Bevor die Elastokalorik-Konferenz ab 2027 auf Welttour geht, treffen sich rund einhundert internationale Forscherinnen und Forscher noch einmal in Saarbrücken: Am Innovation Center (A2 1) auf dem Campus der Universität des Saarlandes vernetzen vom 13. bis 15. Mai Fachleute verschiedener Disziplinen ihre Arbeit an der neuen Klimatechnologie. Die Elastokalorik ist energieeffizienter, nachhaltiger und klimafreundlicher als die heutigen Heiz- und Kühlverfahren. Das Team der Saarbrücker Professoren Stefan Seelecke und Paul Motzki zählt zu den Pionieren und führenden Gruppen dieser Technologie. Sie haben die Konferenz ins Leben gerufen, die alle zwei Jahre an wechselnden Orten stattfinden wird.
Die neue Klimatechnologie Elastokalorik ist so sauber wie der Strom, mit dem sie betrieben wird, und energiesparender als heutige Heiz- und Kühlverfahren. Klimaschädliche Kältemittel, fossile Brennstoffe wie Gas oder Öl braucht sie nicht. Stattdessen transportieren dünne Drähte und Bleche aus Formgedächtnislegierungen wie Nickel-Titan oder auch andere smarte Materialien die Wärme. Vom Saarland gehen richtungweisende Beiträge zu dieser neuen Technologie aus, die das Potenzial hat, zum Klimaschutz beizutragen und das Energieproblem zu lindern.
Die Professoren Stefan Seelecke und Paul Motzki versammeln bereits zum zweiten Mal die internationale Forschungscommunity auf der Elastokalorik-Konferenz in Saarbrücken. Ziel ist, die Zusammenarbeit der Gruppen aus den verschiedensten Fachrichtungen zu verstärken, um die Klimatechnologie schneller für ihren Praxiseinsatz weiterentwickeln zu können. „Wir arbeiten daran, die Technologie binnen weniger Jahre auf den Markt zu bringen. Dafür wollen wir alle Gruppen, die inzwischen weltweit aus unterschiedlichen fachlichen Perspektiven an der Elastokalorik arbeiten, enger verzahnen“, erklärt Stefan Seelecke. Vor zwei Jahren gründete er gemeinsam mit Paul Motzki in Saarbrücken die erste internationale Fachgesellschaft auf diesem Forschungsgebiet: Die „International Elastocaloric Society“ wird von hier aus aufgebaut. Seelecke und Motzki sind Professoren an der Universität des Saarlandes und forschen am Saarbrücker Zentrum für Mechatronik und Automatisierungstechnik (Zema) an der neuartigen Klimatechnologie. Sie entwickeln in zahlreichen Forschungsprojekten mit dünnen Drahtbündeln und Blechen aus Nickel-Titan Prototypen für Klimaanlagen, Kühlgeräte und neuerdings auch für den Einsatz in Fahrzeugen, etwa zur Kühlung von Batterien in Elektroautos oder des Innenraums.
Kühlen und Heizen sind mit Blick auf Klimawandel und Energieknappheit weltweit zentrale Zukunftsthemen. „Große Teile des globalen Energieverbrauchs entfallen auf Wärme und Kälte. Vor allem der Bereich Kühlung ist energieintensiv. Durch den Klimawandel und die zunehmende Digitalisierung wird der Energiebedarf Prognosen zufolge künftig stark ansteigen“, sagt Paul Motzki, der mit „Smarte Materialsysteme für innovative Produktion“ eine Brückenprofessur zwischen der Universität des Saarlandes und dem Zema innehat und das Forschungszentrum als Geschäftsführer leitet. Die EU-Kommission bezeichnete die Elastokalorik bereits als zukunftsträchtigste Alternative zu bisherigen Heiz- und Kühlmethoden. Das Weltwirtschaftsforum listete das Verfahren 2024 in seinen „TOP Ten Emerging Technologies“.
„Wir wollen das Innovationspotenzial der Elastokalorik in verschiedenste Anwendungsgebiete tragen, etwa in die Industriekühlung oder den Haushaltsgerätesektor. Hierfür ist es wichtig, dass wir uns mit Arbeitsgruppen in aller Welt vernetzen“, erläutert Paul Motzki. Zur zweiten Elastokalorik-Konferenz – die erste fand 2023 statt – reisen wieder die in der Elastokalorik führenden Forschungsteams aus aller Welt an. Darunter sind Forschungsgruppen, die sich aus materialwissenschaftlicher Sicht mit dem Thema befassen, solche, die die technologische Seite bearbeiten und auch Teams, die sich der Umsetzung der Technik in die Praxis widmen. Auch Vertreterinnen und Vertreter der Forschungsabteilungen international tätiger Unternehmen zählen zu den insgesamt rund 100 Teilnehmerinnen und Teilnehmern der Konferenz.
Die Keynote Speaker der „Elastocalorics 2025“, Jaka Tušek von der Universität Ljubljana, Slowenien, Qingping Sun von der Hong Kong University of Science and Technology und Jun Cui von der Iowa State University in den USA werden die neuesten material- und ingenieurwissenschaftlichen Forschungsentwicklungen aufzeigen.
Die Medien sind zur „Elastocalorics 2025“ herzlich eingeladen.
Programm der Tagung: https://elastocalorics.org/program
Hintergrund:
Die Saarbrücker Elastokalorik-Forschung
Seit mehr als 15 Jahren forscht das Saarbrücker Forschungsteam der Professoren Stefan Seelecke und Paul Motzki in mehreren in Millionenhöhe geförderten Forschungsprojekten und in mehrfach international ausgezeichneten Doktorarbeiten an der Technologie. Ergebnisse sind unter anderem der weltweit erste Kühl- und Heizdemonstrator und der weltweit erste Mini-Kühlschrank.
Sie nutzen dabei haarfeine Drahtbündel oder dünne Bleche aus Formgedächtnislegierungen, um Wärme abzutransportieren oder zuzuführen. Diese werden gezogen und wieder entlastet. Dabei nehmen sie Wärme auf und geben diese andernorts wieder ab. „Das Formgedächtnismaterial gibt Wärme ab, wenn es im sogenannten superelastischen Zustand gezogen wird, und nimmt Wärme auf, wenn es entlastet wird“, erklärt Paul Motzki. Aus diesem Prinzip entstehen neuartige Klimageräte. Die Saarbrücker Forschungsteams erreichen dabei mit ihren Prototypen bereits einen erheblich höheren Wirkungsgrad im Vergleich etwa zu heutigen Wärmepumpen und Kühlschränken. „Sie funktionieren als Kühlanlage und Wärmepumpe zugleich. Ihr Wirkungsgrad beläuft sich bislang auf das Drei- bis Fünffache im Vergleich zu heutigen Anlagen. Die Technologie wird also deutlich weniger Strom benötigen“, sagt Paul Motzki. Beim Kühlen wie beim Heizen erreicht das Saarbrücker Forschungsteam bereits Temperaturdifferenzen von jeweils rund 20 Grad Celsius. „Dies gilt für einstufige Bauelemente“, präzisiert Paul Motzki, „bauen wir die Systeme mehrstufig aus, erzielen wir sehr viel größere Temperaturspannen.“
Das Forschungsteam von Motzki und Seelecke nutzt dabei eine besondere Eigenart der Metalllegierung Nickel-Titan: Diese besitzt ein „Formgedächtnis“. Nickel-Titan hat zwei Kristallgitter, zwei „Phasen“, die ineinander übergehen, und sich sozusagen aneinander „erinnern“ können. Solche Phasen kennt jeder von Wasser: fest, also Eis, flüssig und gasförmig. Anders als bei Wasser sind bei Nickel-Titan jedoch beide Phasen fest. Wandelt sich eine Phase in die andere um, nehmen die Drähte oder Bleche Wärme auf, wechselt die Phase erneut, geben sie Wärme ab. Auf diese Weise kann, wenn Luft an ihnen vorbeiströmt, Räumen Wärme entzogen oder zugeführt werden.
Die Technik kommt ohne Sensoren aus. Jede Deformation der Drahtbündel oder Bleche entspricht einem bestimmten Messwert des elektrischen Widerstandes. Mit Künstlicher Intelligenz erkennen die Forscherinnen und Forscher zu jeder Zeit die genaue Position der Drähte oder Bleche, auch bei Störeinflüssen.
Das Forschungsteam für Smarte Materialien an der Universität des Saarlandes und am Saarbrücker Zentrum für Mechatronik und Automatisierungstechnik (Zema) wurde von Professor Stefan Seelecke begründet und gemeinsam mit Professor Paul Motzki in den vergangenen Jahren intensiv ausgebaut. Das Team nutzt die Formgedächtnis-Technologie für die verschiedensten Anwendungen vom Robotergreifer bis hin zu Ventilen und Pumpen. Zahlreiche Doktorandinnen und Doktoranden und sogar auch bereits Studierende forschen an der Technologie mit. Sie ist Gegenstand zahlreicher auch international ausgezeichneter Veröffentlichungen in Fachzeitschriften. Unter anderem die EU und die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) fördern beziehungsweise förderten die Fortschritte der Forschung.
Um intelligente Materialsysteme in die Industriepraxis zu bringen, haben die Wissenschaftler die Firma mateligent GmbH gegründet.
Prof. Dr. Stefan Seelecke, Lehrstuhl für intelligente Materialsysteme,
+49 (681) 302-71341; stefan.seelecke@imsl.uni-saarland.de
Prof. Dr. Paul Motzki, Professur Smarte Materialsysteme für innovative Produktion, +49 (681) 85787-545; paul.motzki@uni-saarland.de
Franziska Louia, Gruppenleiterin Elastokalorik, +49 (681) 302-71364; franziska.louia@imsl.uni-saarland.de
https://elastocalorics.org/program
https://imsl.de - Lehrstuhl für intelligente Materialsysteme
https://mateligent.de - Spin off mateligent GmbH
https://zema.de/ - Zentrum für Mechatronik und Automatisierungstechnik ZeMA
Prof. Dr. Stefan Seelecke (l.) und Prof. Dr. Paul Motzki
Foto: Oliver Dietze
Universität des Saarlandes
Merkmale dieser Pressemitteilung:
Journalisten, Wirtschaftsvertreter, Wissenschaftler
Elektrotechnik, Energie, Maschinenbau, Umwelt / Ökologie, Werkstoffwissenschaften
überregional
Wissenschaftliche Tagungen
Deutsch
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