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24.04.2025 14:09

Wenn Hunger die Wahrnehmung steuert

Referat Medien- und Öffentlichkeitsarbeit, Abteilung 2
Universität Hamburg

    Warum greifen wir eher zu ungesundem Essen, wenn wir hungrig sind? Eine neue Studie von Forschenden der Universität Hamburg zeigt: Hunger beeinflusst nicht nur unsere Vorlieben, sondern auch, worauf wir bei Lebensmitteln im entscheidenden Moment achten. Informationen über Nährwert und Gesundheit treten bei der Essenswahl in den Hintergrund.

    Mit leerem Magen durch die Gänge eines Supermarktes schlendern und abwägen: gesund und nahrhaft oder lieber ungesund, dafür aber umso schmackhafter? Das kennt wohl jeder, der regelmäßig vor den bunten Lebensmittelregalen steht. Forschende haben nun in der Fachzeitschrift „eLife“ eine Studie veröffentlicht, in der sie mithilfe von Verhaltensmessungen, Eye-Tracking und computergestützten Modellierungen neue Einblicke in den kognitiven Entscheidungsprozess bei der Lebensmittelauswahl geben.

    „Obwohl schon lange bekannt ist, dass hungrige Menschen häufiger zu ungesunden Lebensmitteln greifen, wollten wir die kognitiven Mechanismen, die diesem Phänomen zugrunde liegen, genauer verstehen“, erklärt Jennifer March, Wissenschaftlerin an der Fakultät für Psychologie und Bewegungswissenschaft der Universität Hamburg und Co-Autorin der Studie.

    Experiment unter kontrollierten Bedingungen

    Gemeinsam mit Prof. Dr. Sebastian Gluth, Leiter der Arbeitsgruppe für Kognitives Modellieren und Entscheidungsneurowissenschaften, leitete March die Studie, für die 70 Erwachsene aus Hamburg und Umgebung untersucht wurden. Jeder Teilnehmende durchlief zwei Versuchsschleifen – einmal hungrig, einmal gesättigt. Dabei wählten sie zwischen jeweils zwei Essensoptionen: einer gesünderen, aber weniger schmackhafteren, und einer ungesunden, aber dafür umso schmackhafteren Option. Beide Varianten waren mit dem Nutri-Score, einer gängigen Nährwertkennzeichnung, versehen.

    Mittels Eye-Tracking wurde erfasst, welche Informationen die Probanden beim Entscheiden besonders beachteten. Die Auswertung erfolgte mithilfe eines computergestützten Entscheidungsmodells, dem sogenannten „multi-attribute attentional Drift Diffusion Model“.

    Hunger verändert, worauf wir achten – und wie wir entscheiden

    Das Ergebnis: Bereits im Normalzustand bevorzugten die meisten Studienteilnehmenden geschmacklich ansprechender präsentierte Lebensmittel. Im hungrigen Zustand wurde dieser Effekt deutlich verstärkt. Die Aufmerksamkeit wanderte eher zu den visuell und geschmacklich attraktiveren Optionen – während die Nährwertinformationen, etwa der Nutri-Score, seltener beachtet wurden. Gleichzeitig wurden Entscheidungen im hungrigen Zustand schneller getroffen.

    „Unsere Daten zeigen, dass Hunger die Gewichtung von Informationen im Entscheidungsprozess verändert. Geschmack bekommt mehr Gewicht, Gesundheitsaspekte geraten aus dem Blickfeld“, fasst March zusammen.

    Rückschlüsse der Studie für die Bevölkerungsgesundheit

    Die Ergebnisse legen nahe, dass einfache Maßnahmen wie Nährwertkennzeichnungen allein möglicherweise nicht ausreichen, um gesunde Essensentscheidungen zu fördern – vor allem nicht bei hungrigen Menschen. Zukünftige gesundheitsfördernde Maßnahmen sollten deshalb besonders darauf abzielen, die Aufmerksamkeit stärker auf gesunde Aspekte zu lenken, etwa durch visuelle Hervorhebungen oder intelligente Platzierung in Supermärkten und Kantinen.
    „Hunger verändert nicht nur unser Verhalten, sondern auch, wie unser Gehirn Informationen verarbeitet“, betont Gluth. "Wer gesunde Entscheidungen fördern möchte, sollte das Entscheidungsverhalten unter realen Bedingungen – inklusive Hungergefühl – stärker in den Blick nehmen."


    Wissenschaftliche Ansprechpartner:

    Jennifer March, MSc.
    Universität Hamburg
    Fakultät für Psychologie und Bewegungswissenschaft
    Kognitive Modellierung und Neurowissenschaften des Entscheidens
    Tel.: +49 40 42838-5437
    E-Mail: jennifer.march@uni-hamburg.de

    Prof. Dr. Sebastian Gluth
    Universität Hamburg
    Kognitive Modellierung und Neurowissenschaften des Entscheidens
    Tel.: +49 40 42838-4784
    E-Mail: sebastian.gluth@uni-hamburg.de


    Originalpublikation:

    https://elifesciences.org/reviewed-preprints/103736#s2


    Bilder




    Jennifer March


    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Journalisten, Wissenschaftler, jedermann
    Ernährung / Gesundheit / Pflege, Gesellschaft, Medizin, Psychologie
    überregional
    Forschungsergebnisse, Wissenschaftliche Publikationen
    Deutsch


     


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