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29.04.2025 11:00

GIP-Rezeptor: Aktivierung und Blockade unterstützen Gewichtsverlust

Birgit Niesing Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
Deutsches Zentrum für Diabetesforschung

    Zur Behandlung von Adipositas und Typ-2-Diabetes werden auch Medikamente eingesetzt, die an die Rezeptoren für die Hormone GLP-1 und GIP binden und diese aktivieren. Derzeit werden Wirkstoffe entwickelt, die den GIP-Rezeptor nicht nur aktivieren (Agonisten), sondern auch blockieren (Antagonisten). Auch sie reduzieren das Körpergewicht. Ein Team von Helmholtz Munich, dem Deutschen Zentrum für Diabetesforschung (DZD) und der Ludwig-Maximilians-Universität München (LMU) hat nun herausgefunden, warum die gleichzeitige Aktivierung und Blockade des GIP-Rezeptors die Gewichtsabnahme fördert. Diese neuen Erkenntnisse könnten den Weg für gezieltere Medikamente gegen Übergewicht ebnen.

    Agonisten und Antagonisten des GIP-Rezeptors beeinflussen durch verschiedene Mechanismen im Gehirn das Körpergewicht und die Nahrungsaufnahme. Dies zeigen Untersuchungen unter Leitung des DZD-Wissenschaftler Prof. Dr. Timo Müller von Helmholtz Munich. Die aktuellen Ergebnisse haben Forschenden von Helmholtz Munich, dem DZD, dem Walther-Straub-Institut für Pharmakologie und Toxikologie, der LMU und Eli Lilly jetzt in Nature Metabolism veröffentlicht.

    Inkretine wirken auch auf das zentrale Nervensystem
    Zum Hintergrund: Im Darm gebildete Hormone (Inkretine) wie GLP-1 (Glucagon-like Peptide-1) und GIP (Glucose-dependent Insulinotropic Polypeptide) spielen eine zentrale Rolle bei der Regulation des Blutzuckerspiegels und des Energiestoffwechsels. Nach der Nahrungsaufnahme werden sie im Darm freigesetzt und entfalten eine Vielzahl von Effekten. So fördern sie abhängig vom Blutzucker die Ausschüttung von Insulin aus der Bauchspeicheldrüse – ein Mechanismus, der als Inkretin-Effekt bekannt ist. Gleichzeitig hemmt insbesondere GLP-1 die Freisetzung von Glukagon, einem Hormon, das den Blutzuckerspiegel erhöht.

    Darüber hinaus verlangsamt GLP-1 die Magenentleerung, wodurch der Anstieg des Blutzuckers nach dem Essen abgemildert wird. Beide Hormone wirken außerdem auf das zentrale Nervensystem – vor allem GLP-1 reduziert über spezifische Sättigungszentren im Gehirn das Hungergefühl. Auch GIP scheint über andere neuronale Wege Einfluss auf Appetit und Nahrungsaufnahme zu nehmen.

    Agonisten und Co-Agonisten helfen beim Abnehmen
    Dass GLP-1-Agonisten wie Semaglutid bei der Gewichtsreduktion helfen, ist wissenschaftlich gut untersucht. Noch stärkere Effekte lassen sich erzielen, wenn zusätzlich der GIP-Rezeptor stimuliert wird – zum Beispiel durch Tirzepatid, das beide Rezeptoren gleichzeitig aktiviert (Polyagonist). Überraschend ist: Auch Medikamente, die den GIP-Rezeptor blockieren – GIPR-Antagonisten – können in Kombination mit GLP-1-Agonisten das Gewicht senken.

    Frühere Studien haben gezeigt, dass GIPR-Agonisten im Gehirn unabhängig vom GLP-1-Rezeptor wirken. Sie tun dies über Neuronen, die den hemmenden Neurotransmitter Gamma-Aminobuttersäure (GABA) freisetzen (GABAerge Neuronen). Wie jedoch GIPR-Antagonisten ihre Wirkung entfalten, war bislang unklar.

    Wie GIPR-Agonisten und -Antagonisten das Körpergewicht senken
    In ihrer Studie haben die Forschenden transgene Mäuse eingesetzt, bei denen der GIP-Rezeptor in GABAergen Neuronen gezielt ausgeschaltet worden ist. Zusätzlich führten sie Einzelzell-RNA-Sequenzierungen (scRNA-seq) bei Wildtyp-Mäusen durch. Ziel war, herauszufinden, wie und an welchen Stellen im Gehirn GIPR-Agonisten und -Antagonisten den Energiestoffwechsel beeinflussen.

    „Unsere Studie zeigt, dass GIPR-Agonisten und -Antagonisten zwar beide zu Gewichtsverlust und geringerer Nahrungsaufnahme führen. Dies geschieht jedoch über völlig unterschiedliche und voneinander unabhängige Mechanismen. Unsere Arbeiten erklären, wie GIPR-Agonisten und -Antagonisten im Gehirn wirken, um den Energiestoffwechsel zu regulieren“, sagt Letztautor der Studie Timo Müller, der auch Direktor des Institute for Diabetes and Obesity ist. So ist der Effekt von GIPR-Agonisten nur möglich, wenn das GIPR-Signal in GABAergen Neuronen im Gehirn intakt ist. „Bei GIPR-Antagonisten spielt dieses Signal hingegen keine Rolle“, ergänzt der ko-korrespondierende Autor, Prof Matthias Tschöp, CEO und Wissenschaftlicher Geschäftsführer von Helmholtz Munich. „Umgekehrt gilt: Die Wirkung von GIPR-Antagonisten hängt entscheidend von einer funktionierenden GLP-1R-Signalübertragung ab, während GIPR-Agonisten davon unabhängig wirken“, sagt Robert Gutgesell, der gemeinsam mit Ahmed Khalil Erstautor der Publikation ist.

    Einzelzellanalysen liefern zusätzliche Hinweise: Nur GIPR-Antagonisten – nicht jedoch Agonisten – aktivieren im Hinterhirn ähnliche Signalwege wie der GLP-1-Rezeptor. Das Hinterhirn gilt als wichtige Schaltzentrale für die Steuerung von Appetit und Energiehaushalt.

    „Unsere Daten haben endlich ein Rätsel der biomedizinischen Forschung gelöst“, fasst Müller zusammen. „Obwohl beide Wirkstoffklassen ähnliche Effekte erzielen, setzen sie an völlig unterschiedlichen Stellen im Gehirn an – mit einer Schlüsselrolle des GLP-1-Rezeptors speziell für die Wirkung der GIPR-Antagonisten.“ Die neuen Erkenntnisse können den Weg für eine gezieltere Entwicklung von Medikamenten ebnen, die auf das GIP-System im Gehirn abzielen.

    Helmholtz Munich ist ein biomedizinisches Spitzenforschungszentrum. Seine Mission ist, bahnbrechende Lösungen für eine gesündere Gesellschaft in einer sich schnell verändernden Welt zu entwickeln. Interdisziplinäre Forschungsteams fokussieren umweltbedingte Krankheiten, insbesondere die Therapie und die Prävention von Diabetes, Adipositas, Allergien und chronischen Lungenerkrankungen. www.helmholtz-munich.de

    Das Deutsche Zentrum für Diabetesforschung (DZD e.V.) ist eines der acht Deutschen Zentren der Gesundheitsforschung. Es bündelt Experten auf dem Gebiet der Diabetesforschung und verzahnt Grundlagenforschung, Epidemiologie und klinische Anwendung. Ziel des DZD ist es, über einen neuartigen, integrativen Forschungsansatz einen wesentlichen Beitrag zur erfolgreichen, maßgeschneiderten Prävention, Diagnose und Therapie des Diabetes mellitus zu leisten. www.dzd-ev.de


    Wissenschaftliche Ansprechpartner:

    Prof. Dr. rer. nat. Timo Müller
    Director, Institute for Diabetes and Obesity (Helmholtz Munich)
    Professur für Molekulare Pharmakologie des Energie- und Glukosestoffwechsels an der Medizinischen Fakultät der Ludwig-Maximilians-Universität München
    Walther-Straub-Institut für Pharmakologie und Toxikologie
    Ingolstädter Landstraße 1
    85764 Neuherberg
    Telefon: +4989 3187 2106
    E-Mail: timodirk.mueller@helmholtz-munich.de


    Originalpublikation:

    Robert M. Gutgesell et al.: GIPR agonism and antagonism decrease body weight and food intake via different mechanisms in male mice. DOI: 10.1038/s42255-025-01294-x, Nature Metabolism


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    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Journalisten, Wissenschaftler
    Biologie, Chemie, Ernährung / Gesundheit / Pflege, Medizin
    überregional
    Forschungs- / Wissenstransfer, Forschungsergebnisse
    Deutsch


     

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