Ein Forschungsteam der Senckenberg Gesellschaft für Naturforschung hat die Entwicklung des Klimas während der Epoche des Eozäns vor etwa 56 bis 34 Millionen Jahren untersucht. Dabei nutzten sie eine neue Methode, die sich auf die Stammbaumanalyse von Fossilien stützt. Die Ergebnisse ihrer Studie, die jetzt im Fachjournal „Communications Earth and Environment“ erschienen ist, deuten darauf hin, dass das Klima in Nordamerika während dieser Zeit stabiler war als bisher angenommen. Das stellt bislang weit verbreitete Annahmen zur Klimasensitivität, also zur Temperaturreaktion auf steigenden Kohlendioxid-Gehalt, in Frage.
Wie stark erwärmt sich die Erde, wenn der CO₂-Gehalt in der Atmosphäre steigt? Diese Frage beschäftigt nicht nur die Klimaforschung, sie ist auch politisch und gesellschaftlich hoch relevant. Hinweise auf die zukünftige Entwicklung kann die Rekonstruktion des Klimas vergangener Erdzeitalter geben. Die Senckenberg-Forschenden PD Dr. Krister T. Smith und PD Dr. Angela Bruch haben jetzt einen neuen Ansatz genutzt, um das Klima der Erdvergangenheit zu rekonstruieren. Dabei analysierten sie fossile Überreste von Eidechsen und Schlangen aus drei Fundstellen in den USA, die aus verschiedenen Zeitabschnitten des Eozäns stammen. Mithilfe von Stammbäumen und den heutigen Lebensräumen verwandter Arten können sie auf die damaligen Umweltbedingungen schließen – darunter Temperatur, Niederschlag und jahreszeitliche Schwankungen.
„Bislang ging die Forschung davon aus, dass die globale Durchschnittstemperatur zu Beginn des Eozäns vor 56 Millionen Jahren sehr hoch war und sich im Laufe der folgenden Jahrmillionen deutlich abkühlte“, erläutert Studienleiter und Paläoherpetologe Smith vom Senckenberg Forschungsinstitut und Naturmuseum Frankfurt. „Dieses Bild stützte sich vor allem auf Sauerstoff-Isotopenmessungen aus fossilen Meeresorganismen. Die Daten aus unserer neuen Studie zeigen, dass es im späten Eozän in Nordamerika ähnlich warm war wie im frühen Eozän – eine Abkühlung, wie sie bisher aus marinen Daten abgeleitet wurde, sehen wir in unseren Ergebnissen nicht. Das bedeutet, dass die vielzitierte globale Abkühlung während des Eozäns möglicherweise eher ein regionales Phänomen der hohen Breiten war, in denen kaltes Tiefenwasser entsteht – vor allem rund um die Antarktis. Dieser Trend betraf möglicherweise nicht die gesamte Erde.“
Die Befunde der Studie sprechen dafür, dass das Eozän in Nordamerika über viele Millionen Jahre hinweg ein stabiles, warmes Klima aufwies – mit nur kurzzeitigen Schwankungen. Dieses Ergebnis lässt sich auch besser mit den rekonstruierten CO₂-Konzentrationen jener Zeit in Einklang bringen, die ebenfalls relativ konstant waren.
„Wenn es im frühe Eozän doch nicht so heiß war wie angenommen, muss auch die sogenannte Klimasensitivität neu bewertet werden“, ergänzt Paläobotanikerin Bruch, Co-Autorin der Studie und ebenfalls am Senckenberg Forschungsinstitut und Naturmuseum Frankfurt tätig. „Aus den bisher angenommenen extrem heißen Temperaturen zu Beginn des Eozäns bei einer gleichzeitig relativ stabilen CO₂-Konzentration in der Atmosphäre wurde die Hypothese abgeleitet, dass die Erde in warmen Phasen besonders empfindlich auf CO₂ reagiert. Unsere Ergebnisse legen jetzt nahe, dass der Temperaturanstieg pro CO₂-Verdopplung in dieser vergangenen warmen Epoche geringer war als bisher vermutet. Das hat Auswirkungen auf heutige Klimamodelle, die zukünftige Entwicklungen auf Basis vergangener Klimaänderungen simulieren – ganz besonders im Kontext hoher CO₂-Emissionsszenarien.“
„Unsere Studie zeigt, wie wichtig es ist, Klimaveränderungen aus verschiedenen Regionen und mit unterschiedlichen Methoden zu untersuchen“, betont Smith. „Nur so können wir ein vollständigeres Bild davon gewinnen, wie das Erdklima funktioniert.“
Statt sich auf Pflanzenfossilien oder geochemische Messungen zu stützen, nutzte das Team für die neue Untersuchung eine sogenannte „phylogenetisch erweiterte Koexistenzmethode“. Dabei werden die ökologischen Toleranzen ausgestorbener Tiere anhand ihrer nächsten heutigen Verwandten abgeschätzt. So konnten die Wissenschaftler*innen erstmals für drei Fundorte im mittleren Westen der USA detaillierte Klimawerte wie durchschnittliche Jahres- und Monatstemperaturen und Niederschlagsmengen rekonstruieren.
„Zukünftig könnte unser neuer methodischer Ansatz auch auf andere Tier- und Pflanzengruppen oder geografische Regionen angewendet werden, um ein noch umfassenderes Verständnis früherer Klimaverhältnisse zu erhalten“, schließt Smith. „Unsere Studie kann neue Impulse für die Klimaforschung liefern und helfen, bestehende Klimamodelle immer weiter zu verbessern – ein wichtiger Schritt, um die Klimazukunft besser einschätzen zu können.“
PD Dr. Krister T. Smith
Senckenberg Forschungsinstitut und Naturmuseum Frankfurt
Tel. 069 7542 1218
krister.smith@senckenberg.de
PD Dr. Angela Bruch
Senckenberg Forschungsinstitut und Naturmuseum Frankfurt
Tel. 069 7542 1568
angela.bruch@senckenberg.de
Smith, K. T., & Bruch, A. A. (2025). Persistent greenhouse conditions in Eocene North America point to lower climate sensitivity. Communications Earth and Environment.
https://doi.org/10.1038/s43247-025-02288-z
Die Forschenden analysierten fossile Überreste von Eidechsen und Schlangen aus drei Fundstellen in W ...
Krister Smith
Die heute lebende tropische Eidechse Anolis polylepis ist mit einigen der untersuchten fossilen Eide ...
Gunther Köhler
Merkmale dieser Pressemitteilung:
Journalisten
Biologie, Geowissenschaften, Geschichte / Archäologie, Meer / Klima, Umwelt / Ökologie
überregional
Forschungsergebnisse
Deutsch
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