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30.04.2025 17:15

Möglichst lange selbstbestimmt wohnen

Josefina Peisl Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
Hochschule für Technik und Wirtschaft Dresden

    Im AAL-Living Lab der HTW Dresden dreht sich alles um Technologien, die älteren, alleinlebenden Menschen helfen, länger in der eigenen Wohnung zu bleiben.

    Wie können technologische Neuerungen Menschen dabei unterstützen, auch im hohen Alter und bei Beeinträchtigungen ein selbstständiges Leben im vertrauten Wohnumfeld zu führen? Mit dieser Frage beschäftigt sich das „Smart Co-Care Apartment“ (Ambient Assisted Living-Labor) der Arbeitsgruppe Künstliche Intelligenz & Kognitive Robotik an der Fakultät Informatik/Mathematik der HTW Dresden. In dem Projekt geht es unter anderem darum, digitale Anwendungen in bestehende Pflege- und Versorgungsstrukturen einzubinden und deren Auswirkung auf den Alltag von Bewohnerinnen und Bewohnern, Angehörigen und Pflegedienstleistern zu untersuchen.

    Schon seit 2008 arbeitet die Arbeitsgruppe von Professor Hans-Joachim Böhme daran, wie digitale Anwendungen sinnhaft in die stationäre Pflege integriert werden können. Der Schwerpunkt lag zunächst auf mobiler Assistenzrobotik zur Betreuung von Menschen mit Demenz. „Dann bot sich 2019 die Möglichkeit, in der Wohnanlage Bühlau der städtischen Cultus gGmbH in Dresden eine Wohnung mit neuester Technologie auszustatten“, sagt der Projektverantwortliche Mathias Klingner. „So entstand dort innerhalb von drei Jahren unser AAL-Labor.“ Die Ausrüstung der 37 Quadratmeter großen Musterwohnung umfasst neben barrierefreier Einrichtung eine besondere IT-Struktur, zahlreiche Sensoren, ein spezielles Pflegebett sowie ein intelligentes Lichtkonzept.

    Sicherheit und Unterstützung
    Verschiedene Sensoren und Sensorsysteme liefern ein breites Spektrum an Informationen über den Lebensalltag und die Aktivitäten der dort Wohnenden. Die Privatsphäre und Selbstbestimmtheit bleiben dabei gewahrt. Die erhobenen Daten werden ausschließlich lokal vor Ort verarbeitet und abgelegt. Datenschutz und Datensicherheit spielen eine zentrale Rolle im Projekt.

    Vor allem der Fußboden hat es in sich. Unter dem Bodenbelag verbaute Sensoren erfassen die Position und Bewegung aller Personen in der Wohnung. Aus diesen Daten lassen sich Laufwege und Aufenthaltshäufigkeiten und selbst Stürze erkennen. Bei einem Sturz wird automatisch ein Notruf ausgelöst. Aber auch Veränderungen von Tagesrhythmus und Gewohnheiten sind aus den Sensordaten abzulesen, was wiederum Rückschlüsse auf bestimmte Einschränkungen, wie zum Beispiel eine beginnende Demenz, zulässt.

    Das innovative Pflegebett, ein sogenanntes Aufstehbett, ermöglicht es, ohne fremde Hilfe aufzustehen. Aufwendige Sensorik, zu der auch eine Wiegezelle mit mehreren Messpunkten zählt, registriert neben der Belegung auch Daten wie das Gewicht oder die Schlafdauer der Nutzenden. Unterstützung bietet zudem ein intelligentes Beleuchtungssystem, das sich durch Umgebungslichtsensoren und verschiedene Leuchtmittel individuell regelt, abgestimmt auf den Tagesrhythmus der Person. Automatisch gesteuertes Vollspektrum-Licht erleichtert das Aufstehen, nach dem Zubettgehen wird die Beleuchtung gedimmt oder abgeschaltet.

    Digitale Hilfsstrukturen im Praxistest
    „Alle Elemente arbeiten zusammen und bilden ein abgeschlossenes System mit einem zentralen Server. Wer dort wohnt, kommt mit der Technik kaum in Berührung“, so Mathias Klingner. „Beim Aufbau bestand die Herausforderung vor allem darin, die Systeme ganz unterschiedlicher Anbieter in einem gemeinsamen Netzwerk zu integrieren und miteinander sprechen zu lassen.“

    Mit dem Blick darauf, wie sich solche Systeme möglichst nahtlos in den Alltag der Betroffenen und in bestehende pflegerische Strukturen und Prozesse einfügen lassen, kooperiert die Arbeitsgruppe eng mit der Cultus gGmbH sowie mit Fachleuten der Pflegewissenschaften. Seit Fertigstellung 2022 bewohnen einzelne Personen jeweils unterschiedlich lange das AAL-Labor zur Probe. Nach dem Aufenthalt bewerten sie, welche der Technologien und Einrichtungsteile einen positiven Einfluss auf ihren Alltag hatten. Die Musterwohnung, die von der der HTWD betreut und ständig weiterentwickelt wird, dient zugleich als Forschungslabor. Künftig sollen die gewonnenen Daten anonymisiert auch anderen wissenschaftlichen Gruppen zur Verfügung stehen.

    In Kooperation mit der AWO startete das HTWD-Team 2023 in Hoyerswerda den Aufbau eines weiteren „smarten Apartments“, das seit Juli 2024 dauerhaft von einer Person bewohnt wird. Dieses Projekt soll vor allem zeigen, wo die Grenzen der digitalen und technischen Unterstützung in einer solchen Wohnung liegen.

    Im nächsten Schritt will die Arbeitsgruppe weitere Ausbaustufen erforschen, mit denen sich das Living Lab anhand der erhobenen Daten selbstständig auf individuelle Bedürfnisse der Bewohnenden einstellen kann. Zudem ist die Integration eines lokalen Sprachassistenzsystems geplant, dass durch Dr. Oliver Guhr während seiner Promotion in der Arbeitsgruppe speziell für den Einsatz im Pflegebereich entwickelt wurde.

    Forschungsergebnisse im Internet
    Ein digitaler Zwilling auf den Webseiten der Arbeitsgruppe vermittelt einen Eindruck von der Ausstattung der Musterwohnung und lässt interessierte Personen die verbauten Technologien erfahren. Neben dieser Showroom-Funktion sollen damit vor allem Forschungsergebnisse niedrigschwellig und interaktiv kommuniziert werden. „Wir wollen zeigen, wie Wissenschaft mit der interdisziplinären Erforschung, Entwicklung und Verknüpfung moderner Technologien dazu beitragen kann, das Leben im Alter müheloser zu gestalten“, erklärt Projektleiter Professor Hans-Joachim Böhme. „Dies gelingt jedoch nur mit langfristiger und nachhaltiger Finanzierung und Unterstützung“, fährt Böhme fort. Vor diesem Hintergrund hat die Arbeitsgruppe die Schwerpunkte Assistenzrobotik in der Pflege und Ambient Assisted Living in die Plattform für soziale Innovationen - SINN Sachsen -(https://sinn-sachsen.de/) des Sächsischen Staatsministerium für Soziales, Gesundheit und Gesellschaftlichen Zusammenhalt als Themen eingebracht. Nachdem bislang ausschließlich die technische Integration des Labs gefördert wurde, sollen zukünftig Forschungsprojekte initiiert werden, die die Möglichkeiten der vorhandenen Technik für Menschen mit Unterstützungs- und Pflegebedarf in den Blick nehmen. Deshalb werden unter dem Dach SINN Sachsen derzeit Kooperationen und Modellprojekte entsprechende Modellprojekte vorbereitet.

    Das Sächsische Wissenschaftsministerium hat das Projekt in der Wohnanlage Bühlau mit rund 128.000 Euro gefördert.
    Außerdem wurde das Projekt im Rahmen der Wir! ZukunfTAlter - „InnoQ3 – Innovative Betreuung im Quartier“ Initiative und vom Bundesministerium für Bildung und Forschung gefördert.


    Wissenschaftliche Ansprechpartner:

    Prof. PD Dr.-Ing. habil. Hans-Joachim Böhme
    hans-joachim.boehme@htw-dresden.de
    Dipl.-Inf. (FH) Mathias Klingner
    mathias.klingner@htw-dresden.de


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    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Journalisten
    Ernährung / Gesundheit / Pflege, Gesellschaft, Informationstechnik
    überregional
    Forschungsergebnisse, Forschungsprojekte
    Deutsch


     

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