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24.04.2025 17:43

Vom Feind zum Helfer: Immunzellen können Blutgerinnsel auflösen

Christine Vollgraf Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
Deutsches Zentrum für Herz-Kreislauf-Forschung e.V.

    Ein Forschungsteam des LMU Klinikums München und des Deutschen Zentrums für Herz-Kreislauf-Forschung (DZHK) hat eine bisher unbekannte Rolle bestimmter Immunzellen bei der Auflösung von Blutgerinnseln (Thromben) entdeckt. Die Ergebnisse wurden heute in der Fachzeitschrift Immunity veröffentlicht.

    Blutgerinnsel können zu lebensbedrohlichen Erkrankungen wie Schlaganfällen, Herzinfarkten oder Lungenembolien führen. Bisher galten Immunzellen wie Neutrophile und Monozyten vor allem als Mitverursacher solcher Thrombosen. Die neue Studie zeigt jedoch, dass diese Zellen auch eine heilende Rolle spielen können – vorausgesetzt, sie sind in der richtigen „Stimmung“.

    Ein Blick ins Gerinnsel – erstmals mit präziser und umfassender Auflösung auf Einzelzellebene

    Für ihre Untersuchungen nutzten die Forschenden Thromben, die im Rahmen einer mechanischen Thrombektomie bei Schlaganfallpatienten entnommen wurden. Dieses Verfahren zur Wiedereröffnung verschlossener Hirngefäße ermöglichte den seltenen Zugriff auf frisches Thrombusmaterial während der akuten Krankheitsphase. Zusätzlich wurden Blutproben derselben Patienten analysiert, um die Immunzellzusammensetzung im Thrombus mit der im Blut zu vergleichen.

    Thromben können sich in allen Gefäßbereichen des Körpers bilden. Für diese Studie wählten die Forschenden Hirnarterien, weil sie im klinischen Alltag gut zugänglich sind und sich das entnommene Material standardisiert und schonend weiterverarbeiten lässt – ein wichtiger Faktor, um empfindliche Zelltypen wie Neutrophile zuverlässig untersuchen zu können.

    Mittels modernster Einzelzelltechnologien wie Single-Cell RNA-Sequenzierung und CITE-seq konnten die beteiligten Immunzellen mit bisher unerreichter Auflösung charakterisiert werden. Ergänzend kamen Mausmodelle und in-vitro Experimente zum Einsatz, um die beobachteten Mechanismen funktionell zu bestätigen.

    Die Entdeckung: Immunzellen helfen bei der Thrombusauflösung

    Die Forschenden fanden heraus, dass bestimmte Monozyten – sogenannte nicht-klassische Monozyten – Neutrophile anlocken, die sich im sauerstoffarmen Milieu des Thrombus in eine Form umwandeln, die blutgerinnselauflösende Enzyme produziert, insbesondere den Urokinase-Rezeptor (PLAUR). Die Autoren nennen diesen Prozess „Immunothrombolyse“.

    „Unsere Ergebnisse zeigen, dass Immunzellen nicht nur Schaden anrichten, sondern auch helfen können, Thromben wieder aufzulösen“, sagt Dr. Kami Pekayvaz, Erstautor der Studie und Clinician Scientist an der Medizinischen Klinik I des LMU Klinikums. „Diese Erkenntnis eröffnet ganz neue therapeutische Möglichkeiten.“

    Neue Wege in der Thrombosebehandlung

    Besonders interessant ist: Wird ein bestimmter Signalweg in den Neutrophilen künstlich aktiviert – der sogenannte HIF1a-Signalweg – entwickeln die Zellen verstärkt thrombusauflösende Eigenschaften. Wenn der Mechanismus blockiert wurde, lösten sich die Thromben bei betroffenen Mäusen deutlich schlechter auf.

    „Bisherige Medikamente zur Thrombolyse wirken zwar schnell, erhöhen aber das Risiko für gefährliche Blutungen“, erklärt Prof. Konstantin Stark, Letztautor der Studie und Leitender Oberarzt an der Medizinischen Klinik I des LMU Klinikums. „Wenn es gelingt, die körpereigene Immunabwehr gezielt so zu steuern, dass sie Thromben auflöst, könnte das eine schonendere Behandlungsform sein.“

    Ein neues Bild vom Blutgerinnsel

    Die Studie liefert eine hochdetaillierte Landkarte der Immunzellaktivität im Thrombus – sowohl beim Menschen als auch in Tiermodellen. Sie zeigt, dass sich Thromben nach ihrer Entstehung dynamisch verändern können und dabei auch immunologisch getriebene heilende Prozesse stattfinden. Die Erkenntnisse könnten langfristig helfen, neue Therapien in der Behandlung von Thrombosen zu entwickeln, welche gefährliche Blutungsnebenwirkungen umgehen.


    Wissenschaftliche Ansprechpartner:

    Dr. Kami Pekayvaz, Medizinische Klinik I, LMU Klinikum München, kami.pekayvaz@med.uni-muenchen.de

    Prof. Dr. Konstantin Stark, Medizinische Klinik I, LMU Klinikum München, konstantin.stark@med.uni-muenchen.de


    Originalpublikation:

    Pekayvaz et al. (2025): Immunothrombolytic monocyte-neutrophil axes dominate the single-cell landscape of human thrombosis and correlate with thrombus resolution. Immunity (2025), https://www.cell.com/immunity/fulltext/S1074-7613(25)00139-6


    Bilder

    Neutrophile gelten als Mitverursacher von Thrombosen. Doch aktuelle Forschung zeigt, dass die Immunzellen auch zur Heilung beitragen können – wenn sie in der richtigen Stimmung sind.
    Neutrophile gelten als Mitverursacher von Thrombosen. Doch aktuelle Forschung zeigt, dass die Immunz ...

    Symbolbild: nicht zur redaktionellen Verwendung. | jarun011 - stock.adobe.com


    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Journalisten, Studierende, Wissenschaftler
    Biologie, Ernährung / Gesundheit / Pflege, Medizin
    überregional
    Forschungsergebnisse
    Deutsch


     

    Neutrophile gelten als Mitverursacher von Thrombosen. Doch aktuelle Forschung zeigt, dass die Immunzellen auch zur Heilung beitragen können – wenn sie in der richtigen Stimmung sind.


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