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28.03.2025 10:13

Deutscher Meister im Fehlurteil?

RWI Kommunikation
RWI – Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung

    Rechtsprechung unter der Lupe: Bayreuther Gericht führt fragwürdige Negativstatistik an

    Die Richter des Landgerichts Bayreuth staunten nicht schlecht: Unter dem Titel „Warum Gerichtsurteile aufgehoben werden müssen“ konnten sie in der Welt einen vermeintlich alarmierenden Befund entdecken. Das Landgericht Bayreuth führt die bundesweite Inkompetenzstatistik aller deutschen Landgerichte an – mit einer erschreckenden Quote von 100 Prozent aufgehobener Urteile durch den Bundesgerichtshof. Ein juristisches Desaster?

    Bei näherem Hinsehen offenbart sich jedoch eine statistische Fehldarstellung. Die scheinbar vernichtende Bilanz bezieht sich ausschließlich auf jene wenigen Urteile, die überhaupt zur Revision nach Karlsruhe zum Bundesgerichtshof weitergeleitet wurden. Die hier ausgewählten vier Anträge betreffen also Fälle, die eine Instanz überspringen (Sprungrevision), was nur selten vorkommt. Üblicherweise werden Revisionsanträge ausgehend von den Landgerichten an die nächsthöhere Instanz, die Oberlandesgerichte, gestellt. Die Sprungrevision dagegen ermöglicht es, bestimmte Rechtsfragen direkt dem Bundesgerichtshof zur Entscheidung vorzulegen, ohne den Umweg über das Oberlandesgericht nehmen zu müssen.

    Außerdem können Urteile auch auf anderem Weg angefochten und aufgehoben werden, zum Beispiel durch Berufung oder Beschwerde. Insgesamt wurde das Landgericht Bayreuth mit gerade einmal vier angezweifelten Beschlüssen konfrontiert – der niedrigste Wert unter allen deutschen Landgerichten.

    Statistische Revision: Warum Bayreuth besser dasteht als behauptet

    Die wahre Aussagekraft einer solchen Statistik lässt sich eben nur ermessen, wenn man sie ins richtige Verhältnis setzt: Wie viele Urteile wurden insgesamt gefällt? Wie viele wurden aufgehoben? Welche Instanzen wurden betrachtet? Ohne diese entscheidende Kontextualisierung bleibt das angeführte Balkendiagramm aus der Welt unsere Unstatistik des Monats März. Denn die Qualität von Richtersprüchen bemisst sich doch eher nach dem Prozentsatz aller später aufgehobenen Urteile, ob nun durch Revision oder andere Rechtsmittel. Ersteres geschieht wohl vor allem in Zweifelsfällen – und hier war das Landgericht Bayreuth sogar vorbildlich effektiv: Nur in vier Fällen wurden seine Beschlüsse angezweifelt, das ist Negativrekord. Das dann allerdings in jedem Fall zu Recht. Das Landgericht Hannover dagegen sammelte laut Welt 143 Revisionsanträge, davon waren insgesamt 40 erfolgreich (28 Prozent), zehnmal so viel wie für das Landgericht Bayreuth. Leider gibt die Welt für keines der zitierten Landgerichte die Zahl der insgesamt gefällten Urteile an. Diese Schlüsselzahl bleibt der Leserschaft vorenthalten.

    Statistische Darstellungen ohne ausreichenden Kontext führen zu Fehlinterpretationen und können unberechtigte Alarmstimmung erzeugen. Sie untergraben das Vertrauen in Institutionen und verzerren unsere Wahrnehmung gesellschaftlicher Entwicklungen. Ein kritischer Blick auf beispielsweise die Grundgesamtheit und die Erhebungsmethoden von Statistiken bleibt unverzichtbar für eine fundierte öffentliche Debatte.


    Wissenschaftliche Ansprechpartner:

    Prof. Dr. Walter Krämer, walterk@statistik.tu-dortmund.de


    Weitere Informationen:

    https://www.rwi-essen.de/presse/wissenschaftskommunikation/unstatistik


    Bilder

    Anhang
    attachment icon Unstatistik des Monats: Revisionsquoten

    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Journalisten, Lehrer/Schüler, Studierende, Wirtschaftsvertreter, Wissenschaftler, jedermann
    fachunabhängig
    überregional
    Buntes aus der Wissenschaft
    Deutsch


     

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