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30.04.2025 16:28

Geobiologie: Eisen, Schwefel, Hitze – und erstes Leben

LMU Stabsstelle Kommunikation und Presse
Ludwig-Maximilians-Universität München

    Die allerersten Zellen gewannen ihre Energie aus geochemischen Reaktionen. Diesen uralten Stoffwechselprozess konnten LMU-Forschende nun in ihrem Labor nachstellen.

    Der früheste gemeinsame Vorfahr allen Lebens auf der Erde mochte es vermutlich warm, lebte von Wasserstoff und produzierte Methan. Zu diesem Ergebnis kommen LMU-Forschende auf der Grundlage von Fossilbefunden und Stoffwechsel-Rekonstruktionen anhand genetischer Analysen. Bis heute hat sich dieser relativ einfache und sehr ursprüngliche Acetyl-CoA-Stoffwechselweg in vielen Mikroorganismen erhalten.

    Um mehr über den Stoffwechsel eines der wahrscheinlich allerersten Lebewesen der Erde herauszufinden, hat ein Team von LMU-Forschenden um Professor William Orsi aus dem Department für Geo- und Umweltwissenschaften die Bedingungen auf der jungen Erde vor 4 bis 3,6 Milliarden Jahren im Labor nachgestellt. Sie ähnelten teilweise jenen an den heutigen hydrothermalen Quellen am Meeresboden, die auch „Schwarze Raucher“ genannt werden, mit dem großen Unterschied, dass die urzeitlichen Ozeane voll mit gelöstem Eisen waren.

    Starkes Wachstum ganz ohne Nährstoffe

    Im Laborexperiment produzierten die Forschenden kleine Miniaturausgaben solcher „Schwarzer Raucher“. Wie es auch natürlicherweise am Meeresgrund passier, fanden dabei bei hohen Temperaturen Reaktionen von Eisen und Schwefel zu Eisensulfid-Minaeralen wie Mackinawit (FeS) und Greigit (Fe3S4) statt, wobei Wasserstoffgas (H2) entsteht. In diesen sogenannten „Chemical Gardens“ konnte der Einzeller Methanocaldococcus jannaschii aus der Gruppe der Archaeen nicht nur gedeihen, sondern übertraf dabei sogar die Erwartungen der Forschenden: „Die Archaeen haben nicht nur einige Gene des Acetyl-CoA Stoffwechsels überexprimiert, sondern zeigten sogar exponentielles Wachstum“, sagt Vanessa Helmbrecht, Erstautorin der nun in der Fachzeitschrift Nature Ecology & Evolution veröffentlichten Studie. „Wir hatten zu Beginn nur mit einem leichten Wachstum gerechnet, da wir keine zusätzlichen Nährstoffe, Vitamine oder Spurenmetalle zum Experiment hinzugefügt hatten.“ Der Einzeller konnte den durch die abiotische Ausfällung von Eisensulfiden entstehenden Wasserstoffgas also sehr erfolgreich als Energiequelle nutzen.

    Die aus dem Sediment hydrothermaler Schlote auf dem Meeresboden isolierte hyperthermophile Mikrobe Methanocaldococcus jannaschii dient als Modellorganismus für Methanogenese über den Acetyl-CoA-Stoffwechselweg. Ein an extreme Bedingungen angepasster Organismus: "Bei der Kultivierung konnten wir die hochmodernen Kultivierungsanlagen am Archaea Center der Universität Regensburg nutzen, wo uns Professorin Dina Grohmann und Dr. Robert Reichelt unterstützten. Das war sehr wichtig zur Vorbereitung der Experimente in den Chemical Gardens", so William Orsi. 

    Evolutionär ältester Stoffwechselprozess

    Die Zellen hielten sich in den „Chemical Gardens“ stets in unmittelbarer Nähe zu den Mackinawit-Partikeln auf. Das passt zum Fossilbefund, wonach einige aus der Frühzeit der Erde stammenden geologische Lagerstätten solcher Mineralien fossile Spuren ersten mikrobiellen Lebens enthalten.

    Die Forschenden schließen aus den Studienergebnissen, dass chemische Reaktionen bei der Ausfällung von Eisensulfid-Mineralen vor etwa vier Milliarden Jahren ausreichend Energie für das Überleben der allerersten Zellen erzeugt haben und damit die Grundlage für den wasserstoffabhängigen Stoffwechsel der ersten Mikroben auf der jungen Erde legten. Somit ist diese Form der hydrogenen Methanogenese auf Basis anorganisch durch chemische Reaktionen entstandenen Wasserstoffs die evolutionär älteste bekannte Form der Energieerzeugung.

    Blick ins All

    Die LMU-Geobiologen stellen sich nun die Frage, ob die von ihnen beobachteten Stoffwechselprozesse nicht auch außerhalb der Erde stattfinden könnten und es somit extraterrestrische Lebensräume für Archaeen geben könnte. Zum Beispiel auf dem Saturnmond Enceladus. Die NASA handelt ihn bereits als Kandidaten für mögliches Leben, weil zwischen dem Gesteinskern und einem flüssigen Soda-Ozean unter seiner Eisschicht hydrothermale Aktivitäten vermutet werden. „In unserer nächsten Studie bilden wir die Bedingungen von Enceladus im Labor nach und testen, ob Archaeen in der Lage sind, unter solchen Bedingungen zu überleben und zu wachsen“, so Helmbrecht.


    Wissenschaftliche Ansprechpartner:

    Prof. Dr. William Orsi
    Department für Geo- und Umweltwissenschaften
    Ludwig-Maximilians-Universität München
    Tel.: +49 (0) 89 2180 6598
    w.orsi@lrz.uni-muenchen.de


    Originalpublikation:

    Vanessa Helmbrecht, Robert Reichelt et al.: Simulated early Earth geochemistry fuels a hydrogen-dependent primordial metabolism. Nature Ecology & Evolution, 2025.
    https://doi.org/10.1038/s41559-025-02676-w


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    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Journalisten
    Biologie, Chemie, Geowissenschaften, Meer / Klima, Umwelt / Ökologie
    überregional
    Forschungsergebnisse, Wissenschaftliche Publikationen
    Deutsch


     

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