Wie Teile der kontinentalen Kruste kollidieren, verschmelzen und das Land hinter Vulkanbögen formen: Neues Modell könnte langjährige Debatte klären
Eine neue Studie, die in Science Advances veröffentlicht wurde, stellt traditionelle Erklärungen für die Entstehung von verschiedenen „Backarcs“, Landschaften hinter sogenannten Vulkanbögen, in Frage. Mit einem neuen, vereinfachten Modellierungsansatz können die Forschenden erklären, wie die diversen Landschaften entstehen können und dabei ganz ähnlichen Anomalien – einen hohen Wärmefluss und eine ungewöhnlich dünne Mantel-Lithosphäre – ausbilden. Die Ergebnisse bringen nicht nur die geodynamische Theorie voran, sondern liefern auch Erkenntnisse, die für die Erkundung natürlicher Ressourcen, für Geothermie und die Bewertung von Erdbebenrisiken relevant sind. Die Studie wurde von Zoltan Erdös, Forscher am GFZ Helmholtz-Zentrum für Geowissenschaften, zusammen mit Ritske Huismans von der Universität Bergen, Norwegen, geleitet. Ein Koautor ist Claudio Faccenna, ebenfalls vom GFZ.
Hintergrund: Plattentektonik und Vulkanbögen
Um die weitreichenden Auswirkungen der neuen Studie zu verstehen, ist es wichtig, einen Blick auf grundlegende Eigenschaften der Plattentektonik zu werfen: Platten der Erdkruste bewegen sich, kollidieren und tauchen in den Erdmantel ab. In den meisten Fällen kollidiert ozeanische Kruste, die von mittelozeanischen Rücken nach außen gedrückt wird, mit kontinentaler Kruste. Das geschieht zum Beispiel entlang der Westküsten Nord- und Südamerikas oder in der Ägäis zwischen Afrika und Europa. Die ozeanische Kruste sinkt nach unten, ein Prozess, der als Subduktion bezeichnet wird. An der Kollisionszone kommt es aufgrund der Reibung zwischen den kollidierenden Platten zu Erdbeben. Hinter der Kollisionszone bilden sich Berge und Vulkane, da die absinkende Kruste im heißen Mantel zu schmelzen beginnt und Magma aufsteigt. Diese Vulkane sind oft bogenförmig angeordnet, daher der Begriff „Vulkanbogen“ (auf Englisch „volcanic arc“).
Hinter Vulkanbögen (daher „Backarc“) wiederum entstehen sehr unterschiedliche Landschaften – eine Tatsache, die die Wissenschaft seit Jahrzehnten rätseln lässt. Manchmal wird das Gelände sehr stark angehoben, wie im Fall des Himalaya-Gebirges. In anderen Fällen sinkt die Kruste in der Backarc-Region ab und wird durch Ausdehnung dünner. Und in wieder anderen Fällen bleiben die Backarc-Regionen stabil und tektonisch eher ruhig. Viele dieser Backarcs weisen einen hohen Wärmefluss und eine ungewöhnlich dünne Mantel-Lithosphäre– auf. Diese Eigenheiten finden sich Hunderte von Kilometern landeinwärts und waren bisher schwer zu erklären.
Neues Modell für unterschiedliche Landschaften hinter Vulkanbögen
Um diese Anomalien zu erklären, haben Forschende bislang verschiedene und teils widersprüchliche Theorien diskutiert, die oft eine großräumige Ausdehnung der Mantel-Lithosphäre oder eine Entfernung von Mantelmaterial durch Konvektion unter der Kruste annahmen. Das neue Modell verbindet die rätselhaften Merkmale mit der sogenannten „Terran-Akkretion“ – dem Prozess, bei dem Kontinentalfragmente („Terrane“), die dem Kontinent vorgelagert auf der Ozeanplatte „schwimmen“, mit größeren Landmassen kollidieren und verschmelzen.
Unter der Leitung von Postdoktorand Zoltán Erdős (damals am Institut für Geophysik und Weltraumwissenschaften der Eötvös-Loránd-Universität in Budapest, Ungarn) und Professor Ritske S. Huismans (Universität Bergen, Norwegen) untersuchte die Studie mithilfe modernster numerischer Modellsimulationen, wie die allmähliche Anhäufung („Akkretion“) von Terranen die Backarc-Struktur beeinflusst. Dabei variierten sie die Subduktions-Geschwindigkeit der Ozeanischen Platte. Ihre Ergebnisse zeigen, dass die hohen Anomalien des Wärmeflusses und die Ausdünnung der Lithosphäre auf natürliche Weise durch die Kollision von Terranen mit Kontinenten entstehen können – ohne dass eine großflächige Ausdehnung oder Entfernung von tiefem Mantelmaterial an der Unterseite der Lithosphäre erforderlich ist.
Reale Belege aus der nordamerikanischen Kordillere, Anatolien und der Ägäis
Das Team verglich seine Modellrechnungen mit gut dokumentierten Beispielen für Backarcs, darunter die nordamerikanischen Kordilleren, Zentralanatolien und die Ägäis. Diese Regionen haben trotz ihrer sehr unterschiedlichen topografischen Eigenheiten alle in der Vergangenheit bedeutende Terran-Akkretionen erfahren, und ihre geologischen Merkmale stimmen weitgehend mit den Vorhersagen überein, die die aktuelle Studie auf Basis des vereinfachten Modells machen konnte.
Warum das wichtig ist – auch für Ressourcen, Geothermie und Erdbeben
Diese Forschung liefert eine neue Sicht auf akkretionäre Gebirge und Backarcs und zeigt, dass Terrane, die mit Kontinenten kollidieren, auf natürliche Weise den hohen Wärmefluss und die flache Lithosphären-Asthenosphären-Grenze erzeugen können, die in vielen Backarcs beobachtet werden. Während auch andere Prozesse zu diesen unterschiedlichen geologischen Merkmalen beitragen können, zeigt die Studie, dass Terran-Akkretion allein ausreicht, um sie zu erklären. Die Studie bietet damit einen wertvollen Rahmen für die Interpretation vergangener und gegenwärtiger Subduktionssysteme weltweit. Die Ergebnisse bringen nicht nur die geodynamische Theorie voran, sondern bieten auch Erkenntnisse, die für Bereiche wie die Erforschung natürlicher Ressourcen, Geothermie und die Bewertung von Erdbebenrisiken relevant sind.
Über die Autoren
Die Forschung wurde durchgeführt von Zoltán Erdős (derzeit am GFZ Helmholtz-Zentrum für Geowissenschaften, Potsdam, Deutschland), Ritske S. Huismans (Fachbereich Geowissenschaften, Universität Bergen, Norwegen), Sebastian G. Wolf (Fachbereich Geowissenschaften, Universität Bergen, Norwegen) und Claudio Faccenna (GFZ Helmholtz-Zentrum für Geowissenschaften, Potsdam, Deutschland, und Fachbereich Naturwissenschaften, Universität Roma Tre, Rom, Italien). Ihre Arbeit baut auf früheren Studien auf, die sich mit der Dynamik von Subduktionszonen und kontinentaler Verformung befassten.
Dr. Zoltan Erdös
Wissenschaftler Sektion 2.5 Geodynamische Modellierung
GFZ Helmholtz-Zentrum für Geoforschung
Tel.: +49 331 6264-28884
E-Mail: zoltan.erdoes@gfz.de
Prof. Claudio Faccenna
Leitung Sektion 4.1 Dynamik der Lithosphäre
GFZ Helmholtz-Zentrum für Geoforschung
Tel.: +49 331 6264-1805
E-Mail: claudio.faccenna@gfz.de
Erdős, Z., Huismans, R. S., Wolf, S. G., Faccenna, C. (2025): Terrane accretion explains thin and hot ocean-continent back-arcs. - Science Advances, 11, 17.
https://doi.org/10.1126/sciadv.adq8444
Topografische Karte der Erde mit blau schattierten Bereichen, die Zonen mit akkretierten Terranen un ...
CCBY 4.0 Erdős et al. 2025, Science Advances; DOI: 10.1126/sciadv.adq8444
Lithosphärischer Querschnitt durch das ägäische Subduktionssystem (B), die kanadischen Kordilleren ( ...
CCBY 4.0 Erdős et al. 2025, Science Advances; DOI: 10.1126/sciadv.adq8444
Merkmale dieser Pressemitteilung:
Journalisten, Studierende, Wissenschaftler, jedermann
Geowissenschaften, Meer / Klima
überregional
Forschungsergebnisse, Wissenschaftliche Publikationen
Deutsch
Topografische Karte der Erde mit blau schattierten Bereichen, die Zonen mit akkretierten Terranen un ...
CCBY 4.0 Erdős et al. 2025, Science Advances; DOI: 10.1126/sciadv.adq8444
Lithosphärischer Querschnitt durch das ägäische Subduktionssystem (B), die kanadischen Kordilleren ( ...
CCBY 4.0 Erdős et al. 2025, Science Advances; DOI: 10.1126/sciadv.adq8444
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