Lebensverkürzende Krankheiten, der unerfüllte Kinderwunsch angesichts der bevorstehenden Menopause oder das eigene Alter: In unterschiedlichen Lebensphasen beschäftigen Menschen ganz unterschiedliche Aspekte von Zeit. Sie haben Einfluss darauf, ob und wie wir medizinische Möglichkeiten bewerten und in Anspruch nehmen. Das ist eine Erkenntnis der Forschungsgruppe „Medizin und die Zeitstruktur guten Lebens“. Die Deutsche Forschungsgemeinschaft fördert sie für weitere vier Jahre. Im Mittelpunkt steht künftig das Thema Generativität, also das Bewusstsein, mit dem eigenen Leben zugleich Teil eines größeren zeitlichen Zusammehangs zu sein.
Lebensverkürzende Krankheiten, der unerfüllte Kinderwunsch angesichts der bevorstehenden Menopause oder das eigene Alter: In unterschiedlichen Lebensphasen beschäftigen Menschen ganz unterschiedliche Aspekte von Zeit. Sie haben Einfluss darauf, ob und wie wir medizinische Möglichkeiten bewerten und in Anspruch nehmen. Das ist eine Erkenntnis der Forschungsgruppe „Medizin und die Zeitstruktur guten Lebens“, die seit 2021 aus verschiedenen wissenschaftlichen Perspektiven zu den Wechselwirkungen zwischen Medizin und Lebenszeit forscht. Mit einer erneuten Förderung der Deutschen Forschungsgemeinschaft kann die Gruppe ihre Arbeit jetzt für weitere vier Jahre fortsetzen und um einen neuen Forschungsansatz erweitern. Dabei übernimmt Prof. Dr. Mark Schweda, Professor für Ethik in der Medizin und Gesundheitsversorgung an der Universität Oldenburg, die Rolle des Forschungsgruppensprechers von seiner Göttinger Kollegin Prof. Dr. Claudia Wiesemann. Beantragt hat die Forschungsgruppe Fördermittel in Höhe von knapp 3,4 Millionen Euro.
„Mit ihren Versprechen von Gesundheit, Wohlergehen oder sogar einem erfüllten Kinderwunsch steht Medizin immer auch in Beziehung zu Vorstellungen von einem guten, gelingenden Leben“, sagt Schweda. „Die Bedeutung von Zeit, Lebensphasen und Übergängen in diesem Zusammenhang besser zu verstehen, wird Behandelnden und Patientinnen und Patienten gleichermaßen dabei helfen, gute Entscheidungen in medizinischen Fragen zu treffen.“
In der ersten Förderphase hatten die Forschenden aus Philosophie, Medizinethik, Medizin, Literatur- und Medienwissenschaft sowie Soziologie und Sozialpsychologie exemplarisch drei Personenkreise genauer betrachtet, die auch künftig im Fokus stehen: junge Erwachsene mit chronischer Herzerkrankung, Personen mittleren Alters im Kontext der Fortpflanzungsmedizin sowie ältere Menschen und ihre Gesundheitsversorgung. Die Forschenden haben umfangreiche Daten erhoben und analysiert und neue theoretische Konzepte entwickelt. Dabei ging es zum Beispiel um die Situation von Menschen mit angeborenen Herzerkrankungen, deren Lebenserwartung sich dank medizinischer Fortschritte deutlich verlängert hat und die sich auf einmal mit Themen wie Berufstätigkeit und Familiengründung auseinandersetzen müssen. Menschen mittleren Alters beschäftigt das Thema Familiengründung ebenfalls – wegen neuer Methoden in der Reproduktionsmedizin teilweise auch deutlich länger als noch vor einigen Jahren. Im höheren Lebensalter treten häufig Fragen der sinnvollen Zielsetzung und Begrenzung medizinischer Behandlung in den Vordergrund.
„Die zeitliche Ordnung des menschlichen Lebens wird durch medizinische Fortschritte immer wieder aufs Neue herausgefordert“, erklärt Schweda. Das interdisziplinäre Team der Universitäten Oldenburg, Göttingen, Frankfurt am Main und der Humboldt-Universität zu Berlin hat herausgefunden, dass die Zeitstruktur des Lebens eine zentralere Rolle für Medizin und Gesundheitsversorgung spielt als bisher angenommen. „Vorstellungen von Lebensphasen haben zum Beispiel entscheidenden Einfluss darauf, ob sich jemand in fortgeschrittenem Alter noch aufwändigen medizinischen Eingriffen unterzieht oder körperliche Beeinträchtigungen akzeptiert“, sagt Schweda.
Einem Motiv sind die Forschenden dabei immer wieder begegnet: der Generativität. Gemeint ist damit das Bewusstsein, mit dem eigenen Leben zugleich Teil eines größeren zeitlichen Zusammenhangs zu sein, in dem einem frühere Generationen vorausgegangen sind und spätere nachfolgen werden. „Der Wunsch, künftigen Generationen etwas weiterzugeben oder für sie Platz zu machen, kann im Alter zum Beispiel andere medizinische Entscheidungen sinnvoll erscheinen lassen als die Vorstellung, dass mit dem eigenen Leben einfach alles endet“, erläutert Schweda. Auch ob jemand Kinder möchte oder hat, kann eine wichtige Rolle bei medizinischen Entscheidungen spielen, etwa wenn eine Schwangerschaft aufgrund chronischer Krankheit mit hohen Risiken einhergeht. Die Bedeutung solcher Generationenaspekte für die Medizin soll daher im bevorstehenden Förderzeitraum im Mittelpunkt stehen.
Das Team will mit seiner Arbeit ein möglichst breites Spektrum von Sichtweisen und Wertmaßstäben rund um das Thema Medizin und Lebenszeit erfassen und analysieren. Dazu gehört auch die Auswertung medialer Darstellungen, etwa in Arztserien, um ihren Einfluss darauf zu untersuchen, was Menschen als ein gutes Leben in der Zeit betrachten. Neu ist zum Beispiel die Weiterentwicklung von Methoden, mit denen sich zeitliche Aspekte von Lebensqualität in der Medizin besser erfassen lassen. Auch die Rolle sozialen Engagements für Gesundheit im Alter ist Forschungsgegenstand. Schweda selbst beschäftigt sich in einem eigenen Teilprojekt mit der Frage, was Endlichkeit und Generativität für den Umgang älterer Menschen mit medizinischen Möglichkeiten bedeuten.
„Intergenerationelle Fragen beschäftigen uns als Gesellschaft schon jetzt an vielen Stellen, etwa bei der Rente, der Staatsverschuldung oder dem Klimawandel. Es ist höchste Zeit, dass wir das Thema auch in Medizin und Gesundheitsversorgung angehen“, so der Medizinethiker.
Prof. Dr. Mark Schweda, E-Mail: mark.schweda@uol.de, Tel.: 0411/798-4483
http://Webseite der Forschungsgruppe „Medizin und die Zeitstruktur guten Lebens”: https://for5022.de/
Medizinethiker Prof. Dr. Mark Schweda von der Universität Oldenburg ist neuer Sprecher der Forschung ...
Christian Thiel
Deutscher Ethikrat / Christian Thiel
Merkmale dieser Pressemitteilung:
Journalisten, Wissenschaftler, jedermann
Gesellschaft, Medizin, Philosophie / Ethik
überregional
Forschungsprojekte, Kooperationen
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Christian Thiel
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