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07.04.2025 10:00

Pilzstudie erweitert Wissen über natürliche Bitterstoffe – Neuer hochwirksamer Bitterstoff identifiziert

Dr. Gisela Olias Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
Leibniz-Institut für Lebensmittel-Systembiologie

    Die molekulare Welt der Bitterstoffe ist bisher nur lückenhaft erforscht. Forschende des Leibniz-Instituts für Lebensmittel-Systembiologie an der Technischen Universität München in Freising und des Leibniz-Instituts für Pflanzenbiochemie in Halle (Saale) haben nun drei neue Bitterstoffe aus der Pilzart Amaropostia stiptica isoliert und ihre Wirkung auf menschliche Bitterrezeptoren untersucht. Dabei entdeckten sie eine der potenziell bittersten bisher bekannten Verbindungen. Die Studienergebnisse erweitern das Wissen über natürliche Bitterstoffe und ihre Rezeptoren und leisten so einen wichtigen Beitrag zur Lebensmittel- und Gesundheitsforschung.

    Eine gemeinsame Pressemitteilung des Leibniz-Instituts für Lebensmittel-Systembiologie an der Technischen Universität München und des Leibniz-Instituts für Pflanzenbiochemie

    In der Datenbank 'BitterDB' sind derzeit über 2.400 Bitterstoffmoleküle erfasst. Für etwa 800 dieser chemisch sehr unterschiedlichen Substanzen ist mindestens ein zugehöriger Bitterrezeptor angegeben. Die erfassten Bitterstoffe stammen allerdings überwiegend aus Blütenpflanzen oder synthetischen Quellen. Bitterstoffe tierischen, bakteriellen oder pilzlichen Ursprungs sind dagegen noch selten in der Datenbank vertreten.

    Die Forschung geht davon aus, dass sich Bitterrezeptoren entwickelt haben, um vor dem Verzehr potenziell schädlicher Substanzen zu warnen. Allerdings sind nicht alle Bitterstoffe giftig oder schädlich, und nicht jeder Giftstoff schmeckt bitter, wie das Beispiel des Knollenblätterpilzgiftes zeigt. Doch warum ist das so? Untersuchungen haben zudem ergeben, dass sich die Sensoren für Bitterstoffe nicht nur im Mund, sondern auch in Organen wie Magen, Darm, Herz und Lunge sowie auf bestimmten Blutzellen befinden. Da wir mit diesen Organen und Zellen nicht „schmecken“, stellt sich die Frage, welche physiologische Bedeutung die Rezeptoren dort haben.

    Umfassende Datensammlungen als Forschungsgrundlage

    „Umfassende Datensammlungen zu Bitterstoffen und ihren Rezeptoren, könnten uns helfen, Antworten auf diese offenen Fragen zu finden“, sagt Maik Behrens, Arbeitsgruppenleiter am Freisinger Leibniz-Institut. „Je mehr fundierte Daten zu den verschiedenen Bitterstoffklassen, Rezeptortypen und -varianten vorliegen, desto besser können wir mit systembiologischen Methoden Vorhersagemodelle entwickeln, um neue Bitterstoffe zu identifizieren und Bitterrezeptor-vermittelte Wirkungen vorherzusagen. Dies gilt sowohl für Inhaltsstoffe von Lebensmitteln als auch für körpereigene Substanzen, die extraorale Bitterrezeptoren aktivieren.“

    Das Team um Maik Behrens und Norbert Arnold vom Institut in Halle (Saale) hat deshalb im Rahmen eines vom Leibniz-Forschungsnetzwerk „Wirkstoffe“ geförderten Kooperationsprojekts den Bitteren Saftporling (Amaropostia stiptica) untersucht. Der Pilz ist ungiftig, aber extrem bitter.

    Hochwirksamer Bitterstoff identifiziert

    Mit Hilfe moderner Analysemethoden ist es der Arbeitsgruppe um Norbert Arnold gelungen, drei bisher noch unbekannte Substanzen zu isolieren und deren Strukturen zu klären. Wie die Freisinger Forschenden anschließend mit einem zellulären Testsystem zeigten, aktivieren die Substanzen mindestens einen der rund 25 menschlichen Bitterrezeptortypen. Besonders hervorzuheben ist dabei der neu entdeckte Bitterstoff Oligoporin D, der bereits in geringsten Konzentrationen (ca. 63 Millionstel Gramm/Liter) den Bitterrezeptortyp TAS2R46 stimuliert. Zur Veranschaulichung: Die Konzentration entspricht einem Gramm Oligoporin D, gelöst in rund 106 Badewannenfüllungen Wasser, wobei ein Gramm etwa dem Gewicht einer Messerspitze Backpulver entspricht.

    „Unsere Ergebnisse tragen dazu bei, das Wissen über die molekulare Vielfalt und Wirkungsweise natürlicher Bitterstoffe zu erweitern“, erklärt Maik Behrens und fügt hinzu: „Langfristig könnten Erkenntnisse auf diesem Gebiet neue Anwendungen in der Lebensmittel- und Gesundheitsforschung ermöglichen, zum Beispiel bei der Entwicklung sensorisch ansprechender Lebensmittel, die die Verdauung und das Sättigungsgefühl positiv beeinflussen.“

    Publikation: Schmitz, L.M., Lang, T., Steuer, A., Koppelmann, L., Di Pizio, A., Arnold, N., and Behrens, M. (2025). Taste-Guided Isolation of Bitter Compounds from the Mushroom Amaropostia stiptica Activates a Subset of Human Bitter Taste Receptors. J. Agric. Food Chem. 73(8): 4850-4858. doi.org/10.1021/acs.jafc.4c12651

    Förderung: Diese Arbeit wurde finanziell vom Leibniz-Forschungsnetzwerk „Wirkstoffe“ unterstützt.
    https://www.leibniz-gemeinschaft.de/forschung/leibniz-forschungsnetzwerke/wirkst...

    Hintergrundinformation:

    Zu Bitterstoffen aus Pilzen

    Laut Forschungsteam gehören Pilzverbindungen vermutlich zu den stärksten natürlichen Bitterstoffen. Aus biologischer Sicht mag es etwas seltsam erscheinen, dass der in der Studie analysierte Pilz, genauso wie der Gallenröhrling (Tylopilus felleus) als extrem bitter schmeckend, aber nicht giftig und somit essbar gilt, während der tödlich giftige Knollenblätterpilz (Amanita phalloides) eher angenehm und nussig schmeckt. Allerdings sind Menschen nicht die „Hauptfraßfeinde“ von Pilzen; zahlreiche andere Wirbeltiere und Wirbellose verzehren sie und ihre Rezeptoren sind möglicherweise besser darauf eingestellt, giftige von ungiftigen Pilzen zu unterscheiden. Tatsächlich wurden erhebliche artspezifische Unterschiede bei den Profilen der Bitterrezeptor-Aktivatoren beobachtet.

    Bitterstoffe und Evolution

    Aus evolutionärer Sicht betrachtet, sind die meisten der in der BitterDB erfassten Bitterstoffe relativ jung. Denn Blütenpflanzen gibt es erst seit etwa 200 Millionen Jahren und synthetische Bitterstoffe hat erst der moderne Mensch erschaffen. Bitterrezeptoren hingegen haben sich bereits vor 500 Millionen Jahren entwickelt.

    Link zur BitterDB: bitterdb.agri.huji.ac.il/dbbitter.php

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    Kontakte:
    Experten-Kontakte:
    PD Dr. Maik Behrens
    Leiter der Arbeitsgruppe Taste & Odor Systems Reception
    Leibniz-Institut für Lebensmittel-Systembiologie
    an der Technischen Universität München (Leibniz-LSB@TUM)
    Lise-Meitner-Str. 34
    85354 Freising
    Tel.: +49 8161 71-2987
    E-Mail: m.behrens.leibniz-lsb(at)tum.de

    Dr. Norbert Arnold
    Leiter der Forschungsgruppe Naturstoffe & Metabolomik
    Leibniz-Institut für Pflanzenbiochemie (IPB), Abteilung Natur- und Wirkstoffchemie
    Weinberg 3
    06120 Halle (Saale)
    Tel.: +49 345 5582-1310
    E-Mail: Norbert.Arnold(at)ipb-halle.de

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    Informationen zum Institut:
    Das Leibniz-Institut für Lebensmittel-Systembiologie an der Technischen Universität München besitzt ein einzigartiges Forschungsprofil an der Schnittstelle zwischen Lebensmittelchemie & Biologie, Chemosensoren & Technologie sowie Bioinformatik & Maschinellem Lernen. Weit über die bisherige Kerndisziplin der klassischen Lebensmittelchemie hinausgewachsen, leitet das Institut die Entwicklung einer Systembiologie der Lebensmittel ein. Sein Ziel ist es, neue Ansätze für die nachhaltige Produktion ausreichender Mengen an Lebensmitteln zu entwickeln, deren Inhaltsstoff- und Funktionsprofile an den gesundheitlichen und nutritiven Bedürfnissen, aber auch den Präferenzen der Verbraucherinnen und Verbraucher ausgerichtet sind. Hierzu erforscht es die komplexen Netzwerke sensorisch relevanter Lebensmittelinhaltsstoffe entlang der gesamten Wertschöpfungskette mit dem Fokus, deren physiologische Wirkungen systemisch verständlich und langfristig vorhersagbar zu machen.

    Das Leibniz-Institut ist ein Mitglied der Leibniz-Gemeinschaft (https://www.leibniz-gemeinschaft.de/), die 96 selbständige Forschungseinrichtungen verbindet. Leibniz-Institute widmen sich gesellschaftlich, ökonomisch und ökologisch relevanten Fragen. Sie betreiben erkenntnis- und anwendungsorientierte Forschung, auch in den übergreifenden Leibniz-Forschungsverbünden, sind oder unterhalten wissenschaftliche Infrastrukturen und bieten forschungsbasierte Dienstleistungen an. Die Leibniz-Gemeinschaft setzt Schwerpunkte im Wissenstransfer, vor allem mit den Leibniz-Forschungsmuseen. Sie berät und informiert Politik, Wissenschaft, Wirtschaft und Öffentlichkeit.

    Leibniz-Einrichtungen pflegen enge Kooperationen mit den Hochschulen - in Form der Leibniz-WissenschaftsCampi, mit der Industrie und anderen Partnern im In- und Ausland. Die Leibniz-Institute unterliegen einem transparenten und unabhängigen Begutachtungsverfahren. Aufgrund ihrer gesamtstaatlichen Bedeutung fördern Bund und Länder die Institute der Leibniz-Gemeinschaft gemeinsam. Die Leibniz-Institute beschäftigen rund 21.300 Personen, darunter 12.200 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler. Das Finanzvolumen liegt bei 2,2 Milliarden Euro.

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    Schmitz, L.M., Lang, T., Steuer, A., Koppelmann, L., Di Pizio, A., Arnold, N., and Behrens, M. (2025). Taste-Guided Isolation of Bitter Compounds from the Mushroom Amaropostia stiptica Activates a Subset of Human Bitter Taste Receptors. J. Agric. Food Chem. 73(8): 4850-4858. doi.org/10.1021/acs.jafc.4c12651


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    PD Dr. Maik Behrens in seinem Büro
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    G. Olias
    G. Olias / Leibniz-LSB@TUM

    Dr. Norbert Arnold in seinem Büro
    Dr. Norbert Arnold in seinem Büro
    privat
    privat


    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Journalisten, Studierende, Wirtschaftsvertreter, Wissenschaftler, jedermann
    Biologie, Chemie, Ernährung / Gesundheit / Pflege, Medizin, Tier / Land / Forst
    überregional
    Forschungsergebnisse, Wissenschaftliche Publikationen
    Deutsch


     

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