„Kann eine Ehe ohne Sex eine glückliche sein?“, fragte 2024 ein Artikel im New York Times Magazine. Anhand von 30 verheirateten Paaren, die in Interviews über ihre Beziehungen berichteten, hatte eine Journalistin die These aufgestellt, dass unter einem sexlosen Eheleben nicht zwingend die Beziehungszufriedenheit leiden müsse – eine überraschende Feststellung, denn gemeinhin gilt: Ein erfülltes Sexualleben ist ein elementarer Bestandteil einer glücklichen Beziehung. Um diesen Widerspruch zu ergründen, hat der Psychologe Franz J. Neyer von der Universität Jena gemeinsam mit einem internationalen Team überprüft, was dran ist am vermeintlichen Phänomen der „happy sexless couples“: nicht viel!
„Dass es generell einen Zusammenhang zwischen regelmäßigem Geschlechtsverkehr und der Beziehungszufriedenheit gibt, ist schon lange bekannt“, erklärt Prof. Dr. Franz Neyer. „Wir haben nun den Artikel zum Anlass genommen, um zu überprüfen, ob unsere Forschungsdaten zur Häufigkeit des Sex eine substanzielle Gruppe an Beziehungen ausweisen, die das beschriebene Phänomen unterstützt.“ Dafür haben die Psychologinnen und Psychologen aus Jena, Kanada und den USA Informationen von rund 2.100 deutschen, heterosexuellen Paaren im Alter zwischen 20 und 39 Jahren ausgewertet. Über 86 Prozent der befragten Paare gaben an, sehr zufrieden mit ihrer Beziehung zu sein und häufig – etwa einmal wöchentlich – Sex zu haben. 3,6 Prozent hatten seltener Sex – weniger als zwei bis drei Mal im Monat – und zeichneten sich durch eine geringere Zufriedenheit aus. Zwei weitere Gruppen im jeweils einstelligen Prozentbereich wiesen bei seltenerem Sex ein uneiniges Bild die Zufriedenheit betreffend auf. Hielten die Forschenden gezielt nach Paaren Ausschau, die selten Sex haben, aber trotzdem mit ihrer Beziehung hoch zufrieden sind, so konnten sie nur 49 Paare – also lediglich 2,3 Prozent – identifizieren. „Die signifikante Gruppe der ,Happy Sexless Couples’ gibt es also nicht“, resümiert der Jenaer Persönlichkeitspsychologe.
Mediales Phänomen bildet nicht die Realität ab
Doch ist es Franz Neyer wichtig zu betonen, dass die Studie kein normatives Bild zeichnet, wie eine Beziehung auszusehen habe und dass Sexualität hierbei zwingend dazugehöre. „Jede Beziehung ist anders und viele verschiedene Faktoren, die wir in dieser Analyse nicht aufgreifen, spielen für die Zufriedenheit eine Rolle“, sagt er. Das Team beschränke sich zudem auf die Altersgruppe der jungen Erwachsenen – wie sich der Zusammenhang im Alter verhält, wenn sich die Bedeutung von Sexualität ändert, konnte das Team auf dieser Datenbasis nicht untersuchen. Diese Gruppe habe aber auch der Artikel des New York Times Magazine nicht angesprochen.
Trotzdem seien solche Untersuchungen wichtig, um zu zeigen, dass solche medial häufig thematisierten Beziehungsphänomene nicht zwingend die Realität abbilden. Sie böten jedoch zumindest den Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern die Möglichkeit, Forschungsfragen in die Öffentlichkeit zu bringen und gesellschaftliche Diskurse anzuregen.
Daten aus Langzeitstudie
Die Daten für die Untersuchung stammen aus der repräsentativen Langzeitstudie pairfam, während der Psychologinnen und Psychologen sowie Soziologen und Soziologinnen von 2008 bis 2022 jährlich rund 12.000 Personen, deren Partnerinnen und Partner sowie deren Familienmitglieder befragt hatten, um über einen längeren Zeitraum Informationen zur Lebens- und Beziehungszufriedenheit der Probandinnen und Probandinnen zu erlangen. Während die Erhebung der Daten abgeschlossen ist, fließt deren Auswertung nach wie vor in eine Vielzahl von Studien ein.
Prof. Dr. Franz J. Neyer
Institut für Psychologie der Universität Jena
Humboldtstraße 11, 07743 Jena
Tel.: 03641/945161
E-Mail: franz.neyer@uni-jena.de
M. D. Johnson et al.: How Are Sexual Frequency and Relationship Satisfaction Intertwined? A Latent Profile Analysis of Male–Female Couples, Journal of Family Psychology, 2025, https://doi.org/10.1037/fam0001331
Ein junges Paar auf einer Bank.
(Foto: Anne Günther/Uni Jena)
Merkmale dieser Pressemitteilung:
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Psychologie
überregional
Forschungsergebnisse, Wissenschaftliche Publikationen
Deutsch
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