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14.04.2025 16:18

Der rätselhafte Erreger: Oropouche-Virus in Lateinamerika häufiger als gedacht

Manuela Zingl GB Unternehmenskommunikation
Charité – Universitätsmedizin Berlin

    Ähnlich wie Dengue- oder Zika-Viren verursacht das Oropouche-Virus eine Fiebererkrankung, es gibt außerdem Hinweise auf eine mögliche Schädigung des Ungeborenen während der Schwangerschaft. Wie Forschende der Charité – Universitätsmedizin Berlin jetzt belegen, ist das Virus in Lateinamerika deutlich weiter verbreitet als bisher angenommen. Die im Fachmagazin The Lancet Infectious Diseases* veröffentlichte Studie deutet zudem darauf hin, dass klimatische Bedingungen das Infektionsgeschehen stark beeinflussen.

    Das Oropouche-Virus ist in Lateinamerika seit den 1950er Jahren bekannt, über Jahrzehnte wurden allerdings in den meisten Ländern nur wenige Fälle pro Jahr offiziell gemeldet. Ein internationales Forschungsteam um Prof. Jan Felix Drexler, Leiter der Arbeitsgruppe Virusepidemiologie am Institut für Virologie der Charité, hat in einer umfangreichen Studie nun untersucht, wie weit verbreitet der Erreger tatsächlich ist. „Unseren Daten zufolge ist das Oropouche-Virus in Lateinamerika massiv unterdiagnostiziert“, erklärt der Studienleiter, der auch im Deutschen Zentrum für Infektionsforschung (DZIF) forscht. „In manchen Gegenden hat mindestens jeder Zehnte eine Infektion mit dem Erreger durchgemacht.“

    Weiter verbreitet als gedacht – aber noch nicht gut untersucht

    Das Oropouche-Virus verursacht unspezifische Symptome wie Fieber, Schüttelfrost, Kopf- und Gliederschmerzen, manchmal auch Übelkeit oder Hautausschläge. Lange galt die Erkrankung als größtenteils mild, Berichte über schwerere Verläufe mit Hirnhautentzündung waren selten. Aus bisher unbekannten Gründen ist die Zahl der aus Lateinamerika und der Karibik gemeldeten Infektionen seit Ende 2023 auf mehr als 20.000 Fälle in die Höhe geschnellt und es wurden zwei Todesfälle bei jungen, gesunden Frauen beobachtet. Außerdem sind mehrere Fälle beschrieben worden, in denen eine Infektion während der Schwangerschaft offenbar zu Fehlgeburten oder Fehlbildungen des Ungeborenen geführt haben.

    „Wir wissen noch vergleichsweise wenig über das Virus“, erklärt Jan Felix Drexler. „Welche Folgen eine Infektion haben kann, auch auf das ungeborene Leben, muss weiter untersucht werden. Ob es hier Parallelen zum Zika-Virus gibt, steht noch nicht fest. Insgesamt scheint es jedoch weniger häufig zu einer Schädigung des Ungeborenen zu kommen als bei Zika.“ Eine Impfung gegen das Virus oder eine spezifische Therapie gegen das Oropouche-Fieber gibt es nicht.

    Für die Studie untersuchte das Forschungsteam mehr als 9.400 Blutproben gesunder und kranker Menschen, die zwischen 2001 und 2022 in Bolivien, Brasilien, Kolumbien, Costa Rica, Ecuador und Peru gesammelt worden waren. Über alle Gebiete hinweg fanden sich in rund 6 Prozent der Proben Antikörper gegen das Oropouche-Virus – ein Hinweis auf eine durchgemachte Infektion mit dem Erreger. Dabei zeigten sich starke regionale Unterschiede: In Costa Rica wiesen durchschnittlich 2 Prozent der Proben Antikörper gegen den Erreger auf, in Ecuador waren es 5 Prozent und in den Amazonasgebieten mehr als 10 Prozent. In großen Höhen hatten die Menschen seltener ein Oropouche-Fieber durchlebt als in der wärmeren Tiefebene. Der Vergleich von Blutproben verschiedener Jahre wies außerdem darauf hin, dass das Infektionsgeschehen von Jahr zu Jahr schwankt.

    Studie schätzt Oropouche-Infektionsrisiko für alle Länder Lateinamerikas ab

    Was aber treibt das Infektionsgeschehen an? Um das herauszufinden, analysierten die Forschenden per Maschinellem Lernen, ob zwischen Oropouche-Infektionen und einer Reihe von Umwelt- und demografischen Faktoren ein Zusammenhang besteht. Der Auswertung zufolge haben klimatische Bedingungen wie Regen und konstante Temperaturen offenbar den größten Einfluss auf das Vorkommen des Oropouche-Virus. „Wir gehen deshalb davon aus, dass der aktuelle Oropouche-Ausbruch durch Wetterphänomene wie El Niño angeheizt worden ist“, erklärt Jan Felix Drexler. „Hinweise auf veränderte Eigenschaften des Virus als alternative Erklärung für die aktuell hohen Fallzahlen haben wir dagegen nicht gefunden. Ich halte es für möglich, dass sich das Oropouche-Virus im Zuge des Klimawandels in Zukunft noch weiter ausbreiten wird.“

    Auf Basis der Erkenntnisse schätzte das Forschungsteam das Oropouche-Infektionsrisiko für ganz Lateinamerika ab und stellte es auf einer Übersichtskarte dar. „Das Hauptverbreitungsgebiet des Oropouche-Virus ist der Amazonas-Regenwald“, resümiert Jan Felix Drexler. „Ein hohes Risiko für Infektionen besteht aber auch in Teilen Zentralamerikas und der Karibik sowie im Süden und an der Küste Brasiliens.“

    Schutz vor Infektionen vor Ort

    „Neben dem Dengue- und Chikungunya-Virus ist das Oropouche-Virus vermutlich das häufigste von Insekten verbreitete Virus in Lateinamerika“, betont Jan Felix Drexler. Um sich vor einer Infektion zu schützen, rät er bei einem Besuch der Region zu einem konsequenten Schutz vor Insektenstichen. „Zum Schutz gegen das Oropouche-Virus, aber auch gegen andere tropische Viren wie Dengue oder Zika, empfiehlt es sich, lange Kleidung zu tragen und Insektenabwehrmittel mit DEET oder Icaridin zu nutzen“, sagt der Mediziner. „Moskitonetze können ebenfalls Schutz bieten, wenn sie feinmaschig genug sind.“ Das Virus wird hauptsächlich von sogenannten Gnitzen übertragen, also sehr kleinen Stechmücken von bis zu 3 Millimetern Länge, die von herkömmlichen Netzen aufgrund der zu großen Maschen nicht abgehalten werden. Schwangeren empfiehlt Jan Felix Drexler, sich vor einem Aufenthalt in Risikogebieten reisemedizinisch beraten zu lassen, solange das intensive Infektionsgeschehen anhält und die Folgen einer Oropouche-Infektion für Ungeborene noch nicht klar sind.

    Über die Studie
    Die Arbeit ist im Rahmen des Projektes „Zoonosis Emergence across Degraded and Restored Forest Ecosystems” (ZOE) entstanden, das von der EU-Kommission im Forschungsrahmenprogramm „Horizon Europe“ gefördert wird, und wurde von zahlreichen weiteren Fördergebern unterstützt.

    *Fischer C, Frühauf A, Inchauste L et al. The spatio-temporal ecology of Oropouche virus: a laboratory-based modelling study across Latin America. Lancet Infect Dis 2025 Apr 14. doi: 10.1016/S1473-3099(25)00110-0

    Vollständige Bildunterschrift:
    Geschätztes Grundrisiko einer Infektion mit dem Oropouche-Virus in Lateinamerika. In den meisten Risikogebieten sind Fälle des Oropouche-Fiebers in der Vergangenheit bzw. während des aktuellen Ausbruchs beschrieben worden. In einigen Risikogebieten sind dagegen offiziell bisher keine Fälle gemeldet worden, die Umweltbedingungen könnten aber für eine Ausbreitung des Virus günstig sein. © Charité | Anna Frühauf (Abbildung aus der Originalpublikation in The Lancet Infectious Diseases)


    Wissenschaftliche Ansprechpartner:

    Prof. Jan Felix Drexler (über das Charité-Pressebüro)
    Institut für Virologie
    Charité – Universitätsmedizin Berlin
    T: +49 30 450 570 400
    E-Mail: presse@charite.de


    Originalpublikation:

    https://.doi.org/10.1016/S1473-3099(25)00110-0


    Weitere Informationen:

    https://www.thelancet.com/journals/laninf/article/PIIS1473-3099(25)00110-0/fullt... Originalpublikation
    https://www.buzzsprout.com/1740310/episodes/16910213 Podcast zur Publikation mit Prof. Jan Felix Drexler
    https://virologie-ccm.charite.de/ Institut für Virologie
    https://www.charite.de/service/pressemitteilung/artikel/detail/wie_stark_beguens... Charité-Pressemitteilung vom 3. Januar 2024


    Bilder

    Geschätztes Grundrisiko einer Infektion mit dem Oropouche-Virus in Lateinamerika. [Vollständige Bildunterschrift s. Haupttext!]
    Geschätztes Grundrisiko einer Infektion mit dem Oropouche-Virus in Lateinamerika. [Vollständige Bild ...
    Anna Frühauf
    © Charité | Anna Frühauf (Abbildung aus der Originalpublikation in The Lancet Infectious Diseases)


    Anhang
    attachment icon Geschätztes Grundrisiko einer Infektion mit dem Oropouche-Virus in Lateinamerika. [nur Karte]

    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Journalisten, Wissenschaftler, jedermann
    Biologie, Medizin, Meer / Klima, Umwelt / Ökologie
    überregional
    Forschungsergebnisse, Wissenschaftliche Publikationen
    Deutsch


     

    Geschätztes Grundrisiko einer Infektion mit dem Oropouche-Virus in Lateinamerika. [Vollständige Bildunterschrift s. Haupttext!]


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