit, die nächste Generation von Forschenden mit Themen der Arktis vertraut zu machen“, findet Mirjana Bevanda.
Tobias Ullmann sieht die Kooperation als großartige Ergänzung des EAGLE-Studienganges, der damit „noch attraktiver für zukünftige Studierende“ werde. Für Marco Schmidt stellt die Zusammenarbeit eine tolle Möglichkeit dar, die theoretisch erworbenen Fähigkeiten seiner Studierenden im konkreten Einsatz vor Ort zu testen.
Auch Stefan Dech ist vom Potenzial der neu belebten Forschung auf Svalbard überzeugt: “Es freut mich besonders, dass sich der Kreis nun schließt, Forschung des Instituts für Geographie und Geologie auf Spitzbergen von einer neuen, jungen Generation weiterverfolgt wird und neue Technologien, wie die Drohnen-Fernerkundung, dort zum Einsatz kommen”, so der Lehrstuhlinhaber. „Ganz besonders begeistert es mich, das Leuchten in den Augen meiner Mitarbeiterinnen, Mitarbeitern und EAGLE Studierenden zu sehen, wenn sie von der Faszination der Forschung an diesem weltweit einzigartigen Ort berichten. Das ‘Polarforschungs-Virus‘ ist ansteckend, und einmal gepackt, lässt es einen nicht mehr los!”
Prof. Tobias Ullmann, Earth Observation Research Cluster, Lehrstuhl für Fernerkundung,
E-Mail: tobias.ullmann@uni-wuerzburg.de
Prof. Marco Schmidt, Professor für eingebettete Systeme und Sensoren für Erdbeobachtung (ESSEO), E-Mail: marco.schmidt@uni-wuerzburg.de
Mitarbeitende des EORC und EAGLE-Studierende bereiten eine Forschungsdrohne für die Datenaufnahme in ...
Mirjana Bevanda
JMU-EORC / UNIS
Das Gebäude der UNIS während des Workshops in der Arktischen Nacht im Februar 2025. Die Sonne ist in ...
Mirjana Bevanda
JMU-EORC / UNIS
Merkmale dieser Pressemitteilung:
Journalisten, Wissenschaftler
Biologie, Geowissenschaften, Meer / Klima
überregional
Forschungsprojekte
Deutsch
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