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31.03.2025 11:00

„EMA-Entscheidung über den Alzheimer-Antikörper Donanemab schwer nachvollziehbar“

Dr. Bettina Albers Pressestelle der DGN
Deutsche Gesellschaft für Neurologie e.V.

    Am Freitag hat die EMA die Zulassung von Donanemab, einem Antikörper gegen Alzheimer, abgelehnt. Begründet wurde das mit einem ungünstigen Wirkungs-Nebenwirkungs-Profil. Experten der DGN können diese Entscheidung nur bedingt nachvollziehen und hätten hingegen eine Zulassung befürwortet, bei der Patientengruppen mit einem hohen Risikoprofil für schwere Nebenwirkungen ausgeschlossen werden, die aber für alle anderen Betroffenen die Möglichkeit eröffnet hätte, sich nach individueller Nutzen-Risiko-Abwägung für oder gegen die Therapie zu entscheiden.

    „Um es vorweg klar auf den Punkt zu bringen: Die Amyloid-Antikörper sind kein Wundermittel gegen Alzheimer, sie heilen die Erkrankung nicht und haben überdies auch Nebenwirkungen. Aber sie können die Progression bei richtiger Patientenauswahl um über 30 Prozent verlangsamen. Das kann für viele Menschen mit neu diagnostizierter Alzheimer-Erkrankung ein Gewinn an vielen Monaten ‚gesunder‘ Lebenszeit bedeuten“, erklärt Prof. Dr. Jörg B. Schulz, Aachen, Sprecher der Kommission Demenz und Kognitive Störungen der Deutschen Gesellschaft für Neurologie (DGN).

    Die EMA begründet die aktuelle Entscheidung zu Donanemab damit, dass es in 36,8 Prozent der Fälle zu sogenannten ARIA („Amyloid-Related Imaging Abnormalities“) kam, in 1,6 Prozent handelte es sich um schwerwiegende Ereignisse, die in drei Fällen zum Tode führten [1]. Bekannt ist, dass Personen mit zwei Kopien des ApoE4-Gens besonders gefährdet für diese unerwünschten Nebenwirkungen sind, aber auch das Risiko bei einer Kopie bereits erhöht ist. Wenn diese Gruppe herausgerechnet wird, zeigte sich, dass die Rate der gefährlichen ARIAS nur noch 0,8 Prozent betrug, es aber auch in dieser Gruppe zu einem Todesfall kam. Dieses Risiko rechtfertige der erzielte Benefit nicht, urteilt die EMA [1]: „In Bezug auf die Wirksamkeit zeigte die Studie, dass sich der iADRs-Score bei den Patientinnen und Patienten, die Donanemab erhalten hatten, insgesamt um 10 Punkte verschlechterte, bei denen, die ein Placebo bekommen hatten, um 13 Punkte. Bei Personen, die keine ApoE4-Gen-Kopien hatten, betrugen diese Werte 14 vs. 16.“

    „Die Darstellung ist korrekt, allerdings muten diese absoluten Werte gering an. Hält man sich aber vor Augen, dass die drei Punkte Unterschied in der gesamten TRAILBLAZER-AlZ2-Studiengruppe [2] eine Krankheitsverlangsamung um 22 Prozent nach 76 Wochen bedeuten, wird klar, dass ein klinischer Nutzen nicht von der Hand zu weisen ist“, erklärt Schulz. Hinzu komme, dass in dieser Studie das Fortschreiten der Erkrankung bei Patientinnen und Patienten im Frühstadium, bei denen sich noch kaum Tau-Ablagerungen im Gehirn gebildet hatten, mit über 30 Prozent noch langsamer war.

    Wie schätzt der Experte das Therapierisiko der Alzheimer-Antikörper ein? „Andere Patientengruppen, beispielsweise in der Krebstherapie. müssen höhere Risiken mit Medikamenten, die von der EMA zugelassen sind, in Kauf nehmen“, erklärt Schulz. „Sie haben aber die Wahl, sich nach einer umfassenden Aufklärung über Nutzen und Risiken individuell für oder gegen die Therapie zu entscheiden. Diese Möglichkeit wird Alzheimer-Patientinnen und -Patienten nicht gegeben.“ Mit der erneuten Verschiebung, diese neuen Medikamente auf den Markt zu bringen (die Zulassung wurde bereits im Sommer 2023 beantragt), verliert eine ganze „Generation“ an Patientinnen und Patienten mit beginnender Alzheimer-Erkrankung, die Möglichkeit, von diesem Medikament zu profitieren. Zu einem späteren Zeitpunkt der Erkrankung profitieren sie nicht mehr und das Risiko von Nebenwirkungen nimmt eher zu.

    Die Nebenwirkungen von Donanemab dürfen nach Ansicht des Experten zwar nicht heruntergespielt werden, doch sie könnten durch eine strikte Zulassungsbegrenzung auf Menschen ohne ApoE4-Gen-Kopien und ein engmaschiges Therapiemonitoring reduziert werden. „Wir bedauern, dass die EMA das Medikament nicht mit entsprechenden Zulassungsbeschränkungen und verpflichtender Nutzen-Risiko-Aufklärung zugelassen hat“, erklärt auch Prof. Dr. Peter Berlit, Generalsekretär der DGN. „Insbesondere ApoE4-negative Patientinnen und Patienten mit geringen Tau-Ablagerungen könnten nach den Studiendaten von einer Behandlung mit Donanemab deutlich profitieren; die EMA hätte die Zulassung entsprechend anpassen können.“

    Der DGN-Generalsekretär bedauert die Entscheidung aber auch aus einem weiteren Grund: Die europäische Alzheimerforschung wird geschwächt – „andere Länder können ‚Real-Life‘-Erhebungen durchführen, und natürlich überlegen sich Unternehmen, ob sie bei uns in die Forschung investieren und in Europa Studien durchführen, wenn die Chance auf Zulassung eines Medikaments deutlich geringer als in anderen Regionen der Welt ist.“

    [1] https://www.ema.europa.eu/en/medicines/human/EPAR/kisunla
    [2] Sims JR, Zimmer JA, Evans CD et al.; TRAILBLAZER-ALZ 2 Investigators. Donanemab in Early Symptomatic Alzheimer Disease: The TRAILBLAZER-ALZ 2 Randomized Clinical Trial. JAMA. 2023 Aug 8;330(6):512-527. doi: 10.1001/jama.2023.13239

    Pressekontakt
    Pressestelle der Deutschen Gesellschaft für Neurologie
    Pressesprecher: Prof. Dr. Peter Berlit
    Leiterin der DGN-Pressestelle: Dr. Bettina Albers
    Tel.: +49(0)174 2165629
    E-Mail: presse@dgn.org

    Die Deutsche Gesellschaft für Neurologie e.V. (DGN)
    sieht sich als medizinisch-wissenschaftliche Fachgesellschaft in der gesellschaftlichen Verantwortung, mit ihren 13.000 Mitgliedern die neurologische Krankenversorgung in Deutschland zu sichern und zu verbessern. Dafür fördert die DGN Wissenschaft und Forschung sowie Lehre, Fort- und Weiterbildung in der Neurologie. Sie beteiligt sich an der gesundheitspolitischen Diskussion. Die DGN wurde im Jahr 1907 in Dresden gegründet. Sitz der Geschäftsstelle ist Berlin. www.dgn.org

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    Generalsekretär: Prof. Dr. Peter Berlit
    Geschäftsführer: David Friedrich-Schmidt
    Geschäftsstelle: Budapester Str. 7/9, 10787 Berlin, Tel.: +49 (0)30 531437930, E-Mail: info@dgn.org


    Originalpublikation:

    https://www.ema.europa.eu/en/medicines/human/EPAR/kisunla


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    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Journalisten
    Medizin
    überregional
    Buntes aus der Wissenschaft, Forschungs- / Wissenstransfer
    Deutsch


     

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