Der Zugang zu wissenschaftlichen Erkenntnissen ist für die Wissenschaft aber auch für die Bewältigung gesellschaftlicher Herausforderungen unerlässlich. Bezahlschranken begrenzen diesen Zugang oftmals, was zu Lasten öffentlicher Mittel und zunehmend auch auf Kosten wissenschaftlicher Qualität geht. Vor diesem Hintergrund schlagen die Autorinnen und Autoren eines heute veröffentlichten Diskussionspapiers der Nationalen Akademie der Wissenschaften Leopoldina ein neues Finanzierungsprinzip für wissenschaftliche Publikationen vor, das diese ohne Bezahlschranken für alle zugänglich macht.
Ein wesentlicher Bestandteil ist demnach, dass die Finanzierung der Zeitschriften nach dem gleichen Verfahren erfolgt, nach dem auch Forschung durch öffentliche Mittel finanziert wird. Dazu gehört ein Antragsverfahren zum Betrieb einer Zeitschrift sowie regelmäßige Evaluation. Damit sollen die Qualität, Transparenz und wissenschaftliche Relevanz langfristig gesichert und gleichzeitig die Kosten gesenkt werden.
Das Publikationswesen für wissenschaftliche Zeitschriften wird derzeit weltweit von einigen wenigen, gewinnorientierten Verlagen dominiert, so die Autorinnen und Autoren. Einnahmen entstehen durch Abonnementverträge mit Bibliotheken oder durch Einziehung von Gebühren, um die Ergebnisse zu veröffentlichen, sogenannte „Article Processing Charges“ (APCs). Da die Finanzierung der Wissenschaft und der wissenschaftlichen Bibliotheken eine öffentliche Aufgabe ist, erfolgt die Gewinnerzielung der Verlage letztlich über die Inanspruchnahme öffentlicher Mittel. Dabei sind Monopolstrukturen ohne ausreichende Marktkontrolle entstanden, die das wissenschaftliche Publizieren stark verteuert haben, ohne einen wissenschaftlichen Mehrwert zu erbringen. Um diese Entwicklung zu korrigieren, sollte das wissenschaftliche Publizieren nach den gleichen Prinzipien öffentlich finanziert und kontrolliert werden wie die Forschung selbst, so die Autorinnen und Autoren. Sie empfehlen deswegen die Etablierung des sogenannten Diamond-Open-Access-Modells, das den freien Zugang sowohl für Veröffentlichende als auch für Leserinnen und Leser gewährleistet. Der Betrieb und die Finanzierung von Zeitschriften, die nach diesem Modell arbeiten, bleiben in der Hand wissenschaftlicher Fachgesellschaften oder Institutionen, die dafür ein Budget erhalten. Mit diesem Budget können sie in einem wettbewerblichen Verfahren Dienstleister mit der Umsetzung einzelner Publikationskomponenten beauftragen.
Der Betrieb einer Zeitschrift im vorgeschlagenen Fördersystem solle auf einem Antrag basieren, der von einer Fachgesellschaft, einer Akademie oder einer öffentlichen Institution mit wissenschaftlichem oder infrastrukturellem Auftrag eingebracht wird. Die Begutachtung der Anträge solle nach den etablierten Kriterien derjenigen Forschungs- oder Förderorganisationen erfolgen, die auch die Begutachtung von Forschungsmitteln organisieren, so die Expertinnen und Experten. Als konkrete nächste Schritte zur Implementierung des vorgeschlagenen Finanzierungsverfahrens empfiehlt das Diskussionspapier die Einbindung von Vertreterinnen und Vertretern von Fachgesellschaften, die wissenschaftliche Zeitschriften herausgeben, um die voraussichtlich notwendigen Budgets und die Ausgestaltung des Antragsverfahrens besser abschätzen zu können. Für das neue Verfahren solle ein Pilotprojekt national ausgeschrieben werden. Ferner schlagen die Expertinnen und Experten die Initiierung einer internationalen Arbeitsgruppe zur Etablierung einer supranationalen Ko-Finanzierung vor.
Das Diskussionspapier „Ein neues Verfahren zur direkten Finanzierung und Evaluation wissenschaftlicher Zeitschriften“ ist auf der Website der Leopoldina veröffentlicht: https://www.leopoldina.org/publizieren-finanzierung
Publikationen in der Reihe „Leopoldina-Diskussion“ sind Beiträge der genannten Autorinnen und Autoren. Mit den Diskussionspapieren bietet die Akademie Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern die Möglichkeit, flexibel und ohne einen formellen Arbeitsgruppen-Prozess Denkanstöße zu geben oder Diskurse anzuregen und hierfür auch Empfehlungen zu formulieren. Die in Diskussionspapieren vertretenen Thesen und Empfehlungen stellen daher keine inhaltliche Positionierung der Akademie dar.
Das Diskussionspapier wurde von Mitgliedern der Leopoldina-Arbeitsgruppe „Zukunft des wissenschaftlichen Publizierens“ erarbeitet. An der Arbeitsgruppe sind Expertinnen und Experten aus den Bereichen Physik, Chemie, Biochemie, Mathematik, Elektrochemie, Materialwissenschaften, Evolutionsbiologie, Bioinformatik, Geschichte, Wissenschaftsforschung, Ökologie und Wirtschaftswissenschaften beteiligt. Sprecher der Arbeitsgruppe ist Prof. Dr. Diethard Tautz. Zur Arbeitsgruppe: https://www.leopoldina.org/politikberatung/arbeitsgruppen/zukunft-des-wissenscha...
Am 2. und 3. Juni veranstaltet die Arbeitsgruppe das Symposium „Zukunft der Finanzierung wissenschaftlicher Publikationen“. Im Rahmen dieses Symposiums sollen die organisatorischen, finanziellen, rechtlichen und fachspezifischen Herausforderungen, die sich aus den Vorschlägen der AG ergeben, identifiziert und diskutiert werden. Ziel ist es, tragfähige Wege für eine Transformation hin zu einem gemeinwohlorientierten Publikationssystem zu entwickeln. Das Symposium soll einen wichtigen Impuls für eine neue Förderarchitektur im Bereich wissenschaftlicher Publikationen geben. Zu dem Symposium sind alle Interessierten herzlich eingeladen. Die Teilnahme ist kostenlos. Den Link zur erforderlichen Anmeldung sowie das vollständige Programm finden Sie unter: https://www.leopoldina.org/publizieren-finanzierung-symposium
Journalistinnen und Journalisten, die an dem Symposium teilnehmen möchten, melden sich bitte unter presse@leopoldina.org an.
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Über die Nationale Akademie der Wissenschaften Leopoldina:
Als Nationale Akademie der Wissenschaften leistet die Leopoldina unabhängige wissenschaftsbasierte Politikberatung zu gesellschaftlich relevanten Fragen. Dazu erarbeitet die Akademie interdisziplinäre Stellungnahmen auf der Grundlage wissenschaftlicher Erkenntnisse. In diesen Veröffentlichungen werden Handlungsoptionen aufgezeigt, zu entscheiden ist Aufgabe der demokratisch legitimierten Politik. Die Expertinnen und Experten, die Stellungnahmen verfassen, arbeiten ehrenamtlich und ergebnisoffen. Die Leopoldina vertritt die deutsche Wissenschaft in internationalen Gremien, unter anderem bei der wissenschaftsbasierten Beratung der jährlichen G7- und G20-Gipfel. Sie hat rund 1.700 Mitglieder aus mehr als 30 Ländern und vereinigt Expertise aus nahezu allen Forschungsbereichen. Sie wurde 1652 gegründet und 2008 zur Nationalen Akademie der Wissenschaften Deutschlands ernannt. Die Leopoldina ist als unabhängige Wissenschaftsakademie dem Gemeinwohl verpflichtet.
Medienkontakt:
Julia Klabuhn
Kommissarische Leiterin der Abteilung Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
Tel.: +49 (0)345 472 39-800
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Merkmale dieser Pressemitteilung:
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Deutsch
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