Indien und China hatten im Jahr 1970 einen fast identischen Wohlstand. Das hat sich seither drastisch verändert: Heute ist Chinas Bruttoinlandsprodukt (BIP) pro Kopf fünfmal so hoch wie das Indiens. Ein Grund dafür sind die unterschiedlichen Bildungsstrategien beider Länder. Zu diesem Schluss kommt eine Studie des ZEW Mannheim mit der New York University in Abu Dhabi.
„In China lag seit den 1950ern der Schwerpunkt auf der Primär- und Sekundärbildung und den dadurch vermittelten Fähigkeiten wie Lesen, Schreiben und Grundrechnen. Dagegen konzentrierte sich Indien als ehemalige britische Kolonie auf die akademische Bildung“, sagt Ko-Studienautor Li Yang, PhD aus der ZEW-Forschungsgruppe „Ungleichheit und Verteilungspolitik“. „Das hat Konsequenzen: Während China in der Breite der Bevölkerung grundlegende Kompetenzen förderte, die für die wirtschaftliche Entwicklung wichtig sind, war das in Indien anders. Dort entstanden einerseits Bildungseliten und andererseits auch große bildungsferne Schichten.“
Grundschulen vs. Hochschulen
Chinas Ansatz der Bildungspolitik ging seit den 1950er Jahren in die Breite statt in die Spitze. Die Studie zeigt, dass die Priorisierung der Grund- und Sekundarschulbildung zu einer höheren Alphabetisierungsrate und einem größeren Anteil an Ingenieuren/-innen und Facharbeitern/-innen führte. Diese sogenannte „Bottom-up“-Strategie ermöglichte es China, die Vorteile des exportorientierten Wachstums im verarbeitenden Gewerbe zu nutzen.
Im Gegensatz dazu verfolgte Indien einen „Top-down“-Ansatz, der Hochschulen auf Kosten der Grundschulbildung förderte. Dies führte zu einer geringeren Alphabetisierungsrate und einem höheren Anteil an Hochschulabsolventen/-innen in Geistes-, Wirtschafts- und Rechtswissenschaften. Infolgedessen konzentrierte sich Indiens Wirtschaftswachstum auf den Dienstleistungssektor.
Mehr Ungleichheit durch Fokus auf Hochschulen
„Im Gegensatz zum chinesischen Bildungssystem führte der indische Ansatz zu einer höheren Bildungs- und Lohnungleichheit. Obwohl das Land insgesamt einen höheren Anteil an Hochschulabschlüssen aufweist, kämpft Indien nach wie vor mit einer hohen Analphabetenquote. Das erschwert den strukturellen Wandel, da viele Menschen im wenig produktiven Agrarsektor verbleiben“, ordnet Yang ein.
Historische Entwicklung mit langfristigen Folgen
Das zeigt sich auch im BIP pro Kopf: Im Jahr 2024 lag das chinesische Pro-Kopf-BIP mit rund 13.000 US-Dollar fast fünfmal über dem Indiens mit knapp 2.700 US-Dollar.
„Die unterschiedlichen Ansätze in der Bildungspolitik haben historische Wurzeln. Chinas Qing-Dynastie konzentrierte sich im späten 19. Jahrhundert auf die Vermittlung von beruflichen Fähigkeiten, während die britischen Kolonialherren in Indien ein Schulsystem zur Ausbildung von Verwaltungsangestellten einführten“, erklärt Yang die historischen Hintergründe.
Über die Studie
Die Studie von ZEW-Forscher Li Yang und Nitin Kumar Bharti (New York University Abu Dhabi, Vereinigte Arabische Emirate) untersucht die unterschiedlichen Bildungssysteme in Indien und China und ihren Einfluss auf die wirtschaftliche Entwicklung. Die Autoren entwickelten dafür einen neuartigen, detaillierten Datensatz zur Entwicklung des Humankapitals in China und Indien von 1900 bis 2020. Dafür wurden historische Aufzeichnungen und Informationen über die Schulsysteme kombiniert, um die Rolle der Bildung bei der wirtschaftlichen Abweichung zu analysieren.
Li Yang, PhD
Wissenschaftler der ZEW-Forschungsgruppe „Ungleichheit und Verteilungspolitik“
E-Mail: li.yang@zew.de
https://ftp.zew.de/pub/zew-docs/dp/dp24078.pdf
Merkmale dieser Pressemitteilung:
Journalisten, Wirtschaftsvertreter, Wissenschaftler
Gesellschaft, Pädagogik / Bildung, Politik, Wirtschaft
überregional
Forschungsergebnisse
Deutsch
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